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Wohlthätigkeitsvereins und die Kölnische Zeitung erließen einen Aufruf zur Linderung der Not.
Köln, 26. Juli. Heute früh 6>/s Uhr wurde der letzte Verschüttete, der Schreiner Schulze, tot aus den Trümmern hervorgezogen. Die Beerdi- gung von 7 Toten fand heute um 9 Uhr unter großer Beteiligung statt.
Berlin, 24. Juni. Die heutige Versammlung der strikenden Maurer beschloß, die Lohnkommission zu ermächtigen, mit einzelnen Meistern und Bauunternehmern zu verhandeln und bei solchen Meistern die Arbeit wieder aufzunehmen, welche in der Lohnkommission in genügender Form erklären, fünfzig Pfennige Stundenlohn zu zahlen und Samstags um 4^ Uhr Feierabend zu geben, so daß per Woche 59 Stunden gearbeitet, 60 bezahlt werden. Der Strike wird fortgesetzt, bis eine Versammlung sämtlicher hiesiger Maurer denselben für beendet erklärt.
Hamburg, 24. Juli. Vor einigen Tagen wurde hier ein Age n t verhaftet, von dem man dem Vernehmen nach vermutet, daß er mit den des Diebstahls in der hiesgen Reichsbank-Hauptstelle verdächtigen Engländern in Verbindung gestanden habe. Die Verhaftung des Agenten, der erst vor 3 Jahren hierher übergesiedelt ist, nachdem er vorher circa 20 Jahre lang in Manchester ansässig gewesen, erfolgte, dem „Hamb. Corresp." zufolge, auf Veranlassung einer Berliner Firma, die ihn beschuldigt, für circa 20,000 für den Export bestimmt gewesene Bilder und Bilderrahmen von ihr kommissionsweise erhalten, die Sachen aber für sich verwertet haben. Bei der Verhaftung nun sollen im Besitze des Agenten Briefe gefunden worden sein, welche den Gedanken anregten, daß er mit zweien der flüchtigen Engländer in Verbindung gestanden habe. Durch fernere Nachforschungen soll es sogar wahrscheinlich gemacht sein, daß er mit denselben in den Hotels in denen sie Aufenthalt genommen, Zusammenkünfte gehabt habe. Der Verhaftete hat auch zugegeben, daß er in zwei hiesigen Hotels dort logierende Fremde ausgesucht habe; diese seien aber zuvor bei ihm gewesen, um geschäftliche Verbindungen anzuknüpfen, und er kenne nicht einmal genau deren Namen, viel weniger wisse er über ihre Verhältnisse oder Reisezwecke irgend etwas anzugeben. Bezüglich der Beschuldigung der Berliner Firma behauptet er, die Waren nicht kommissionsweise, sondern gegen feste Rechnung bezogen zu haben.
Wevnrifchtes.
— Im zoologischen Garten. Dieser Tage ereignete sich im zoologischen Garten in Antwerpen ein entsetzlicher Vorfall. Das Nashorn, das schon seit einigen Tagen eine ungewöhnliche Wildheit gezeigt hatte, stürzte sich plötzlich auf den eintretenden Wärter, welcher ihm das Futter brachte, und riß in mit großer Gewalt zu Boden. Der Wärter hatte kaum Zeit, um Hilfe zu rufen. Ehe man sich's versah, hatte ihm das wütende Tier zwei furchtbare Wunden an der Brust mit seinem Horne beigebracht, und als es sah, daß die außenstehenden Personen bestrebt waren, den Körper des Unglücklichen hervorzuziehen, nahm es ihn in den Rachen, trug ihn in einen Winkel und zerfleischte ihn buchstäblich vor den Augen der Zuschauer. Nachdem es seine Wut gesättigt, ließ das Nashorn den Leichnam liegen; der Unglückliche hinterläßt eine Witwe mit vier kleinen Kindern.
— Verunglückter Luftschiffer. Aus Paris wird dem N. Wiener Abdbl. geschrieben: Tiefe Teilnahme herrscht in aeronautischen Kreisen über das Schicksal eines Luftballons, der am vergangenen Dienstag in Lorient im Küstengebiete aufgestiegen ist und von Jules Eloy gelenkt wurde. Nachdem der Ballon einige Augenblicke hindurch sich westlich gewandt hatte, begegnete er einer stärkeren Windströmung, die ihn in südliche Richtung trieb. Wenige Minuten später schwebte er hoch über dem Meeresspiegel. Der Lustschiffer kam an der Groix-Jnsel vorüber, ohne landen zu können, und er
wurde in mäßiger Höhe von der Mannschaft des „Tony" wahrgenommen, der von der Munizipalität von Lorient eigens ausgerüstet wurde und sich zu Observationszwecken zwischen Groix und Etel befand. Aber plötzlich erhob sich der Ballon sehr hoch und entfernte sich rapid in der Richtung von Südwest. Seither ist man von dem Luftschiffer ohne jegliche Nachricht geblieben. Der Maire von Lorient telegraphierte nach verschiedenen Gegenden; der Ballon wurde aber nirgends gesehen. Die umsichtigsten Maßregeln waren von dem Maire von Lorient getroffen worden, der nicht nur den „Tony" ausgerüstet, sondern überdies noch von dem Seepräfekten in Lorient eine Dampfschaluppe erlangt hatte. Der Lustschiffer Eloy hätte somit in aller Sicherheit einen Abstieg bewerkstelligen können. Warum hat er das nicht gethan? Man setzt voraus, daß er aus irgend einer Ursache das Ventil, um das Gas entweichen zu lasten, nicht handhaben konnte. Eloy hat unglücklicherweise gar keine Wegzehrung mit sich genommen, und es unterliegt heute fast keinem Zweifel mehr, daß der beklagenswerte Mann seinen Tod gefunden hat. Der am 14. ds. aufgestiegene Ballon ist nämlich gestern, den 19. ds. um 7 Uhr abends 16 Kilometer von Dieppe ins Meer gefallen; er hatte aber keine Gondel mehr.
* Die beiden Papageien. In dem Redaktionszimmer einer deutschen Zeitung in Kalifornien hielt man seit längerer Zeit einen Papagei, der die Worte „du Spitzbub" geläufig sprach. Bald nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges befand ich mich eines morgens schreibend im Zimmer, während der Papagei bei geöffnetem Fenster auf der Fensterbank saß. Da hörte ich plötzlich wiederholt die Worte „Filou, Filou" und erblickte einen anderen, dem unsrigen sehr ähnlichen grünen Papagei neben diesem. „Filou, Filou" erscholl es jetzt nochmals mit Heftigkeit, aber unser deutsch redender Nachbar blieb die Antwort nicht schuldig. Lauter als sonst ließ er sein „du Spitzbub, du Spitzbub" erschallen, und so ging das eine geraume Zeit fort, der eine schrie Filou, der andere Spitzbub! und oft auch zu gleicher Zeit. Kurz nachher trat ein Herr ein, der mir als ein in einer benachbarten Straße wohnender französischer Weinhändler bekannt war und nahm den einen Papageien als den seinigen in Anspruch. Er wurde sofort von seinem Vogel mit „Filou, Filou" und von unserm Vogel: „du Spitzbubi du Spitzbub!" begrüßt. Auf den Wunsch des Franzosen, der unsere Sprache nicht verstand, verdollmetschte ich ihm diese Worte. Unter Hellem Gelächter lief er mit Zurücklassung seines Eigentums davon, um nach wenigen Minuten mit einem Halbdutzend seiner Landsleute wieder am Platze zu sein. Wie da nun aber gelacht wurde!
— Die besten Rezepte schreibt der Professor vr. Gussenbauer in Wien. Er begegnet einem Studenten, der sehr übel aussah, und fragt: Sind Sie krank? — Ich fürchte, Herr Professor. — Der Professor nimmt ihn mit nach Haus, untersucht ihn und sagt: Sie müssen in die Schweiz oder nach Tyrol, aber bald! — Wird nicht möglich sein, Herr Professor, ich bin arm und lebe vom Stundengeben. — So? Dann kommen Sie morgen um 12 Uhr wieder, ich schreibe ihnen ein Rezept. — Punkt 12 Uhr war der Patient da. Er traf den Arzt nicht zu Haus, aber folgenden Zettel: „Reisen Sie glücklich und bald!" und in dem Kouvert lag eine 1000 Gulden- Note.
— Ein prächtiges Geschichtchen erzählt ein Feuilletonist des „P. H." vom ungar. Reichstagsabg. Algernon Beöthy. Derselbe bestand ein Duell und wurde von einem Polizei-Organ nach beendetem Zweikampfe auf dem Schauplatze des Duelles betroffen. „Wer waren Ihre Sekundanten?" inquirierte ihn der Polizeibeamte. „Das kann ich nicht sagen", lautete die Antwort. — „Wir werden sie schon eruiren. Aber ihren Gegner können Sie doch nennen." — „Unter einer Bedingung". — „Und die ist?" — „Geben Sie Ihr Ehrenwort, daß Sie es nicht sagen, von wem Sie die Mitteilung haben". — „Mein Wort darauf". — „Jetzt kann ich's schon verraten. Der Ministerpräsident". — Der Beamte erbleichte und rief erschrocken: „Geben Sie mir, Herr Abgeordneter, das Wort, daß Sie es Niemanden verraten, mir dies gesagt zu haben". — Beöthy gab sein Wort und selbstverständlich wagte es die Polizei nicht mehr dem Duelle nachzuforschen.
zwölf Uhr, daß sie noch mit Handarbeiten beschäftigt war, plötzlich den Pariser in ihre Stube habe eindringen gesehen, und daß sie, um sich seiner Zudringlichkeit zu erwehren, zu dem Dolche gegriffen habe, den sie sich für alle Vorkommnisse angeschafft habe und den sie noch besaß. Der Fremde habe sich nicht einschüchtern lassen, und im Kampfe mit ihm habe sie ihm mehrere Dolchstiche beigebracht, sei aber schließlich ohnmächtig und bewußtlos zusammengesunken.
Ich brüllte auf wie ein wildes Tier. Wer war der Teufel? Das war die einzige Frage, die es für mich noch in der Welt zu lösen gab. Ich stellte sie an Deine Mutter, ich bat und beschwor sie mir mehr und Genaueres über den Pariser zu sagen; vergebens! Schon war der Lichtstrahl, der in ihre Seele gefallen war, wieder erloschen, und dumpf, teilnahmslos, ihrer selbst und meiner Nähe unbewußt, stierte sie in die Leere. Oester hat sie seitdem ganz kurze lichte Momente gehabt, stets um die Mitternachtsstunde, aber nie lang und klar genug, um meine Fragen wegen des Ungeheuers zu beantworten, dessen Beschreibung ich verlangte, um ihn zu finden und ihn zur Rechenschaft zu ziehen zu können. Seit all den Jahren ist das der Zweck meines Daseins gewesen, die einzige Hoffnung, die mich an das Leben knüpfte, daß ich den Bösewicht, der mir das einzige mir verbliebene Glück ruchlos geraubt und vernichtet, seine Unthat könnte entgelten lassen. —
Ich hatte mich einer Räuberbande angeschloffen, die die Pyrenäen zu ihrem Operationsterrain gewählt, und ward von ihr zum Hauptmann ernannt. Wir machten reiche Beute, und der mir zufallende Anteil kam meiner Sorge um Deine Erziehung und Zukunft zu Hilfe. Vor nichts empfand ich eine so große Furcht , wie vor dem Gedanken, Dir könne jemals Kenntnis von dem Gewerbe Deines Vaters werden, und um das zu verhindern, führte ich Dich und Deine Mutter nach Paris. Zugleich verausgabte ich wahnsinnige Summen und machte ich wahnsinnige Anstrengungen, um den gesuchten ünbekannten Feind in Paris zu entdecken. All meine Bemühungen waren
fruchtlos, und schon wollte ich an meinen Hoffnungen verzweifeln und Land und Gewerbe aufgeben, um mit Euch in Spanien zu leben, als der Zufall, dieser große Rächer, mir den Gesuchten zeigte. — Er soll mir nicht mehr entgehen!" —
Jetzt kennst Du die Geschichte Deines Vaters, Therese; niemals hat einen Menschen das Loos des Lebens so hartnäckig und unerbittlich verfolgt, wie mich. Wenn ich von Stufe zu Stufe sank und schließlich in einem Sumpfe von Ungerechtigkeiten zu Grund ging, war es nicht das Schicksal, das mich mit Gewalt Hineintrieb?"
Baltimore schwieg, und sein bleiches krankes Kind weinte heiße Thränen. Nach einer langen stummen Pause endlich sagte Therese:
„Du bist mein Vater und ich Dein Kind; ich habe für Dich nur Liebe und Dankbarkeit. Nur Eines gestalte mir: die flehentliche Bitte, jetzt das schreckliche Gewerbe aufgeben zu wollen, das Dich und uns Alle nur noch unglücklicher machen wird, als wir schon sind."
„Ich verspreche es Dir, Kind, ich hatte ihm Lebewohl sagen wollen, wie ich Dir sagte; die Erkrankung Deiner Mutter hielt einzig die Ausführung dieser Absicht noch auf. — Wir wollen nicht nur das Gebirge, sondem Europa selbst verlassen und in der neuen Welt Frieden und Ruhe suchen. — Vorher aber muß ich noch einmal nach Paris reisen, wohin eine gebieterische Pflicht mich ruft."
„Eine Pflicht, Vater?" fragte Therese ängstlich zweifelnd.
„Jawohl, eine Pflicht! Die Pflicht, Gerechtigkeit zu vollstrecken!" erwiderte er mit wilder drohender Miene.
Therese verstand. Sie bat und beschwor ihn, von seinem Vorhaben, Rache an dem Grafen zu üben, abzustehen, aber er blieb unbeugbar.
„Den Galeerensklaven habe ich gerächt", antwortete er, „noch bleibt mir die Wahnsinnige zu rächen."
(Fortsetzung folgt.)