dieses im übrige» Europa nicht sehr beliebte^ Staatsmannes ist hier im Steigen begriffen.
Die Sammlungen !» Rußland sür die Aufständischen und die Serben sollen nach einem Petersburger Briefe der „Polit. Korresp." bereits 15 Millionen Rubel betragen. Auf dem Boulevard des Nowski-Prospektes werden öffentlich Beisteuern erhoben.
Die „Petersburgskija Wjedomosti" schreiben: „Nach allem zu »rtheilen, kommt England zur Uederzeuguug, daß es für das civilisirte Europa an der Zeit wäre, dem Gemetzel auf der Balkan-Halbinsel ein Ende zu machen. Es scheint uns, daß, wenn die Mächte England einladen, einen Vorschlag zum Waffen stillstande zu machen, dieses nicht adlehnen würde. England trat dem Berliner Memorandum aus dem Grunde nicht bei, weil es sich berechtigt hielt, zu glauben, daß es durch das Vorgehen der Mächte verletzt wurde. Diese legten ihm einen -fertigen Plau zur Zustimmung vor, ohne vorher um seine Ansicht auzufrage». Die Einladung der Mächte, die England die Ehre der Initiative überläßt, wird ohne Zweifel seine Eigenliebe befriedigen, und wenn das Kabinet von Saint-James nur ernst und auf richtig will, wird die Türkei nachgebcu."
Die Herzegowina ist fast ganz von den türkischen Truppen geräumt worden; alle türkischen Slreitkräste sind gegen Serbien konzentrirt.
Aus Belgrad den 9. Aug. wird der Presse gemeldet: Die serbische Regierung bereitet ein Rundschreiben an die Regierungen von Oestreich, England, Rußland, Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz und der Ver. Staaten vor, in dem sie nachweist, daß von Seite der Türken die gemeldeten Greuel thatsächlich verübt wurden. Das Rundschreiben wurde heute aus- gesertigt und wird sofort durch die diplomatischen Vertreter an die Mächte übersendet. — Der hiesige englische Konsul wurde von seiner Regierung bevollmächtigt, in das türkische Lager behufs Mediation abzureisen, sobald die serbische Negierung einen Waffenstillstand ansucht. Das Ministerium Nistics ist aber nicht gewillt, auf einen Waffenstillstand einzugehen. Einem solchen Vorgehen müßte ein Ministerwechsel vorausgchen und hiefür herrscht noch von keiner Seile eine Geneigtheit.
Belgrad, 10. Aug. Die serbische Armee hat nach offiziellen Angaben bis jetzt 6260 Mann an Todttn und gegen 5600 an Verwundeten eingebüßt. Von letzter« sind gegen 1400 für immer kampfunfähig. Außerdem sind gegen 740 türkische Verwundete theils in den^Spitälern, theils in Privalhäusern uuter- gebracht. (N. B.)
Belgrad, 12. Aug. Fürst Milan ist soeben hier eingetroffen. — Saitschar ist fast zur Hälfte abgebrannt. In Negotii, sind angeblich alle Häuser von Nizams geplündert worden.
Bukarest, 9. August. Fürst Karl hat Angesichts der letzten Kammervorgänge die Aeußerung gethan: „Wenn die Herren es zu arg treiben, werde ich meinen Koffer packen und abreis en."
Unter allen Zeitungen, welche der türkischen Grausamkeiten in Bulgarien Erwähnung gethan, ragt das englische Blatt „Daily News" durch die wahrhaft orientalische Phantasie seines Berichterstatters hervor. Derselbe meldet unter dem 1. August aus Tatar Bazardschik: „Ich sah heute — schreibt er — die Stadt Batok. Der Botschafts-Sekretär Baring war gestern dort. Als wir uns der Stadt näherten, ergriff aus einem Hügel eine Anzahl Hunde die Flucht. W'o wir sie gesehen halten, fanden wir eine Anzahl Todtenschädel und einen ganzen Haufen menschlicher Gerippe in ihren Kleidern. Ich zählte vom Pferde herunter 100 Schädel, rein abgesreffen, sämmtlich von Weibern und Kindern. Wir kamen in die Stadt. Allenthalben lagen Schädel und Gerippe halb verkohlt zwischen den Ruinen oder ganz und unversehrt, wo sie eben hinaestürzt waren, und noch in ihren Kleidern; darunter waren Skelette von Frauen und Mädchen mit langen braunen Haaren. Wir näherten uns der Kirche. Dort wurden diese Ueberreste immer häufiger, bis wir schließlich den Boden mit Gerippen, Schädeln und verwesenden Leichen, noch in ihren Kleidern, bedeckt fanden. Zwischen der Kirche und der Schule lagen sie in Haufen. Der Geruch war entsetzlich. Auf dem Kirchhofe wartete unser ein noch grauenhafterer Anblick. Der ganze Kirchhof war drei Fuß hoch mit Leichen überhäuft, die nur zum Thell bedeckt waren. Hände, Arme, Beine und Köpfe ragten in schauervoller Verwirrung hervor. Ich sah die kleinen Hände, Füße und Köpfe von dreijährigen Kindern und von Mädchen mit prächtigem Haar. In der Kirche sah es noch schrecklicher aus. Der Boden war mit Leichen bedeckt, die in Verwesung übergegangen waren. Dreitausend Leiber lagen in der Kirche und auf dem Kirchhofe. In der Schule waren 200 Weiber und Kinder lebendig verbrannt worden. Durch die ganze Stadt wiederholte sich allenthalben das schreckliche Schauspiel. An manchen Stellen waren Haufen halbvergrabener Leiber von den Hunden wieder hervorgcscharrt worden. Die Ufer des Baches waren mit Leichen bedeckt. Von den 9000 Bewohnern der Stadt sind nur 1200 übrig geblieben. Manche, die dem Gemetzel entgangen waren, sind heimgekehrt und irren wehklagend unter den Ruinen umher.
7000 Leichen verfaulen seit dem 12. Mai, und den übrig Gebliebenen ist noch eine Contribution von 100,000 Piastern auferlegt worden. Das Getreide faiKk auf dem Felde, weil es an Händen fehlt, die Ernte einzuheimse«. Von Hilfe Seitens der Türken ist keine Rede."
Konstantin vpel, S. August. Vor einigen Tager, fand bier „unter dem Vorsitze des Sultans" ein MiniMraktz statt, M welchem Behufs sich sämmtliche Minister in den Gemächern Murad's versammelten. Derselbe ließ lange aus sich warten und erschien endlich in Begleitung eines Adjutanten. Das Gesicht war erdfahl, das Lächeln, «it dem er stets seine Räthe zu beglücken pstegte, von seinem Antlitze verschwunden. Mit niedergeschlagenen Augen trat er ein. Niemanden eines Blickes würdigend, und sich sofort auf einen ihm vom Adjutanten dezeichneten Divan werfend. Die Minister ließen sich ebenfalls nieder, und trat nun ein Augenblick tiesens Schweigen ein, bis endlich Midbat Pascha den starr aus ein Blatt Papier niederblickenben Sultan bat, ob er mit einem Vortrage beginnen dürfe, wozu ihm mit einem stummen Kopfnicken die Ertauvniß ertheilt wurde. Midbat und Mebemed Ruschdi Pascha hatten bereits einige Zeit gesprochen, als Murad sich plötzlich erhob, am ganzen Leibe zu zittern begann, daun in ein wahrhaft dämonisches Gelächter ausbrach, welches ungefähr eine Minute bauerte und dann in ein heftiges, o>l von einem konvulsivischen Schluchzen unterbrochenes Weinen überging. Die Minister stürzten herbei, um dem kranken Großherrn bei- zustehen — Aerzte wurden Herbeigerusen und ein Moment der peinlichste» Aufregung trat ein. Mittlerweile begann Murav unartikulirte Laute auszustoßen, sein Haupt fiel auf die Brust herab, die Augen schloffen sich, er sank auf den Divan, auf dem er srüher gesessen war, wieder zurück und blieb dort einige Stunden in voller Apathie liegen. In solchen Momenten darf sich ihm außer »einem bekannten Leibarzte Dr. Capoteone, seiner Mutter und seinen Lieblingsfrauen Niemand nahen, von denen er auch, nachdem er wieder zu sich gekommen war, in seine inneren Gemächer zurückgebracht wurde. Die obgeschilderten Anfälle sollen in letzterer Zeit sich wiederholt erneuert haben und die Aerzte die volle Uederzeuguug hegen, daß Sultan Murad höchstens noch 5—6 Wochen werde leben können. (B. T.)
Konst antinopel, 10. Aug. Die Slimmung der Bevölkerung gegen Serbien ist eine sehr erbitterte und man fordert in einflußreichen Kreisen schon offen, daß Serbien auch eine große Kriegssteuer aufgelegt werden solle, damit es nicht so bald wieder einen Krieg beginnen könne. Diese Forderung wird die Regierung, wie man glaubt, nicht ignoriren können.
Allerlei.
— (EinHaus mit über 2 0 0 0 Einwohnern) existirt in Berlin. In der Ackerstrabe steht ein Doppelhaus, welches von allen Häusern Berlins die größte Einwohnerzahl hat. Es trägt die Nummern 132 und 133 und hat in Goldbuchstaben die Inschrift „Meyer's Hof". Noch vor etwa drei Jahren war hier eine wüste Baustelle, welche dem Fabrikbesitzer Meyer gehörte derselbe ließ darauf einen großartigen Gebäudecomptex, namen-; lich sür kleinere billige Wohnungen, derart errichten, daß hinter dem Vordergebäude sechs Quergebäude hintereinander stehen. Auf diese Weise werden sechs luftige, auseinanderfolgcude Höfe gebildet, welche durch einen gemeinsamen Fahrweg untereinander und mit der Straße in Verbindung stehe». Jeder Hof trägt seine Nummer, jede Seite die entsprechende 132 oder 133. Die Reinlichkeit und Ruhe lassen auf eine sorgfältige Verwaltung und willige gut geartete Miether schließen, und sicherlich gehört Beides dazu, um das Zusammenleben von über 2000 Einwohnern zu regeln.
— Vergiftung durch einen Hut. Ein beachtungs- werther Vergiftungsfall ist in Stettin mittelst eines Hutes vorgekommen. Von der Firma S. und K. wurde am Tage vor Pfingsten ein Filzhut gekauft, mit dem der Käufer, ein Schuhmacher, am Feste auf zwei Tage nach seiner Heimaih, Stargard, verreiste. Alsbald stellte sich bei ihm, obgleich der Hut nicht im mindesten drückte, Kopfschmerz ein und auf der Stirne bildete sich unter Geschwulst ein Ausschlag, dessen einzelne kleine Geschwüre in Eiterung übergingen. Auch die Augen entzündeten sich derart, daß sie fast zuschwollen und die Geschwulst sich mehr oder minder auch den übrigen Theilen des Gesichtes mittheilte. Es lag nur zu nahe, daß diese Erscheinungen vom Tragen des Hutes herrührten; dieser wurde deßhalb einem Gerichtschemiker zur Untersuchung übergeben, welcher konstatirte, daß das braune Schweißleder des Hutes mit gifthaltiger Anilinfarbe gefärbt sei, wie dies leider jetzt häufiger vorkomme. Eine Vergiftung resp. Entzündung sei unvermeidlich, wo dieser Farbestoff unmittelbar mit der menschlichen Haut in Berührung komme, was namentlich beim Hulfutter unausbleiblich sei. Nachdem auch ein Arzt dieses Gutachten bestätigt, ist der Polizei von dem Vorfall Anzeige gemacht worden.
— Seit längerer Zeit wird die Wirkung der Son- nen-Strahlen auf eigens dazu präparirte Stoffe benutzt und damit Druckmuster von seltener Schönheit erzielt. Ein mit saurem chromsauren Kali durchtränktes Gewebe, in einem geschloffenen Zimmer den durch die Spalten der Jalousien, dringenden Sonnen-Strahlen ausgesetzt, erhält eine eigenthümliche Farbe. Hält man ein Farnkrautblatt dazwischen, so zeichnet eS sich vollständig ab. Das so gezeichnete Gewebe kann dann noch mit Krapp, Blauholz, Gelbholz rc. gefärbt werden, ohne dir Natur Zeichnung zu verlieren.