die Situation ernstlich. Die größten Anstrengungen güilicher Einigung bleiben hoffentlich nicht erfolglos.

Berlin. Ein erschütterndes Familienereigniß spielte sich am Montag Abend im Hause des Maurers G. in der Bahnhofstraße zu Schöneberg ab. Die sonst sehr friedliebenden Eheleute hatten untereinander einen leichten Streit gehabt, worauf die Ehefrau das Zimmer verließ, um sich in der Küche zu beschäftigen. Als sie nach kurzer Zeit in die Stube zurückkehrte, fand sie ihren Ehemann an der Wand hängend. Dieser hatte sich an einem Spiegelhaken erhängt. Der Anblick wirkte derartig aus die Ehefrau, daß sie sofort in Krämpfe verfiel und nicht im Stande war, dem noch lebenden Ehemann irgendwie Hilfe zu leisten oder die Schlinge zu durchschneiden. Erst nach längerer Zeit kamen durch das von der Ehefrau in den Krämpfen verursachte Gepolter Hausbewohner hinzu, die den inzwischen ver­storbenen Ehemann loslöslen und der Frau die nöthige Hilfe gewährten.

Die vom deutschen Kaiser zu den Madrider Vermählungsfeierlichkeiten abgeordnete außerordentliche Gesandtschaft hat die spanische Hauptstadt wieder ver­lassen, sehr befriedigt über die ihr sowohl von Seiten des Hofes als auch von der Bevölkerung bereitete Aufnahme. General v. Gäben erhielt das Collier (Halskette) des Ordens Carls III., des höchsten Ordens Spaniens nächst dem goldenen Vließ. Auch die Zu­vorkommenheit und Aufmerksamkeit der französischen Behörden während der Reise der Abgesandten durch Frankreich werden besonders hervorgehoben.

Wenn wir uns den Inhalt der zur Eröffnung des deutschen Reichstags gehaltenen Thronrede, von welcher wir im letzten Blatt nur den Schlußpassus gegeben, vergegenwärtigen, so finden wir darin folgen­den Gedankengang: Die Thronrede behandelt zunächst die inneren Angelegenheiten des Reichs. Angekündigt werden folgende Gesetze: Reichsstempelsteuer, höhere Besteuerung des Tabaks (diese behufs Vermeidung einer Erhöhung der Matricularbeiträges, ein Anleihegeseh, behufs Bestreitung außerordentlicher Ausgaben, ferner ein Gesetz über die Stellvertretung des Reichskanzlers. Eine neue Rechtsanwaliordnung soll jedem Befähigten Zutritt zur Nechtsanwaltpraxis verschaffen, ohne darum die Bürgschaften zu vermindern, welche dem Stand der (geprüften) Rechtsanwälte seine Stellung sichern. Das Kastenwesen des gerichtlichen Verfahrens soll für das ganze Reich einheitlich geregelt werden. Die Strafen für Einführung seuchenkranken Viehes sollen eine er­hebliche Verschärfung erfahren. Weiterhin werden anqekündigt: ein Gesetz, betreffend die Verfälschung von Lebensmitteln, eine Revision der Gewerbeordnung, eine Vorlage, betr die Errichtung von Gewerbegerichten. Die Thronrede erwähnt sodann der bis jetzt vergeblichen Verhandlungen mit Oestreich-Ungarn über Erneuerung des Handelsvertrages. Der bisherige Vertrag sei bis Ende Juni verlängert worden. Hoffentlich werde es in dieser Frist gelingen, eine Vereinbarung zu erzielen, welche dem zwischen Deutschland und Oestreich-Ungarn bestehenden freundschaftlichen Verhältnis! entspricht." D'e spezielle Betonung dieses Freundschaftsverhältnisses zwischen beiden Kaiserreichen ist von großer Bedeutung angesichts der bevorstehenden Konferenz. Bezüglich der auswärtigen Lage äußert sich die Thronrede ziemlich reservirt. Sie spricht die Hoffnung aus, daß ein .baldiger Friede" die Grundsätze der Konstantinopeler Konferenz zur Anwendung bringen und dauernd sicher stellen werde. (Die vorigen Jahres ausgesprochene Hoffnung" ist nicht in Erfüllung gegangen hof­fentlich keine schlimme Vorbedeutung für die jetzige Hoffnung.")

OesterreichUngarn.

Wien, 8. Febr. DiePresse" meldet: Der erste Artikel des russisch-türkischen Friedensactes stellt ein Schutz- und Trutzbündniß fest. Rußland übernimmt die Sicherung der Türkei gegen auswärtige Feinde. Behufs dessen werde» die Russen außer Konstantinopel noch einige Städte zeitweilig besetzen. DiePresse" bemerkt, dies wäre ein Vierkaiserbund. DerPester Lloyd" meldet: Rußland erklärt, daß die einzelnen Friebenspunkte für die Conferenz indiskutabel seien.

Wien, 9. Febr. Es verlautet, daß, wenn die Einfahrt der britischen Flotte in die Dardanellen ge­stattet werde, sofort Kriegsschiffe der anderen Mächte Nachfolgen würden Oesterreich ist geneigt, ebenfalls Schiffe noch Konstantinopel abzusenden. Es wird vielfach befürchtet, Rußland werde, sobald englische Schiffe in Konstantinopel einlaufen, sofort Konstantino­pel occupiren.

Pest. 9. Febr. Die Stimmung ist erregt. Die Blätter führen eine äußerst scharfe Sprache. Der Lloyd" erklärt, Rußland habe gelogen, der Zar einen

Wortbruch begangen. Mit Rußland feie» diplomatische Vereinbarungen unmöglich. Andere Blätter verlangen energisch sofortiges Marschiren.

Prag, 8. Febr. Kardinal Fürst Schwarzenberg reist heute zum Conklave nach Rom ab.

Frankreich

Paris, 7. Febr. Die gestern Nachmittag be könnt gewordene deutsche Thronrede hat einen vorzüg­lichen Eindruck gemacht und hat an der Börse eine starke Hausse bewirkt.

Frankreich zeigt, nachdem es sich kurze Zeit der inneren Ruhe erfreut, neuerdings wieder bedenkliche Symptome einer bevorstehenden Krisis. Nicht nur, daß die Parteien innerhalb der Kammer, speciell die Bonapartisten und die Republikaner, aus Anlaß der Wahlprüfungen in leidenschaftlichster Weise an einan der gerathen sind, auch zwischen dem Marschall-Präsi- deuten und seinen Ministern droht ein neues Zerwürfniß auszubrechen: ersterer ist nämlich mit der Verschleppung der Budgetberathungen durch die Kammer in höchstem Grade unzufrieden, will gewisse Decrete nicht unter zeichnen und soll jüngsthin sogar wieder einmal mit seiner Abdankung gedroht haben. Mittlerweile hielten die Arbeiter einen Congreß in Lyon und die Bischöfe eine Conferenz in Paris ab: an beiden Orten plante man im Geheimen den Sturz der gegenwärtigen Re­gierung.

Italien.

Rom, 7. Febr. Heute wird über die letzten Worte des Papstes folgender Maßen berichtet: Er habe gesagt:Ich that alles, was mir möglich war, für den heiligen Stuhl. Gott, der du die Herzen kennst, du weißt, ob ich die Wahrheit sage. Ich empfehle dir . . hier erstickte die Stimme. Eine an die Kirchthore angeschlagene Bekanntmachung des Kardinal- vikarS verkündet den Todesfall, ordnet Messen zum Seelenheil des Verstorbenen und Gebete an und em­pfiehlt rasche Wahl des neuen Papstes.

Ro m, 8. Febr. Heute findet die Einbalsamirung des Leichnams des verstorbenen Papstes statt. Der französische Botschafter hatte Namens der katholischen Vertreter bei der Kurie eine längere Unterredung mit dem Camerlengo Pecci über die Anstalten zur Leichen­feier und zur Papstwahl. Der Camerlengo erklärt, das Kardinalkollegium wolle sich in Allem an die alt­hergebrachte Pragmatik halten.

Rom, 8. Febr. Der Zusammentritt des Kon­klaves erfolgt im dritten Stockwerk des Vatikans in der sog. Galerie der geographischen Karten; die Ab stimmung wird wahrscheinlich im Konsistorialsaale vorgenommen. Der Papst hinterließ Instruktionen, welche heute präsente oackavero im Beisein der Kardi- näle eröffnet werden sollen. Nach Mittheilung des Kardinalvikars erfolgt die Leichenfeier in der Peterskirche.

Rom. Die,,Gazetta uffiziale" sagt: Die Aerzte haben constatirt, daß der Papst an einer Lungenlähmung starb. Zu der Trauer in der katholischen Welt um den Tod des erhabenen und verehrten Oberhauptes geselle sich das Bedauern der Welt, die eine der größten Gestalten unseres Jahrhunderts ver schwinden sehe. Das Pontificat Pius' IX. habe unauslöschliche Spuren in der Geschichte Jtalien's und Europa's zurückgelassen. Das Blatt constatirt das achtungsvolle Verhalten der Bevölkerung. Bis zur Ausstellung des Leichnams in der Peterskirche werden alle öffentlichen Belustigungs- Orte geschlossen.

Spanien.

Spanien hat die Hochzeit seines Königs mit nicht weniger als 3 Stiergefechten verherrlicht. Auf Befehl des Königs wurden st Köpfe der getödteten Stiere ausgestopft und den außerordentlichen Botschaf­tern der fremden Mächten zum Andenken an die ge­nossenen Festlichkeiten, sowie zur Characterisirung des Bildungsgrades des heutigen Spaniens auf die Heim­reise mitgegeben.

Rußland.

Die vom russischenRegierungsanzeiger" ver­öffentlichten Bedingungen eines russisch-türkischen Prä­liminarfriedens sind folgende: 1) die Bulgare! wird in denjenigen Grenzen, die sich aus der Mehrheit der bulgarischen Bevölkerung ergeben, und die in keinem Falle enger sein dürfen als diejenigen, welche die kon- stantinopler Conferenz bezeichnet hat, zu einem auto­nomen Tributär-Fürstenthum erhoben mit einer natio­nalen christlichen Regierung und einer aus Eingebornen bestehenden Miliz. Die türkische Armee darf (von einigen Punkten abgesehen, die im gemeinsamen Ein- verständniß noch näher zu bestimmen sind) in der Bul­gare! sich nicht aufhallen. 2) Die Unabhängigkeit Montenegros muß anerkannt werden. Montenegro wird

ein Gebietszuwachs zugestchert werden, dessen Umfang demjenigen gleichkommt, dem das Schicksal der Waffen in die Hände Montenegros gebracht hat; die endgültige Grenze wird später festgestellt. 3) die Unabhängigkeit Rumäniens und Serbiens muß anerkannt werden. Ersterem würde eine genügende Gebietsenlschädigung, letzterem eine Grenzberichligung zugesichert. 4) Bosnien und die Herzegowina werden mit einer autonomen Administration ausgestattet, und zwar uister ausreichen­den Bürgschaften. Entsprechende Reformen sollen in den andern christlichen Provinzen der europäisch«» Türkei eiiigeführt werden. 5) Die Pforte entschädigt Rußland für die Kriegskosten wie für sonstige Verluste, die eS sich hat auferlegen müssen. Die Weise, wie dies ge­schieht, durch Baarzahlung oder durch territoriale oder durch andere Entschädigung, wird erst später geregelt werden Der Sultan wird sich mit dem Kaiser von Rußland verständigen, um die Rechte und Interessen Rußlands in den Meerengen des Bosporus und den Dardanellen zu schützen. An Dehnbarkeit läßt dieser Punkt st nichts zu wünschen übrig.

England.

London, 7. Febr. Unterhaus-Schatzkanzler Norlhcote verliest soeben ein Telegramm Gortschakofs's au den hi- sigen russischen Botschafter Schuwaloff, wonach die russischen Befehlshaber überall den Befehl hätten, die Feindseligkeiten einzustellen; die in England kurst renden Ge> ächte von dem Vorrücken der Russen seien total unbegiündet. Im Hause und außerhalb dem­selben herrscht große Aufregung.

London, 7 Febr.Times" äußert sich bei Besprechung der Thronrede zur Eröffnung des deutschen Reichstags folgendermaßen: Dieselve bekunde bezüglich der orientalische» Frage de» festen Entschluß desjenigen Monarchen, dessen Macht bei jedem europäischen Konflict jetzt selbst die Macht Rußlands übe« treffe und der bei den schwebenden Unterhandlungen ei» sehr bedeutendes wenn nicht entscheidendes Gewicht in die Wagschale zu werfen vermöge. Demnach könne mit Befriedigung bemerkt werden, daß der deutsche Kaiser keiner extremen Anschauung Vorschub leiste. Da der Kaiser wahrschein­lich besser in der Lage sei, als irgend Jemand anders in Europa, den Charakter des schließlichen Friedens- Programms Rußlands zu kennen und auch zu beurtheilen, ob solches für die europäischen Mächte annehmbar sein dürfte, so seien die friedlichen Versicherungen desselben eine solide Thatsache, worauf man bauen könne. Wenn Rußland nach einer Stellung in Osteuropa trachten sollte, durch welche die Interessen Deutschlands und Oesterreichs geschädigt werden könnten, so würde ein Wort des Kaisers genügen, um Rußland Mäßigung aufzuerlegen.

London, 8. Februar. (Unterhaus.) Auf eine Anfrage Hartinglons erklärte Northcote:Es bestätigt sich, daß die Russen bis auf 30 englische Meilen von Konstantinopel vorgerückt und die Türken gezwungen sind, sich zurückzuziehen. Es mag dies vielleicht dem Waffenstillstand entsprechen, obschon die Türken Ueber- raschung vergeben. England verlangte heute in Peters­burg Aufklärung, indem es auf das Versprechen des Czaren hindeutete, daß er Konstantinopel nur im äußersten Nothsalle besetzen wolle"

London, 8 Febr. DemStandard" zufolge ist in den Waffenstillstandsbedingungen die Bildung einer neutralen Zone verabredet worden, wobei Bojuk- Tschekmedje für die Russen, Rustfchuk-Tfchekmedje für die Türken die Demarkationslinie bilden soll. (Die Türken wären also auf den kleinen Zipfel Landes ein­geschränkt, auf dem Konstantinopel liegt, etwa auf eine Fläche von 2 württembergischen Oberämtern.

London, 8. Febr. Telegramme der Blätter aus Athen melden die Unterzeichnung eines Waffenstill­standes zwischen Griechenland und der Türkei. Dieselbe fei unter der Bedingung erfolgt, daß die Ansprüche Griechenlands der Conferenz überwiesen würden. In­zwischen sollen die griechischen Truppen in Thessalien und Epirus bleiben. Die Türkei soll sich verpflichten, die Insurgenten auf Kreta nicht anzugreifen. (F. I.)

London, 9. Febr. (Unterhaus.) Nach längerer Debatte wurde in letzter Nacht der Kredit mit 328 gegen 124 Stimmen angenommen, also eine Mehrheit von 204 Stimmen. Die hervorragenden Führer der Opposition enthielten sich der Abstimmung. Das Resultat wurde mit stürmischem Beifall der ministeriellen Partei begrüßt.

Amerika.

Newyork, 9. Febr. Privat-Telegramme aus Südamerika berichten von einem Erdbeben, das unge­heuren Schaden angerichtet habe. Die Städte Lima und Guayaquil seien fast gänzlich zerstört.