Großmächte, die Friedensbedingungen herabzumindcrn. Die Si­tuation ist deßhalb überaus gespannt. Rußland will die offeriere Einstellung der Feindseligkeiten nicht als Aequivalent für den verweigerten Waffenstillstand anerkennen.

Berlin, 16. Sept. DieNorddeutsche Allg. Zeitung, das Organ Bismarcks, an die Meldungen über die von der Türkei aufgestellten Friedens-Bedingungen aukuüpsend, konnalirt, daß die Psorte durch die einfache Jgnorirung der wichtigsten, auf einen Austrag der orientalischen Frage bezüglichen Punkte, und betreffs Serbiens, durch die Maßlosigkeit der auf den sts- tus guo des Jahres 1875 zurückgreifeuven Forderungen den Mächten geradezu de» Fehdehandschuh Hinwerse und die Mächte von alle» Rücksichten entbinoe, welche sie auü Gründen politischer Delikatesse bisher der Pforte gegenüber beobachten zu müssen geglaubt haben möchten.

Die Wicderbernsung des B u n d es r al h s erfolgt nach ei­ner Depesche derA. Z." ;um 2l. Sept., die Bcrusung des Reichstags zum 31. Oktober

Berlin, 18. Sept. (Privaidepesche der Atlg. Ztg") Die endgiltig vereinbarte Einstellung der Feindjeligkeuen dauert bis zu», 25. Sept. Serbien folgte der türkischen Initiative; Montenegro's Zustimmung steht noch aus, wird jedoch erwartet. Die Friedensaussichten schm inke» heute, doch erfolgt ein günsli ger Friede voraussichtlich auf Grund der von den Garantiemäch- tcn neu zu vereinbarenden Friedensdedingun-gen.

Wien, 14. Sept. (Allg. Z) Meldungen aus Koustan- tinopel lauten für den Frieden günstiger. Die Botschaften wurden angewiesen, die Pforte zu bestimmten Erklärungen zu drängen. Aus Belgrad wird die Absicht, den Krieg sortzujrtzen, als be­schlossene Thatsache demonstrativ gemeldet. Der Sultan ent­sendet eine Deputation von drei Mitglieder» mit dem Großwessier oder Midhat Pascha an der Spitze zur Begrüßung des Zaren nach Livadia. DemN. W. Tagbl." zufolge ist ein palrieller für Serbien günstiger Ministerwechjel in Konstanttnopcl zu er­warten. Montenegro wünscht Frieden und verlangt die Abtretung herzegowinischen Gebiets und eines Hafens. Diese Forderung wird von zwei Großmächten unterstützt.

Wien, 14. Sept. DieN. fr. Pc." meldet: England und Rußland haben sich über drei Punkte geeinigt: die möglichst schnelle Beendigung des Krieges, die Ausrechterhaltung des ser­bischen Status guo und die Erweiterung der Grenzen Montenegro's bis zum adriatische» Meer. Die Türken schlugen im Rucken von Alexinatz eine Pontonbrücke über die Morawa und befestigten den linken Brückenkopf. Die Verbindung zwischen Alexinatz und Deligrnd ist unterbrochen.

Wien, 17 Sept. Von sonst verläßlicher Seite geht uns folgende Nachricht zu: I» diplomatischen Kreisen verlautet, Ruß­land werde, im Falle des Verharrens der Psorte auf der Ver­weigerung des Waffenstillstandes und auf ihren nunmehr offiziell notifizieren Friedensbedingungen, an die Mächte ein Ultimatum bezüglich einer militärischen Intervention zur Beschleunigung der Friedens und PazifizirungS-Angelegenheit mit der Erklärung richten, daß cs im Falle einer Weigerung der Mächte, nun ener­gisch in die Aktion einzugreifen, allein Vorgehen und Bulgarien besetzen werde.

Wien, 18. September. Rußland hat von einer einsei­tigen Aktion Abstand genommen, weil Oesterreich, falls die Friedensversnche scheitern sollte, in eine gemeinsame bewaff nete Intervention eingewilligt hat.

Wien, 18. Sept. Wie verlautet, haben die Großmächte in Konstantinopei erklärt, die Friedens-Bedingungen in Erwägung ziehen zu wollen, wenn die Psorte eine definitive Waffenruhe gewähre. Die Psorte ist angeblich dazu bereit. Der Schah von Persien hat in .Konstantinopel für den Fall eines ernstlichen Angriffs aus die Türkei seine Allianz angeboren.

Wien, 19. Sept. DiePol. Corr." schreibt unter hoch- osficiösem Zeichen: Mit Beziehung auf die Nachricht von der Ausrufung des Fürsten Milan zum König können wir mitlheilen, daß allerdings Seitens der serbischen Truppen eine solche Kund­gebung stattgefunden hat, vernehmen jedoch gleichzeitig, daß diese unter dem ersten Eindrücke der Bekanntwerdung der türkischen Friedensbcdingungen von den serbischen Truppen in's Werk ge­setzte Manifestation auch von maßgebender serbischer Stelle aus als bedeutungslos betrachtet und erklärt worden ist. Nach Versicherung von derselben Seile haben der Fürst und dessen Regierung, indem sie unerschütterlich auf dem Boden der Frie­densbestrebungen beharren, jene Demonstration mit Entschieden­heit zurückgewiesen und derselben selbstverständlich keine weitere Folge gegeben.

In Amsterdam war die Kirchmeßscier ein öffentlicher Scandal und daher vom Bürgermeister und Rath verboten worden. Da wurde der sonst fischblütige Mob warm, soff Branntwein wie Wasser, bewaffnete sich mit Stöcken und Steinen, durchzog die Straßen der Stadt und brüllte: Kirmeß muß werden Kirmeß muß sein sonst schlagen wir alles kurz und klein! Und er hielt Wort: Häuser wurden zerstört, ungezählte Fenster unv Glaslaterne» zertrümmert und die Stablgarde mißhandelt. Dann gings zur Bürgermeisterei mit dem Geschrei: Aus« aus. aui! hängt den Bürgermeister aus! Zum Aufhängen kam's zwar nicht: denn das Natbdaus war vom Militär besetzt und geschützt unv sie hängen auch in Amsterdam Keinen, den sie nicht haben, als aber die

Krawaller zu stürmen anfingen, da schritt Infanterie und Cavallerie schart ein, es gab viele Berwundete und »och mehr Gefangene an zwei Abenden, die Kneipen wurden geschlossen, aus den benachbarten Garni­sonen wurde noch mehr Militär geholt und am dritten Abend die Ruhe hergestellt.

Brüssel, 19. Sept. Einem Telegramm derJndependance beige" aus Paris zufolge Hut die Pforte eine Ermäßigung der Friedens Bedingungen zugestanden und letztere auf folgende vier Punkte eingeschränkt: Vertheilung der Auszahlung der Kriegs- Entschädigung auf einen Zeitraum von 10 Jahren, bis zur vollständigen Abtragung der Kriegs-Entschädigung Besetzung von zwei serbischen Festungen. Anerkennung des Fürsten Milan ohne Investitur in Konstanlinopel, Bildung eines neuen Ministeriums in Serbien.

Rom, den 18. Septbr. Gestern fanden zahlreich besuchte Meetings in Neapel und Turin zu Gunsten der Christen in der Türkei statt. (Schw M.)

Einen dicken Strich hat die russische Regierung durch eine ultramontane Rechnung gemacht. Sie hat »emlich eine nicht un­bedeutende Summe konfiszirt, welche, zusammengebracht durch L-ammlungen unter der polnischen Bevölkerung in Russisch-Polen, zur Unterstützung der in Folge der Maigesetze ausgewiesenen Priester der Provinz Posen dienen sollte.

Paris, 18. Sept. DasJournal des Debats" bringt ei» Telegramm, wonach die Einstellung der Feindseligkeiten auf zehn Tage unterzeichnet wäre.

Haarbeutel tragen in Paris höchstens npch die Männer, die schönen Frauen trage» ihr eigenes Haar leicht gekräuselt L la Tims. Der Haarbeulet oder Chignon versammelt sich zu den Crinolinen und wird höchstens noch von Ladenmamsells und Köchinnen aufgetrage».

Manöver in Deutschland, Manöver in Obstreich, Manöver in Frankreich. Manöver sind das Zeichen des Augusts und des September. Mac Mahon kam ans solcher Manöver Reise nach Lyon, in die Höhle des Löwen, wo die Radikalsten der Rahi- kalen zu Haus sind. Sie empfingen ihn mit Todlenstille und suchten ihn dann zu ärgern mit allerlei Ungezogenheiten, er schien aber nichts zu bemerken und sprach und handelte mit solchem Takt, solcher Ruhe und Würde, daß er selbst den Respekt seiner Feinde davonirng (Weniger die Rothen als die Schwarzen und die Lonaparlisteu solle» ihm allerlei Schabernack angelhan haben.) Die Festung Belsorl, die ans seinem Wege und in dem Plan seiner Reise lag, besuchte er nicht,höheren Rücksichten ge­horchend" wie der Moniteur verkündigt. Er wollte kriegerische Deutungen vermeiden.

Von beachlenswcrihcr Seite" schreibt man derNal - Ztg.", daß es Pflicht sei, von einer Betheiligung an 8er Pariser Weltausstellung abznralhen. Der betreffende Korrespondent schreibt:Ich komme so eben von Paiis, wo ich es mir wäh­rend 8 Monaten ernstlich angelegen sein ließ, die Stellung unserer Landsleute eingehend zu studiren. Meine gemachten Erfahrungen haben mich vollständig überzeugt, daß die deutschen Aussteller nicht nur ans keinen freundlichen Empfang rechnen dürfen, sondern ganz sicher manche Unannehmlichkeiten ich will cs gelinde ausdrücken erfahren werden müssen. Der Franzose wird den Krieg vom Jahre 18707l auch während der Ausstellung nicht vergessen."

London, den 18. Sept. Die große Versammlung in der City unter dem Vorsitze des Lordmayors nahm einstimmig eine Resoln tion an, welche gegen die türkischen Grausamkeiten protestirt, Schritte zu deren Beendigung verlangt und die Re­gierung auffordert, die Unabhängigkeit der slavischen Provinzen zu unterstützen. Die Versammlung vofirte eine Adresse an die Königin und wählte eine Deputation, um die Resolutionen an Lord Beaconsfield und Graf Derby mitzutheilen.

Belgrad, 16. Sept. (Privattelegramm desN. Wiener Tagblatt.") Gestern wurde bei Alexinatz und Deligrad erbittert gekämpft. Man spricht davon, daß ein großer Theil der türki­schen Armee umzingelt ist, da es starken serbischen Abtheilungen gelang, ihr in den Rücken zu kommen. Obwohl Details zur Stunde noch fehlen, ist doch so viel schon gewiß, daß die Türken eine bedeutende Niederlage erlitten. Die montenegrinische Le­gion im serbischen Heere unter Mascha Brbico ist bereits 4000 Mann stark.

Belgrad, 18. Sept. Tschernajeff meldet an Milan und Ristitsch, daß die Armee den Fürsten zum König von Serbien proklamirte, was am 16. unter Kanonensalven bekannt gegeben wurde, (s. oben.)

Die sonst serbensreundliche in Athen erscheinendePalinge- nesia" berichtet vom 21. August (2. Sept.) folgendes: Ein bulgarischer Priester war verkleidet in das serbische Lager gelangt. Nachdem er von den Serben als Spion ergriffen worden war, bestrichen sie ihn mit Petroleum und übergaben ihn dem Flammentod."

Konstantinopel, 16. Sept. Die türkische Regierung hat Kenntniß davon erhalten, daß von Seiten Rußlands Unter­handlungen mit der rumänischen Regierung bezüglich des Durch­zuges russischer Truppen angcknüpft wurden. Die Stimmung ist hier eine sehr kriegerische.