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15 I. betragenden Branntweinvorrats kann sich aber dadurch der Steuerpflicht nicht entziehen, daß er denselben in mehreren Quantitäten bis zu 15 I. vor­übergehend in die Verwahrung Dritter gibt.

Gefährdungen der Nachsteuer werden im 4sachen Betrage der Steuer bestraft, daneben ist die hinterzogene Steuer nachzuholen. Kann der Betrag der Letzteren nicht mehr ermittelt werden, so wird auf eine Geldstrafe von 10 vIL bis 3000 erkannt.

Tie Ortsvorsteher wollen diese Aufforderung alsbald in ihren Ge­meinden noch besonders in ortsüblicher Weise bekannt machen lassen und Vollzugsanzeige hierüber längstens bis 30. d. Mts. an das Kameralamt ein­senden. '

Hirsa uC alw, den 19. Juni 1885.

K. Kameralamt. K. Umgeldskommissariat.

Rinck. Ä) ieland.

'Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 22. Juni. Die Dauer des Aufenthaltes des Kaisers in Ems, wie alle weiteren Reisepläne des Monarchen, hängen von dem Erfolge der dortigen Kur ab.

Zu Ende dieser Woche trifft der Reichskanzler zu kurzem Aufenthalt aus Kissingen wieder in Berlin ein. Obwohl es, schreibt man der Südd. Pr., keine politischen Geschäfte sind, die ihn nach Berlin zurückführen, so wird Fürst Bismarck es doch weder vermeiden wollen noch können, seine Anwesenheit zu benützen, um einigen dringenden Fragen näher zu treten. Ob darunter auch die Frage der Wiederbesetzung des Statthalter- Postens in Straßburg gehört, steht dahin.

Die Aufforderung an Unteroffiziere der deutschen Armee zur frei­willigen Dienstleistung in Kamerun bei einem Gehalt von 3000 ^ soll nach derKöln. Ztg." nur wenige Meldungen zur Folge gehabt haben. Es soll aber zunächst auch nur ein Korps von Polizeimannschaften aus Eingeborenen gebildet werden, welche die Unteroffiziere aus der deutschen Armee anzulernen haben würden. Die in dieser Hinsicht schwebenden Pläne sollen seinerzeit dem Reichstage zur Kenntnisnahme oder Zustimmung unterbreitet werden, je nachdem finanzielle Bewilligungen in Frage kommen.

Aus Zanzibar. In einem Privatbrief des deutschen General­konsuls vr. G. Rohlfs aus Zanzibar heißt es:Das von der Gesellschaft für deutsche Kolonisation erworbene Gebiet ist in jeder Beziehung ausgezeichnet, der Boden jungfräulich, das Klima, wenn auch heiß, gesund, die Bevölkerung, Dank der Sklavenjagden der Araberhäuptlinge von Zanzibar, mehr als dezi- mirt, so daß Platz für neue Ankömnilinge ist. Aber dennoch muß man nicht glauben, dort Deutsche als Ackerbau treibende Bevölkerung hinziehen zu können. Für Deutsche, welche eigenhändig den Boden bebauen wollen, ist das Klima zu heiß. Der Boden müßte durch Neger oder Malaien bebaut werden oder mit Maschinen. Mit einem Wort, er eignet sich für Plantagen­bau, wie die Ländereien im Süden der Union, Westindien, Brasilien , Ecu­ador, Kolumbien, die ostindischen Inseln rc. Aber mit allen diesen Ländern hat er die Fruchtgarkeit gemein und den Vorzug, noch gar nicht ausgebeutet zu sein. Man würde Sesam, Grundnüsse (»racki«), Gummi, Baumwolle, Indigo, Tabak, Kaffee, Nelken, Muskat, Kakao, Zimmet rc. mit Vorteil dort bauen können. Die mineralischen Schätze sind noch nicht untersucht. Kurz, das Land ist in jeder Beziehung ausgezeichnet."

Fürst Bismarck hat auf ein Telegramm einer klerikalen Ar­beiterversammlung in Bochum, in welchem er gebeten wurde, seinen Einfluß für die allgemeine Sonntagsruhe einzusetzen, folgende Antwort erteilt:

Kissingen, den 16. Juni 1885. Ew. Wohlgeboren danke ich verbindlich für Ihr Telegramm von vorgestern; die Herren Absender können nicht leb­hafter wie ich selbst wünschen, daß die Sonntagsruhe jedem Arbeiter zu teil werde, der sie dem Lohnerwerb vorzieht Bevor ich aber bei den gesetz­gebenden Körpern den Antrag stelle, das Arbeiten am Sonntage bei Strafe zu verbieten und den Arbeiter auch gegen seinen Willen zum Verzicht auf Sonntagslohn zu zwingen, glaube ich die Auffassungen der Beteiligten und die mutmaßlichen Folgen eines derartigen Eingriffes genauer, als bisher geschehen ist, ermitteln zu sollen. Zu diesem Behufs habe ich bei den ver­bündeten Regierungen die erforderlichen Anträge gestellt und zunächst um Ermittelung derjenigen Betriebe gebeten, in welchen gegenwärtig Sonntags­arbeit stattfindet, und um Entgegennahme der Ansichten der beteiligten Ar­beiter und Unternehmer. v. Bismarck.

Wilhelmshaven, 22. Juni. Die beiden Führer der englischen Fischerfahrzeuge, welche von dem Aviso Pommerania wegen unberechtigter Fischerei hieher eingeliefert und bis jetzt im hiesigen Amtsgerichtsgefängnis in Untersuchung saßen, sind nach Aurich abgeführt worden. Die Verhand­lung dieser Strafsache ist auf den 26. ds. angesetzt.

Spanien.

Madrid, 22. Juni. Nach derMg. Ztg." kann nur ein liberales Kabinet eine Revolution, welche beim Bleiben des jetzigen Kabinets fast mit Bestimmtheit in diesem Sommer ausbrechen wird, vermeiden und beschwören. Die revolutionären Vorgänge der letzten Tage beweisen, wie sehr die Gemüter erregt sind. Als sich am 20. einige Minister mit dem Zivilgouverneur im Ministerium des Innern versammelten, bildete sich vor dem Gebäude auf der Puerta del Sol eine Volksmasse, welche die Minister auspfiff. Selbst dem Könige, der gegen 6 Uhr am Platze vorüberfuhr, wurde ein unfreundlicher Empfang zuteil. Der Zivilgouverneur befahl der berittenen Schutzmannschaft, die Menge zu zerstreuen. Dem wiederholten Andrängen der Reiter, die mit flachem Säbel in die Menge einhieben, wich die Masse. Dieses Einschreiten brachte das Publikum jedoch so auf einige Verwundete hatten fortgetragen werden müssen daß, als die Königin-Mutter Jsabella U. mit ihrer Tochter vorüberfuhr, die sonst stets akklamierte Dame von einer Salve gellender Pfiffe begrüßt wurde. Sofort ritten einige 25 Schutzleute auf, und ein Detachement von 60 Mann Infanterie postierte sich vor dem Minifiergebäude

Gegen 7 Uhr fielen die ersten Schüsse der berittenen Zivilgarde gegen das Volk, welches mit Schmähreden und Steinwürfen antwortete. Es heißt, daß aus der Menge etwas vor 8 Uhr ein Nevolverschuß gegen die Polizei ab­geschossen worden sei, durch welche diese so erbittert wurde, daß sie nicht, wie vorher, blinde Schüsse abfeuerte, sondern Ernst machte. Um 9'/- Uhr besetzten die Truppen die Hauptstraßen und Plätze. Leider haben die Kämpfe 2 Tote und 7 Schwer- und etwa 1020 Leichtverwundete gekostet. Von den Schutzleuten sind etwa 5 leicht verletzt. _

Hcrges-Weuigkeiten.

X Die am 24. dieß in Stuttgart stattgefundene freiwillige Prüfung von Verwaltungsgehülfen haben mit gutem Erfolg bestanden: August Kern von Calw und Walther Zapp von Calw.

Eßlingen, 22. Juni. Der Geflügelhandel, der hier von Jahr zu Jahr an Größe und Ausdehnung zunimmt, wird durch zweckmäßige Einrichtungen erleichtert und gefördert. Die Maschinenfabrik erbaute in letzter Zeit für den Transport des Geflügels besondere Wagen, von denen jeder etwa 8000 Stück aufnimmt, und in diesen Wagen wird das Geflügel direkt von Italien aus hieher gebracht. Eine italienische Gesellschaft hat nun von der K. Eisenbahnverwaltung in der Nähe der Gasfabrik (unterhalb des Güterbahnhofs) ein Stück Land gepachtet, auf dem ein großes Lagerhaus für das ankommende Geflügel erbaut wird und von dem aus der Versand nach den verschiedenen Absatzplätzen bewerkstelligt werden kann.

Bracken heim, 19. Juni. Am 11. April d. I. verkaufte auf dem hiesigen Wochenmarkte eine Bäuerin von Frauenzimmern 3 Pfd. Butter, bei deren Verwendung die Käuferin die Entdeckung machte, daß der Butter Leinwandfasern beigemischt waren. Am nächsten Wochenmarkte, 18. April, hielt dieselbe Bäuerin wieder 3 Pfd. Butter feil, welche dieselbe Beimengung von Fasern zeigten und deshalb polizeilich beschlagnahmt wurden. In der heutigen Sitzung des hiesigen Königl. Schöffengerichts hatte sich die Ver­käuferin der verfälschten Butter wegen zweier Vergehen gegen das Nahrungs­mittelgesetz zu verantworten; sie suchte glauben zu machen, es seien zufällig beidemal Lumpen in das Butterfaß geraten und beim Buttern zerstoßen worden. Es ergab aber das Gutachten des Sachverständigen Dr. Gantter in Heilbronn, daß man es hier mit einer auf dem Lande hie und da vor­kommenden Manipulation zu thun hat, der Butter, um sie mit mehr Wasser vermischen zu können, in Gestalt von Leinwand- oder Wollfasern ein Binde­mittel beizumengen. Der Nutzen, der da auf Kosten des getäuschten Publi­kums herausspringt, ist freilich nach dem Ausspruch des Sachverständigen ein unbedeutender; aber was thut eine sparsame Bäuerin nicht alles, um ein paar Pfennig mehr herauszuschlagen? Die Rechnung war diesmal freilich ohne den Wirt gemacht. Denn das Urteil, das seitens des Schöffengerichts gegen die Christiane Stöhrer von Frauenzimmern erging, lautete auf 3 Tage Gefängnis, 30 Geldstrafe, Tragung sämtlicher Kosten und Ver­öffentlichung des Urteils im Zaberboten. Der klugen Bauersfrau war es eine sichtliche Verlegenheit, als man ihr die aus jedem der 3 Pfd. Butter ausgekochten Fasern, je eine ordentliche Handvoll, vorwies und sie auf diese Weise so klar überführen konnte.

Ebingen, 23. Juni. Zwei Kinder tummelten sich spielend in der Nähe der einen Teil der Unterstadt durchziehenden Schmicha, unversehens fiel das eine, ein liebliches Mhriges Mädchen, in's Wasser und wurde von diesem mit fortgetragen. Obwohl das andere Kind alsbald um Hilfe rief und solche auch schnell zur Stelle war, konnte das arme Kind doch nicht mehr gerettet werden. _

Rothenburg o. T., 21. Juni. In der letzten Schöffengerichts­sitzung wurde ein Monteur aus Kitzingen, der bei einem hiesigen Brauer eine Malzschrotmühle aus der Riedinger'schen Fabrik in Augsburg aufgestellt hatte, zu 100 ^ Strafe verurteilt, weil er dem Brauer Anleitung gab, wie man die am Apparate angebrachte Kontroluhr während des Malzbrechens zum Stehen bringen könne. Das eorpus delicti (ein eigentümlich konstru- irter langer Nagel) lag in der Verhandlung vor.

Köln, 23. Juni. Heute früh wurde die Feuerwehr Hierselbst alarmiert, um einen Verbrecher zu verhaften! Ein steckbrief­lich verfolgtes Individuum begegnete einem Schutzmann, und als dieser auf ihn zuging, floh der Verbrecher ins erste beste Haus bis auf den Speicher, setzte von Dach zu Dach und machte es sich an einem Schornstein recht be­quem. Zu feinem Schrecken erschienen in kaum 5 Minuten auf seinem luf­tigen Sitz 4 Feuerwehrmänner, mit Schlauch und Beil bewaffnet, und for­derten den Lufttänzer auf, herunterzukommen. Weitere zwei Minuten und der verdutzte Verbrecher war bereits in den Händen des Schutzmanns sicher geborgen", während die Feuerwehr, nicht minder überrrascht über die ihnen aufoctroyirten neuen Funktionen, schnell zu ihrem Wachtlokale zurückrasselte. Als nämlich der Schutzmann unten am Hause sinnend stand und mit sich zu Rate ging, was er thun sollte, fiel sein Blick auf eine Feuermeldestelle, und so machte er denn aus der Not eine Tugend und ließ sich eine Kontravention gegen dieBestimmungen über den Gebrauch des Feuertelegraphen" zu Schulden kommen, die ihm hoffentlich mit Rücksicht auf ferneSchnerdrgkert nicht allzu theuer zu stehen kommen wird. ^ .

Hamburg, 23. Juni. Die Hamburger Borsenhalle meldet: Nach­dem gestern vorm, die Kasse der hiesigen R ei ch s b ankh au p t st ell e vollständig in Ordnung befunden worden, entdeckte der Kassierer gestern abend einen Fehlbetrag von 200,000 welcher unzweifelhaft von einem Dieb- stahl herrührt. Der Verdacht lenkt sich auf 2 Fremde, anscheinend Eng­länder, welche in Begleitung eines Dritten gestern auch in mehreren anderen Ban ken waren. Die Untersu chung ist im Gange.

Kgl. Standesamt Hat«.

21. Juni.

22 . .

21 . .

Vom 21. bis 22. Juni 1885.

Geborene.

Anna Wilhelmine Louise, T. d. Karl Wilhelm Maier. Bäckers hier. Karoline, T. d. Ulrich BLgle, Zigarrenmachers hier.

Gestorbene.

Marth- Seeg er, T. d. Martin Seeg er, Schlossers hier, 4'/, Jahre alt.