Amtsblatt für den Kberamts-Aezirk Magokd.

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Erscheint wöchentlich 3mal und kostet halbjährlich hier (ohne Trägerlohn) 1 ^ 60 -ß sür den Bezirk 2 außerhalb des Bezirks 2 40

Dienstag den 15. Zanuar.

Jnserationsaebühr sür die Ispaltige Zeile aus ge­wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 <1, bei mehrmaliger je 6

1878.

Elsenbahnzüge der Station Nagold.

Nach Calw: 6,ss, k0,4s, 3,55, ö,rs, d.ss.

Nach Horb: 5,s, 8,ro, II.»5» 3,rs, 7.«, II. Ank.

ZUM MonKement suf den

welcher 3mal wöchentlich zu dem Preis von 80 ^ ohne Trägerlohn oder Postzuschlag pro Quartal erscheint, laden wir freundlichst ein. Auswärtige wollen ihre Bestellungen immer dem nächstgelegenen Postamt oder dem den Ort begehenden Postboten aufgeben.

Amtliches.

Nagold.

An die Orlsvorfteher.

Die Anzeigen über die Zahl der bei den Orts­gerichten angefoUenen, erledigten und unerledigt ge­bliebenen Rechts-Streitigkeiten sind, soweit sie noch ausstehen, bei Vermeidung der Abholung durch Wart­boten spätestens bis zum 19. Januar zu erstatten.

Den 12. Januar 1878.

K. Oberamtsgericht.

Kißling.

Zur allgemeinen politischen Lage.

V.V.a. Wie zu erwarten war, hat Rußland den eng­lischen Friedensvermittlungsvcrsuch, so vorsichtig derselbe auch den Schein einer Einmischung vermied, entschieden abgelehnt: es will sich nur auf directe Verhandlungen mit der Pforte einlassen und verlangt daher, daß letztere, wenn sie den Frieden wünschen sollte, sich an das russische Hauptquartier wenden möge. In Folge dessen glaubt man der demnächstigen Ankunft türkischer Unterhändler im russischen Hauptquartier entgegen­sehen zu dürfen. Auf ein baldiges Ende des blutigen Kriegs­spiels wird darum indes;, selbst wenn sich jene Erwartung ver­wirklichen sollte, doch kaum zu hoffen sein. Rußland wird, nachdem seine Heere den Balkan zum zweiten Male überschritten haben und nach der Einnahme Sofias eben im Begriff stehen, auf Adrianopel vorzugehen, um den sich dort sammelnden Rest der türkischen Armee niederzuwerfen, sich nicht gern dazu ent­schließen, in seinem Siegeslauf stillzustehen. Hat es doch auch schon erklärt, daß es keinen Waffenstillstand abschließen werde, ohne daß vorher die Präliminarien des Friedens fcstgcstellt worden wäre. Rußlands Forderungen werden aber der Pforte augenblicklich wohl noch zu hart dünken, als daß diese sich den­selben fügen zu müssen glauben sollte. Die Noth, in welcher sie sich befindet, ist freilich groß genug. Nicht nur, daß sic sich auf allen Seiten von Feinden bedrängt und von ihren Freun­den verlassen sieht, auch der Versuch, die Christen zum Kriegs­dienst heranzuziehen, ist ihr mißlungen. Die Hauptstadt des Landes wird daher nach einem Siege der Russen bei Adrianopel dem Sieger auf Gnade oder Ungnade preisgegeben sein. Aber es müßte wunderlich zugehen, wenn die Türken nicht, ihrem fatalistischen Glauben entsprechend, in dem Augenblick der höch­sten Noth einen letzten Versuch der Verzweiflung zu ihrer Ret­tung machen und lieber das Schicksal ihres ganzen Reiches in Europa aufs Spiel setzen, als bei Zeiten nachgeben sollten.

Trotzdem indeß, daß der Untergang des osmanischen Reiches in Europa immer näher hcranrückt, scheint sich doch die Wolke, welche in der letzten Zeit von England her den politischen Himmel zu verdunkeln drohte, wieder verziehen zu wollen. Alle Welt ist gegenwärtig im Klaren darüber, daß England zur Rettung der Türkei keinen Finger aufheben wird, sondern einzig und allein darauf bedacht ist, bei dem Zusam­menbruch derselben seine eigenen Interessen zu wahren. Die Verhandlungen, welche die englische Regierung zu diesem Zweck jüngst in Petersburg gepflogen hat, scheinen nun aber eine vorläufige Verständigung zwischen beiden Cabineten herbeige- führt zu haben. Die Befürchtung, welche am schwersten auf den englischen Ministern lastete, die Meerengen könnten von der Pforte im zukünftigen Frieden für Rußland allein geöffnet

werden, ist ohne Zweifel definitiv beseitigt worden. In sdcr

Erschließung der Meerengen sür alle Mächte wird England sich aber, so bedrohlich dieselbe auch für die Fortdauer seiner Herr­schaft im Mittelmeer sein mag, wohl oder übel fügen müssen, nachdem es zu der Ueberzcugung gelangt ist, daß alle übrigen Mächte diese Erschließung lebhaft wünschen. Wenn sich nun Rußland etwa verpflichtet hat, Constantinopel selbst, falls es zu einer zeitweiligen Besetzung desselben gezwungen sein sollte, nicht dauernd zu behalten und die Erschließung der Dardanel­lenstraße nicht für sich allein zu verlangen, warum sollte dann England nicht wenn auch schweren Herzens -- schließlich geschehen lassen, was es doch nicht mehr hindern kann? Einen zweiten Krimkrieg will ja das englische Volk unter keiner Be­dingung mehr führen. Nach einer gründlichen Niederwerfung der Türken durch die Russen dürfte daher der Friedensschluß zwischen beiden nicht allzu lange mehr auf sich warten lassen, diejenigen Abmachungen aber, welche europäische Angelegenheiten betreffen, besonders die Fragen über das Schicksal Constantinopels und der Meerengen, dem europäischen Areopag zur Genehmi­gung unterbreitet werden.

Unsere Hoffnung, daß es gelingen werde, die orientalische Frage ihrer Lösung ohne weitere kriegerische Verwicklungen in Europa entgcgenzuführen, stützt sich in erster Linie auf die Haltung der deutschen Reichsregierung. Die deutsche Politik hat sich bekanntlich die Aufgabe gestellt, zwischen den bei dieser Frage besonders interessirtcn Mächten freundschaftlich zu ver­mitteln. Ist es ihren Bemühungen nun bisher gelungen, den Kampf zu localisiren, so dürfen wir uns wohl der Hoffnung hingebcn, daß der deutsche Staatsmann, der trotz seiner Beur­laubung die Fäden der großen Politik unablässig in sicherer und fester Hand hält, seine auf Erhaltung des Weltfriedens gerichtete Politik auch fernerhin mit Erfolg durchführen werde. Nehmen wir dazu, daß auch die französische Regierung, wie aus den Neujahrsäußerungen Mac Mahon's hervorgeht, für's Erste auf eine friedensstörerische Politik verzichtet hat und der Vatican somit des Werkzeugs zur Ausführung seiner deutsch­feindlichen Pläne beraubt ist, so sind wir wohl zu der Hoffnung berechtigt, daß die friedlichen Aussichten, die Kaiser Wilhelm der Welt beim Beginn des neuen Jahres eröffnet hat, sich voll­auf verwirklichen werden.

Tag es-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Calw, 10. Jan. Gestern Abend ist hier ein entsetzliches Unglück geschehen. Ein junger Mann von Merklingen, O.-A. Leonberg, welcher hier als Schreiberei-Jncipieni in der Lehre war, ging bei Ver­wandten, Bäcker G., in die Kost. Derselbe spielte gestern Abend in seinem Kosthaus mit einem Revolver, den er sich, zu welchem Zwecke, wird er wohl selbst nicht gewußt haben, gekauft hatte, und meinte natürlich, wie dies in solchen Fällen immer ist, er sei nicht ge­laden. Auf einmal entlud sich ein Schuß und ging dem einzigen Kinde seiner Kostgeber, einem 9jährigen Knaben, der sich eben auSzog, um zu Bette zu gehen, mitten durchs Herz. Sofort bei der Hand befindliche ärztliche Hilfe konnte blos konstatiren, daß der Tod augenblicklich eingetreten war. Die allgemeinste Theil- nahme spricht sich mit den unglücklichen Eltern aus, welche mit der zärtlichsten Liebe an diesem einzigen Kinde hingen und die nun ganz trostlos sind. Der Thäter hat sich gestern Nacht noch beim Stadtschult­heißenamte gestellt. Im Arrest verlangte er noch eine Flasche Bier und eine Wurst, welche ihm jedoch ver­weigert wurden. Er wurde mehrmals gewarnt, nicht im Zimmer mit dem Revolver zu spielen, jedoch umsonst!

Stuttgart, 8. Jan. Eine Berliner Corre- spondenz der Fr. Ztg. will wissen, General v. Schwarz­koppen habe fast sein ganzes Vermögen der Verwaltung des flüchtigen bankerotten Banquiers Emanuel Nathan in Berlin anvertraut, welcher sämtliche ihm übergebene Depots veruntreut hat. Die Nachricht hiervon habe den General vor ungefähr 5 Wochen auf das Kranken­lager geworfen, das er nicht mehr verlassen sollte.

Stuttgart, 9. Jan. Morgen findet im Palais S. K. H. des Prinzen Wilhelm von Württemberg die Taufe der am 20. Dez. v. I. geborenen Prin­zessin statt. Sie soll die Namen Pauline, Helene, Olga erhalten.

Cannstatt, 10. Jan. Sicherem Vernehmen nach ist Komm.-N- Krauß von hier in Oporto (Por­tugal) an einem Schlaganfall am 31. Dez. gestorben. Ec hatte sich seit 4 Monaten unter dem NamenPhi­lipp Kox" daselbst aufgehalten.

Karlsruhe, 9. Jan. Am Drei-Königs-Tage fand dahier eine altkatholische Bezirks-Versammlung statt, beschickt von den Gemeinden und Vereinen, welche zum Bezirke Karlsruhe gehören. Beschlossen wurde, eine deutsche Meß-Liturgie einzuführen. Ferner trat man dem Mannheimer Antrag wegen Aushebung des Cölibats-Zwanges bei, und endlich soll auf den 19. März eine altkatholische Landes-Versammlung nach Offenburg berufen werden.

In Lachen bei Neustadt hat ein Bauer, den man schon mehrmals am Erhängen gehindert hatte, vorgestern Nacht sein Vorhaben ausgeführt und zwar in Gegenwart seines siebenjährigen Sohnes, der trotz seiner Bitten ihm mit einer Laterne dazu leuchten mußte

Am 8. Jan. ist Bebel aus dem Gefängniß ent­lassen worden. Derselbe befand sich dort seit dem 23. Nov. und wird den Rest seiner kmonatlichen Gesäng- nißstrafe an seinem Wohnorte Leipzig verbüßen. Bebel hatte um die letztere Verwilligung aus besonderer Rücksicht aus sein Geschäft in Leipzig nachgesucht, und sie ist ihm nun, nachdem die Ueberfüllung des dortigen Gefängnisses beseitigt, ertheilt worden.

Berlin, 10. Jan. Der Oberceremonienmcister Graf Stillfried wünscht ins Privatleben zurückzutreten, wird aber noch die Ceremonien bei den bevorstehenden Festlichkeiten anläßlich der Vermählung der Prinzessinnen Charlotte und Elisabeth leiten. Diese Feierlichkeiten sollen großartig begangen werden. Zur Feier des Doppeltestes erwartet man eine Anzahl Vertreter mit dem Kaiserhause verwandter oder ihm befreundeter Höfe. Die englische Königsfamilie wird durch den Prinzen von Wales vertreten sein. Bon regierenden Fürsten, die ihr Erscheinen bereits zugesagt haben, wird der König der Belgier mit seiner Gemahlin genannt. Man nimmt an, daß einschließlich der Kaiserlichen Majestäten und der Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses gegen 50 Fürstlichkeiten an der Familientafel Thcil nehmen werden.

Berlin, 11. Jan. Der Kronprinz des deut­schen Reichs reist zur Leichenbestattung deS Königs Victor Emanuel nach Rom.

Berlin, 11. Jan. Die wiederholt als Leib- Blatt des Fürsten Bismarck desavouirteNordd AUg. Ztg." bringt an hervorragender Stelle folgende Dank sagung:Varzin, 8. Jan. 1878. Durch Krankheit verhindert, alle mir zugegangenen freundlichen Wünsche zum neuen Jahre einzeln zu beantworten, sage ich für dieselben auf diesem Wege meinen verbindlichsten Dank. Fürst v. Bismarck."

Berlin, 12. Jan. Der Waffenstillstand ist abgeschlossen. Das Nähere ist unbekannt. Das russische Hauptquartier ist vorläufig nach Lowatz verlegt. (Fr. I.)

Der deutsche Reichstag wird wahrscheinlich zum 3. oder spätestens 10. Februar einberufen werden.

Finanzminister Camphausen hat am 7. Dez. an die Steuer-Direktionen ein Schreiben gerichtet, durch welches der freie Grenzverkehr einzelner Bezirke Böh­mens und Schlesiens mit Garnen und Rohleinen ein­geschränkt wird. DieN. Fr. Pr." schreibt:Diese Maßregel kann gar keinen -andern Zweck verfolgen, als dem östreichischen Handel schon jetzt jene Vortheile zu entziehen, welche die Verträge ihm zugesichert haben, und unserem Verkehr jene Nachtheile empfinden zu lassen, welche die Aufhebung des bisherigen Systems