Kardinaikolleginms is! in dem Beflndcn des Gencralstaatssekre- tärs Antonelli eine vollständige Aendernng eingelreten und befindet er sich, wie es den Anschein hat, aus dem Wege ver Besserung. Wenigstens leitet er die äußeren Angelegenheiten des Vatikans wieder mit klarem Kopf und sicherer Hand, und auch als Schatzmeister verfügt er nach wie vor über die einlau­fenden Peierspsennige ganz nach Belieben.

Rom, 27. Olt. DieItalic" meldet: Die russische Re­gierung hat beschlossen, ein Panzer-Geschwader unter dem Kom­mando des Vice-Admirals Bontakoiv in einem süd-italienischen Hafen überwintern zu lassen. Die iialienische Regierung hat diesem Vorhaben keinerlei Hinderniß enigegeugestellt. DieJiatie" fügt hinzu, die russische Regierung habe einen italienischen Hasen gewählt, um eine ansehnliche Streitmacht conceniriren und nöihi- genfalls nach dem Orient dirigircn zu können.

In Rom ist man wenig erbaut von dem Besuch spanischer Pilger, welche sich, 77000 Mann stark mit 3 Bischöfen und einer Schaue von Priestern und Mönchen aller Farben in Zügen zu stand und zur See eingesunden baden, um de» päpstlichen Segen zu einmaligen. Kaum 300 bis 400 von ihnen sind anständig gekleidet, und eine grobe Menge hat sich io wenig um irdische Dinge bekümmert, daß ihr die Polizeidireeiion ein Nachtlager verschaffen mußte, weil sie eS nicht bezahlen konnte. Bor dem Einmalige beim Papst zogen die iremben Gäste in ver Stadl, na­mentlich in den Kirchen herum, nicht wenig überrascht, daß in Nom Ruhe und Ordnung herrscht, ja, daß man selbst nach dein Vatikan gehen kann, obiie eingekerkert oder lodtgeschlagen zu werden. Am 16. Oktober sanv die feierliche Segenspendung an die Pilger, nicht un Vatikan, sondern in der Peterskirche statt, in welche nur die mit Karlen versehenen Per­sonen Zutritt erhielten. Der Papst erschien mit vollem kirchlichen Ge­pränge, aus einem Tragsessel getragen, nahm von 19 Eardinälen und einer ganzen Schaar von Prälaten uingebe» aus einem im linken Kreuz­schiff errichteten Throne Platz und beantwortete die ihm vorgelesene Pil- geradresje mit einer kurze» Rede. Nachdem er hierauf den Anwesenden seinen Segen ertbeilt, verschwand er wieder wie er gekommen war. In­zwischen hatten sich Tausende von Neugierigen aus dem Petersplatze versammelt, um die Spanier zu sehen, und »uc der umsichtigen Fürsorge der Polizei war es zu danken, daß es dabei nicht zu Neibungen und Ruhestörungen gekommen ist.

Mailand, 28. Okt. Ein Rundschreiben des Ministeriums an die Präfccten versichert, die Regierung habe weder geheime Erobernngspläne, noch würde sie solche unterstützen ; die Präfecten werden daher angewiesen, die bestehenden guten Beziehungen zu Ocstreich zu pflegen.

Der Mörder FranceSconi ist in Wien eingebracht worden. Er scheint Höllenqualen aus der langen Fahrt von Franzensfesle bis Wien ausgestanden zu haben. Eine geknickte Gestalt sitzt er kauernd in der Ecke des Wagens mit erdfahlem Gesicht und unheimlich zuckenden Augen; keine fünf Minuten vermag er'ruhig zu sitzen, Fiedersrost scheint ihn zu schütteln, jeden Augenblick wird er trotz seiner liefen Erschöpfung durch ein heftiges Zucken emporgerisjen. Kein Mensch un Wagen (4 Sicher- beiksbeamte theilen denselben mit ihm) berührt ihn, die Änderen sähen es sogar gern, wenn er ein wenig vom Schlaf übermannt würbe, aber es geht nicht. Ein schauerliches Bild, ein entsetzliches Gesicht scheint immer wieder vor den Mörder zu treten und ihn gewaltsam emporzn- reißen. Ist es das blutige Zimmer im fernen Wien, wo sein Oprer ausgestreckt liegt unter seinen zerrlstenen Brieten hatte doch der Mör­der den Anblick seines Opfers nicht auShalien können und ihn mit einem Tuch zugedeckt, ehe er stob oder ist eS ein noch ergreiienderes Bild .... ein blutjunges, bildschönes Mädchen mit einem lächelnden Kindlein auf dem Arme, das an den Schläfer herantritt: Vater, Dein Kind! Das Kind eines Mörders! Nein, er kann nicht schlafen, immer wieder setzt er sich aufrecht und seine Blicke schweifen raihlos umher. In Kla- genfurt, wo er eine Nacht im Gefängniß zubringt, wüthet er gegen alles und gegen sich selbst, er verflucht die Well und sich, bis er kraftlos zusammenbricht. (Seine 17jährige Geliebte hatte nichts von seinem Verbrechen gewußt und ist wieder aus freiem Fuße.)

Paris, 27. Okt. Authentisch verlautet, daß dasherzliche Einvernehmen" zwischen Rußland und Ocstreich in diesen letzten Tagen wieder aufs Neue gefestigt worden ist. Ocstreich bewahrt sich allerdings noch pro l'orma seine Aklionsfreiheit, ist aber den­noch bereits fest entschlossen, Rußland in die Bahnen der Okku­pations-Politik zu folgen. Diese Verständigung zwischen Wien und Livadia ist stillschweigend aber ganz vollständig so weit her­gestellt, Laß selbst der Sturz Andrassys daran nichts mehr zu ändern vermöchte. Für den Augenblick freilich sucht man noch die öffentliche Meinung zu schonen, schon wegen der beiden Par­lamente in Pest und Wien, welche erst langsam an die neue Politik gewöhnt werden müssen. Herzog Decazes seinerseits bewahrt der Oricntkrise gegenüber absoluteste Reserve.

Belgrad, 27. Okt. Hier herrscht düstere Stimmung in Folge der nicht zu verheimlichenden Niederlagen Tschernajeffs. Die Journale flehen in höchster Erregung Rußland um Hilfe an und geben große Erbitterung gegen Tschernajeff kund.

Konstantinopel, 26. Okt. Nach einer Depesche aus Tiflis hätten die Mörder des dortigen türkischen Konsuls und seiner Frau es auf Raub abgesehen gehabt.

Konst an tinopel, 27. Okt.Phare Bosphore" ver­öffentlicht die Ansprache Jgnatieffs beiUeberreichuug seiner Kreditive. Er sagt:Der Czar begreife die Schwierigkeiten der Lage und, ohne seine Sympathien für die Slaven in der Türkei zu verhehlen, wünsche er, die gegenwärtigen Schwierigkeiten mögen geebnet werden, damit der Sultan zur Verbesserung des Looses seiner Unierthanen schreite" Der Sultan erwiderte:Er beklage die Ereignisse, welche die Ausführung der resormatorischen Projekte verhindern. Er zähle auf die Unterstützung der Vorsehung zu Herbeiführung einer neuen Friedensära, die ihm gestatte, sein

Volk glücklich zu machen, und hoffe, der Czar werde dazu beitragen, ihm diese Aufgabe zu erleichtern."

Das türkische BlattBassiret" schreibt:Will Rußland den Krieg, nun wohlan, so sind wir auch dabei, wir können daun eine alte Rechnung mit diesem Erbfeind abmacheu. Rußland wird unterliegen, weil es unter der Fahne des Unrechts kämpsen wird, mit uns ist das Recht, darum auch der Sieg. Lieber den Tod, als moskowitische Sklaverei. Wir sterben bis auf den letzten Mann, unter die russische Knute wolle» wir nicht kommen. Os- mauli, lhue jeder seine Pflichk."Dscheridei Havades" glaubt nicht an den Krieg, weil Rußland zu schwach sei, und Oesterreich den Russen nicht helfe, weil es sich nicht selbst ein Schwert durch den Leib stoßen wolle. Die Russen haben kaum mehr Geld als die Türken, die russischen Offiziere seien nicht so tüchtig wie die türkischen, die russischen Truppen schlecht bewaffnet rc. So können wir, sagtDscheridei", den Dingen mit Ruhe entgegensetzen. Dieser Vertrauensseligkeit gegenüber schreibtBassiret" neuestens einen Aufruf zu den Waffen, worin es heißt: Jeder Reiche muß seinen Reichlhum aus dem Altar des Vaterlandes opfern; jeder Moslem muß ein Gewehr erhallen und sich rüsten, sein Leben und den Bestand des Reichs zu veriheidigen.Lieber stürze das Reich zusammen, als daß Schweine über uns herrschen. Bereitet euch vor für Kampf und Tod."

Die Sachlage im Orient ist bis zur Stunde dahin zu re- sumireu, daß Rußland und die Türkei sich gegenwärtig allein und ohne Vermittler in einer Art von töts-a-töts überlassen sind. Der Wellsriede hängt demnach von dieser unmittelbaren Gegen- stclluug und von der nächsten Zusammenkunft des Sultans mit dem General Jgnaticss ab. Der Friede kann noch erhalten werden, wenn die Türkei allen Forderungen Rußlands nachgiebt. Man glaubt, daß die Pforte in ihren Konzessionen so weit als möglich gehen werde. Sie wird in der Waffenstillstandssrage keine Schwierigkeiten machen; sie wi>d wahrscheinlich eine Konfe­renz ohne ihre Betheiliguug an derselben annehmen, wenn die Konferenz in Konstantinopel stattfinden soll: sie wird vielleicht bis zur Annahme des ihre Resormoerpflichtungen sicherstellenden internationalen Protokolls gehen. Wen» aber Rußland darauf beharrt, eine Okkupation als Garantie der Durchführung der Reformen zu verlangen, so wird die Pforte sich diesem Verlangen und der russischen Okkupation mir Waffengewalt widersetzen. Man glaubt hier (Berlin) mit Sicherheit den Theil zu kennen, welchen England erwählt har. Sowie die Russen in Bulgarien einrücken, soll England entschlossen sein, den Bosporus, die Dar­danellen unv wahrscheinlich auch Port-Said mit seinen Flotten zu okkupiren. Man ist in unseren offiziellen Kreisen überzeugt, daß dieser Entschluß Englands feststeht. Es wird Alles aufbieten, um zu verhindern, daß Konstantinopel in die Hände der Russen falle; es wird aber alles lledrige aufgebcn.

Eni Riejenpaar, welches vor einigen Jahren aus der bisber gesondert betriebenen Schaureise in London zusammentraf und die Gele­genheit benutzte, um sich am Traualtar zu einem vereinigten Gang durch das Leben zu verbinde», hat sich nunmehr, nach Erwerbung eines genü­genden Lermögens im wchauzelte, in Rochester bei New Dort zur Ruhe gesetzt. Der Mann ist Capitän Bates, 7'/- Fuß messend, die Frau, geborene Anna Swan, einen Zoll länger. Jedes der Beiden wiegt über 400 Pfund.

Ehingen, 25 Okt. Weiterer und jüngster Erlös aus hiesigen Hopfen 425, 445 und 460<<! pr. Ztr.

Strümpfelbach im Remstbal, 27. Okt. Käufe: rotbes Gewächs zu 120 weißes und gemischtes Gewächs zu 100 bis 110 je für 3 KI Lese dauert noch bis Mitte nächster Woche. Verkauf sehr lebhaft.

III. Der südliche oder obere Schwarzwald.

(Ein Reisebild, Fortsetzung unv Schluß.)

(Schluß.)

Mit Triberg betreten wir den eigentlichen Boden der Schwarzwälder Uhrenindustrie. Triberg selbst ist ein ungemein freundliches u. nettes Städtchen, wie denn alle diese badischen Städt­chen mit ihrer Sauberkeit und Aufgeputztheit einen anheimelnden Eindruck auf den Touristen machen. Und nun zu den weltbe­rühmten Triberger Wasserfällen! Auf gut gepflegten Fuß­wegen geht es tüchtig aufwärts, entlang der Gutach, welche in 8 herrlichen, schäumenden Wasserfällen, über Granitselsen tosend herabstürzt. Man muß so etwas selbst sehen, es läßt sich nicht gut beschreiben, nicht einmal gut malen. Wir treten mm von Adelhait am obersten Ende des Triberger Fußwegs den Straßen-Weg von Triberg nach Furtwangen mit circa 2'j, Std. an. Derselbe führt auf einer ziemlich magern, da und dort mit Felsblöcken übersäten Hochebene, vorbei an zerstreuten Bauern­häusern, nach dem gewerbfleißigen Pfarrdorf Schönwald. Von hier steigt die Landstraße noch einmal aufwärts und bietet auf ihrem Höhenpunkte im Wirthshaus (1069 m) eine herrliche Fern­sicht auf die Alb und auf die Alpen. Aus der schönen Landstraße geht es steil abwärts nach Furtwangen. Furtwangen ist der Hauplsitz der Schwarzwälder Uhren-Jndustrie. Ein Blick in die dortige Gewerbehalle, zugleich Filialgewerbehalle von Karlsruhe und schon deßwegen mehr begünstigt, als die Gewerbehalle von Triberg, überzeugte uns sofort hievon. Wir finden da in einem schönen Gebäude eine schöne Ausstellung von Uhren, Orchestrions, mechanischen Pianino's, Spieldosen, Strohgeflechten, Holzschnitze-