Der Ammeifier von StraHburg.
(Fortsetzung.)
„Warum soll ich's länger verhehlen, was ich für Euch empfinde, Armgard!" fuhr er bewegt fort, „warum nicht sagen dürfen, daß mein Herz Euch geliebt beim ersten Anblick schon und nimmer von Euch lassen kann. O, sagt auch mir ein Wort des Trostes, der Hoffnung, sagt mir, daß auch ich Eurem Herzen nicht gleichgültig bin und aus all' dem Unglück die reinste Himmelsblüthe der Liebe für uns sprosse."
„Adrian!" versetzte die Jungfrau nach minutenlangem Schweigen, „wie dürfen wir in dieser traurigen Zeit wohl an Glück denken, wo Alles weint und seufzt? Erlaßt mir, ich bitte Euch darum, die Antwort bis auf bessere Zeilen."
„So liebst Du mich, Armgard?" flüsterte er entzückt.
„Ich muß wohl bekennen, daß Ihr mir lheucr seid," hauchte sie leise, „und nun seid zufrieden und hört mich an. Ihr habt nach diesem Geständniß ein Anrecht auf mich und nicht handeln darf ich nach eigenem Ermessen. Ihr wißt, daß Ulrich Obrecht in Amt und Würden sich befindet."
„Der königliche Prätor ist der Preis des Verraths, Fluch dem Judas!"
„Er allein weiß es, wo meine Schwester sich befindet," fuhr Armgard rasch fort, „doch weder Later noch Brüder wollen ihn fragen."
„Wie könnten sie solches auch, ohne sich zu entehren," versetzte Adrian, „nur einen Weg gibt cs zu dem Berräther."
„Nennt ihn mir, Adrian!"
„Ach, den kann nur ein muthiger Mann, der sein Leben nicht achtet, betreten, Kind! Und wohl wundert's mich, daß der Verräther ruhig in Straßburg leben darf, daß kein deutscher Mann ihn mit dem Degen in der Faust zur Rechenschaft gezogen und blutig gezüchtigt hat für seine That."
„Mein Gott! wie könnt Ihr solches nur aussprecheu, Adrian!" sagte Armgard angstvoll, „er ist von der Gewalt beschützt, kein Rächer kann ihm naben, auch Ihr rächt Euch nicht, wenn Ihr genesen seid, darauf gebt mir Euer Manneswort, — der Gedanke daran könnte mich tödten."
„Du süßes, lheures Kind! bekümmert Dich so meine Sicherheit? O, wie mich die Angst bedrückt. Doch irre ich nicht, so wolltest Du mir etwas anverlranen?"
„Ja, ich wollte Euch um Rath fragen, Adrian! meine Mutier kann nicht wieder gesund werden vor lauter Sorge und Kummer um die Schwester, ich fürchte, sie muß sterben, wenn sie nicht um ihr Loos beruhigt wird. D'rum habe ich den Entschluß gefaßt, zu jenem Manne zu gehen —"
„Zu dem Verräther Obrecht?" unterbrach Adrian sie heftig.
„Zu ihm selber! aber beruhigt Euch, diese Aufregung muß Euern Zustand verschlimmern. Wollt Ihr mich ganz ruhig anhören, Adrian?"
„Ja, theure Ärmgard! ich verspreche es Euch, vergebt mir meine Heftigkeit."
„Wenn ich einen andern Weg wüßte, um von der unglückseligen Schwester etwas zu erfahren, ich würde ihn sicherlich mit Freuden erwählen, anstatt diesen, der mir zum Dornenwege werden muß; dcß dürft Ihr wohl versichert sein, Adrian! — Aber um der guten Mutter willen, die unaufhaltsam dem Grabe zuwelkt, muß ich das schwere Opfer bringen, den Todfeind unseres Hauses, den Verräther der Vaterstadt, wenn's sein muß, selbst fußfällig anzuflehen um eine Nachricht, die er allein zu geben vermag."
Adrian litt sichtlich bei dem Entschluß der Geliebten, und auf seinem bleichen Antlitz, das matt vom Lampenschein erhellt war, malte sich der bittere und heftige Kamps seines Innern.
„O, nur das nicht, nur das nicht!" rief er, „könnte ich diesen Weg mit meinem Leben abkaufen," setzte er tonlos hinzu, „Armgard! — Du tödtest mich und den Vater damit."
Sie bebte heftig zusammen und weinte still; dann sank sie auf ihre Knie und flehte leise: Zeige mir einen andern Weg, mein Geliebter! Ich bin zu jedem Opfer bereit."
„Als ob ich das nicht wüßte, Du armes, theures Kind, doch geh' jetzt, die Mutter könnte Deiner bedürfen. Morgen reden wir weiter davon. Versprich mir, nichts ohne meinen Rath zu unternehmen."
„Ich verspreche es Euch, Adrian!"
„O, nenne mich wie vorhin, das trauliche Du von Deinen Lippen klingt so süß, gieb mir den Brautkuß, Armgard!"
Sie neigte sich über ihn und hauchte einen leisen Kuß auf seine Lippen, dann floh sie schnell aus dem Gemach.
Am nächsten Morgen war das Haus des Ammeisters Dominikus Dietrich von Jammer und Entsetzen ersüllt.
Ein königlicher Befehl berief den Greis urplötzlich nach Paris und was dieses bedeuten, wußte der edle Patriot nur zu wohl: mau wollte den muthigen und standhaften Führer der protestantischen Bürgerschaft, das Haupt der Stadt entfernen, um dem Prätor freien Spielraum zu verschaffen, den ganzen Magistrat mittlerweile willfährig zu machen.
Daß dieser Streich von Ulrich Obrecht ersonnen war, der
in seinem Haste gegen den Ammeister nicht ermüdete, war nur allzu gewiß und wurde auch in der ganzen Stadt geglaubt, wo die Abreise des hochgeachteten Mannes, dessen ungewisses Schicksal Jeden mit Bangen erfüllte, allgemeine Bestürzung und Trauer hervorgerufcn hatte.
Man mußte der kranken Gattin die wahre Ursache und das Ziel seiner Reise verbergen, um ihren Zustand nicht zu verschlimmern, und mit anscheinender Ruhe und Heiterkeit nahm Herr Dominikus Abschied von Allen, die seinem Herzen theuer. mit dem schmerzlichen Gedanken, den er nicht einmal aussprecheu durfte, sie vielleicht niemals wiederzusehcn.
„Dir und Deinem starken Herzen vertraue ich in dieser Roth," sprach er zu Armgard, als er den Abschiedskuß auf ihre Dtirn drückte, „Du wirst die Mutter trösten und dem Rathe Deiner Brüder in allen Dingen folgen. Wenn Adrian, den Dein Bruder Friedrich, sobald es ermöglicht werden kann, in fein Haus nehmen wird, da sein Bleiben nach meiner Abreise dem Rufe des Hauses schaden könnte, ganz genesen ist, bevor ich zurückgekehrt, dann sorge dafür, daß er sogleich die Stadt verläßt und halte ihn nicht zurück. — Weine nicht, meine Tochter!" setzte er tief bewegt hinzu, ich würde mit Freude» Eure Verbindung segnen, wenn die Zeit darnach angethau wäre, an hochzeitliche Freuden zu denken."
Ec küßte sie »och einmal, segnete sie und begab sich daun rasch in Adrian's Kammer, der ihn bereits mit fieberhafter Unruhe erwartete.
„Was habe ich hören müssen, mein theurer, väterlicher Freund!" rief er ihm entgegen, „der wälsche Tyrann wagt es, einen Streich gegen Eure Freiheit zu führen. O, warum muß ich hier elendiglich darniederliegen, während man Euch bedroht! Rührt sich keine Hand, Euch bcizustehen?" Wo sind Eure Söhne, wo die Männer vom Rath, wo die deutschen Bürger Straßburgs, ihren edelsten Mitbürger zu schützen vor Gewalt und List?"
„Ruhig, mein Sohn! Dein Eifer schadet Dir selber am meisten," erwiderte Herr Dominikus mit schmerzliche», Lächeln, „wer mag sich erkühnen, wider den Stachel der Gewalt zu lecken? Ich möchte um Alles in der Welt nicht, daß um meinetwillen Blut flösse, und die unglückliche Vaterstadt noch mehr zu leiden hätte. Soll ich das Opfer sein, mag Frankreich mich hinnehmen und sich an mir genügen lasten. Ich komme, um Abschied zu nehmen, Adrian! Wenn Du ganz hergestellt sein wirst, was Du im Haufe meines Friedrich abwarten magst, daun verlasse sogleich die Stadt, Deine Sicherheit ist hier gefährdet. Sollte es Dir dereinst wohl gehen, dann, mein lieber Sohn, vergiß Armgard nicht, die viel um Dich weinen wird. — Um ihretwillen suche Dich in Sicherheit zu dringen und begehe nichts, was ihr die letzte Hoffnung rauben müßte! Möge der Verräther un wälschen Glanze sich sonnen, ich tausche doch nicht mit ihm und gehe mit Ruhe und Eegebuug den Dornenweg nach Paris."
Er drückte ihm die Hand und ging.
Auf dem Rathhause erwartete ihn der ganze Rath, um Abschied zu nehmen, während sich die Bürger auf der Straße drängten und schweigend ihren Liebesgruß darbrachten.
Als er die Stadt verließ, schritt der Prätor Ulrich Obrecht zornig in seinem glänzend ausgestatteten Gemache auf und nieder. Der gute Herr schien in einer gewaltigen Aufregung zu sein, und oft schweifte der funkelnde Blick voll Haß und Verachtung nach dem einen Fenster hinüber, wo der Stadtschreiber Ganzer stand, und ruhig auf die Scheiben trommelte.
„Es ist ein eigen Ding um einen guten Namen," sprach dieser hämisch, „man sieht es heute einmal wieder deutlich an dem Ammeister, der wie ein König ans der Stadt scheidet. Wäre doch neugierig, welches Geleite die Stadt uns Beiden geben würde, Obrecht!"
„Genug, genug!" rief der Prätor, mit dem Fuße stampfend, «Ihr gefallt Euch darin, Herr Stadtschreiber, mich mit einer Vertraulichkeit zu behandeln, die heute sich nicht mehr für Euch ziemt. Vergesse! nicht, wer ich bin!"
„Gott behüte, mein Lieber, das werde ich niemals vergessen," unterbrach Günzer ihn spöttisch, „ebensowenig wie ich vergessen kan», was ich durch Euch geworden. Pah, Eure Rache fürchte ich nicht, und was den Prätor anbelangt, nun, so denke ich, daß er Euch täglich und stündlich daran erinnert, was Ihr seid. Mein Stadtschreiber wenigstens ist ehrlich geblieben."
Obrecht war sehr bleich geworden, er machte eine Bewegung, als wollte er sich auf den unbarmherzigen Spötter stürzen und ihn zerschmettern.
Dann bezwang er sich und trat dicht vor ihn hin.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— Das Wunder. Ein Lehrer erklärte, was ein Wunder ist, und wählte dazu den Vorfall, wie Jesus bei der Hochzeit zu Canaan Wasser in Wein verwandelte. Als er glaubte, die Kinder dadurch zum Verständniß des Begriffes „Wunder" gebracht zu haben, fragte er: „Was war das für eine Handlung?" Schlagfertig antwortete ein Knabe: „Das war eine Weinhandlung."