Koburg, 20. April. Die Königin Victoria hat heute Borm. 10 Uhr die Rückreise nach England angetrcten. (Sch. M.)
Dresden, 10. April. Die „Dresd. Nachr." schreiben: „Es steht nunmehr fest, daß Minister v. Friesen seine Stellung im Staatsdienst aufgibt.
Wie bekannt, hat die K aiser g l ocke in Köln noch immer nicht die ihr auferlegtc Läuteprobe in vollem Maße bestanden. Es wird deßhalb der Klöppel noch einmal im Bayenthal einer kleinen Abänderung unterworfen. Durch diese hofft man die Mängel, welche im Anschlag und der Tonentwicklung zu Tag treten, endlich ganz zu beseitigen.
Berlin, 19. April. Zu der am Mittwoch den 26. stattfindenden ersten Lesung der Reichseisenbahnvorlage findet eine solche Nachfrage um Billets zu den Zuhörertribünen statt, daß nur ein ganz geringer Theil davon wird berücksichtigt werden können. Es steht jetzt fest, daß die Reichseisenbahnoorlagc ohne vorherige kommissarische Prüfung im Plenum erledigt iverdenwird."
Auch in Berlin fängt man an, an dem Gelingen des Frie denswerkes zu zweifeln, welches nach der wohlmeinenden Absicht der drei Kaifermächte den orientalischen Zerwürfnissen ein Ende machen sollte. Durch die Schuld der türkischen Regierung haben die Ereignisse schon so weit um sich gegriffen, daß de» vermittelnden Mächten nichts übrig bleiben wird, als entweder die Dinge gehen zu lassen wie sie gehen, oder einzugreisen und zu versuchen, ob sich nicht eine Wendung derselben erzwingen läßt, wie sie für die Ruhe Europa's nöthig erscheint. Für die Türkenherrschast dürfte der eine Fall so verhängnißvoll werden als der andere; damit verbindet sich aber auch die Befürchtung, daß die Lösung der orientalischen Frage die Sprengung deö Drei- kaiserbündniffes zur Folge haben könnte.
Berlin, 21. April. Wie jetzt bestätigt wird, verwarf die Türkei die Verlängerung des Waffenstillstandes und die Prüfung der Forderungen der Insurgenten, welches beides sogar durch England empfohlen war. Daher der Wiederausbruch des Kampfes. Die Annahme der englischen Rathschläge weiterhin ist jedoch keineswegs ausgeschlossen. (Schw. M.)
Berlin. In großer Lebensgefahr schwebte am Dienstag die Frau eines hiesigen Kaufmanns Dieselbe erwacht plötzlich in der Nacht unter heftigem Röcheln und Stöhnen, ohne auch nur ein einziges Wort über die Lippen bringen zu können. Der durch die inartikulirten Laute erweckte Ehemann ist äugen- ^ blicklich rathlos, schickt aber doch schleunigst zum nächsten Arzte. Bis zur Ankunft desselben vergehen schreckliche Momente, da die gequälte Frau mit Schaum vor dem Munde dem Erstickungstode nahe ist. Der Gerufene kommt noch im entscheidenden Augenblicke als wirklicher Lebensretter und befreit die Aermste von zwei — — falschen Zähnen, welche sich während des Schlafes vom Kiefer losgelöst und in der Kehle fest sitzen geblieben waren. Die Operation war eine sehr schmerzhafte, da der an den Zähnen befindliche Golddraht sich tief eingehakt hatte. Der Zustand der Dame ist ein nicht unbedenklicher, doch hofft der Arzt sie heil duxchzubringen.
Neuß, 18. April. Aus Hülchrath wird der „N.-Z." die gräßliche Nachricht mitgetheilt, daß dort gestern Nachmittag gegen 4 Uhr ein junger Bursche einem andern aus-Eifersucht auf öffentlicher Straße die Kehle durchschnitten hat. Der Verwundete stürzte zu Boden und starb an Verblutung, ehe ärztliche Hilfe! zur Stelle war. Der Thäter entfloh. !
Straupitz bei Lübben, 19. April. (Kindermord.) Ein schauderhaftes Verbrechen ist in der Umgegend verübt worden. Am dritten Osterfeiertag ging derKossäth Mär ker aus Wald ow nach dem Standesamt zu Neu Zauche, um dort eine Meldung zu machen. Sein neugieriges Töchterlein lief ihm auf dem Rückweg entgegen. Der Vater verspätete sich aber und vermißte bei dem Nachhausekommen sein Kind. Er bot sofort die Nachbarn zu Forschungen auf. Heute Morgen nun wurde die Kleine in furchtbar zerstümmeltem Zustande, mit aufgeschlitztem Leib, herausge- risfener zerfetzter Lunge, Leber und Eingeweide» an einem Baume aufgehängt aufgefunden. Ein Messer stak noch in dem Leichnam. Der Täterschaft dringend verdächtig ist der Knecht des Müllers in Waldow, ein gewisser Knobbe aus Briefen.
Dreizehn bei Tisch. Der Rentier B., ein früherer Lehrer, hatte am jüngsten Gründonnerstag, dem Geburtstage seines 68jährigen Vaters, den er bei sich hat, eine Solopartie eingeladen und hierdurch dem alten Herrn eine besondere Freude bereitet. Bei der Abendtafel bemerkte eine junge Dame, die Tochter eines der Gäste, daß ihrer Dreizehn wären, und flüsterte einer Nachbarin zu: „Wer weiß, wer von uns der Erste ist." Der alte B., welcher diese Bemerkung gehört hatte, stand auf, erhob fein Glas und sagte: „Na, Kinder, nun wollen wir mal gemüthlich sein," und mit einem freundlichen Lächeln auf jdie junge Dame blickend, welche die „Dreizehn" ans's Tapet gebracht, fuhr er fort: „Natürlich wird einer von uns zuerst fort müssen, aber ich gewiß nicht, darauf könnt Ihr Euch verlassen — ich esse für Zwei." Damit stieß er an und nahm einen herzhaften Schluck. Gleich darauf sank er erblassend in seinen Sessel, beugte den Kopf vornüber und war todt. Der Wiegentag war mit
Hilfe eines sanften Schlagfiusses gleichzeitig sein Sterbetag geworden. Daß dieser betrübende Vorfall dem Aberglauben neue reiche Nahrung geben wird, versteht sich von selbst.
In Frankreich sind unter allen Truppe nthei len große Beurlaubungen erfolgt, so daß einzelne Kompagnien nur noch zwanzig Mann zählen. Grund dazu gab dem Kriegsmini- stcr die Bestimmung, bis zu Ende dieses Jahres mit allen Festungsbauten »und mit der Neubewaffnung der Armee fertig zu werden. Da die gewöhnlichen Credite aber nicht ausreichen, hat General Cissry obiges Mittel ergriffen, um Ersparnisse zu machen. Den ersten Anstoß zu dieser eigenartigen Finanzoperation hat vielleicht der französische Kriegsminister seinerzeit durch die „ausgestopften preußischen Hauptleute" erhalten.
In Wien ist der Bankier Baron v. Sina gestorben, der nicht dlos sein Geld, sondern auch Geist halte und von beidem sein Leben lang einen guten Gebrauch machte. Söhne hinterläßt er nicht, aber vier Töchter, die alle Männer bekommen haben und sich nun in die Hinterlassenschaft von wenigstens 50 Mill. theilen. Die Wittwe Sina erhält eine Million baar, einen Palast in Wien, eine Villa in Penzing, den Abwurf der großen Herrschaft Rappoltenkirchen und jährlich 30,000 Gulden.
Der Lieutenant Freiherr v. Ertel in Wien, der geheime Staatspapiere an Rußland verkauft hat, ist vom Kriegsgericht zur Kassation, zum Adelsverlust und zu zehnjährigem Kerker verurtheilt worden.
Es macht einen eigenthümlichen Eindruck, wenn man die österreichischen und ungarischen Zeitungen sich darüber beglückwünschen sicht, daß der Kaiser einen Machtspruch ge- than und durch ein kategorisches: „Es muß gehen" die dirigir- enden Ministerien zu einer Verständigung gezwungen hat. Gestern Nachmittag fand nun unter dem Vorsitze des Kaisers zur Erledigung der zwischen den beiden Reichshälsten schwebenden handelspolitischen Fragen ein großer Ministerrath statt, welcher von 2—6 Uhr dauerte. — Diese eigenmächtige Einwirkung des Souveräns ist schwerlich als ein mustergiltiges konstitutionelles Verfahren anzusehen. Seitdem aber der Kaiser sein Machtwort gesprochen, ist der ungefüge Tis za, der magyarische Kabinets- chef, plötzlich-geschmeidig und der österreichische Ministerpräsident läßt sich um den Finger wickeln. Beide sind zum Nachgeben bereit: denn da sie lediglich dem Drucke der Krone folgen, so ist ihre Privat-Verantwortlichkeit gedeckt. Die Unpopularität der Konzessionen, welche sie sich gegenseitig machen müssen, um eine handelspolitische Einigung zu erzielen, fällt lediglich auf den Monarchen zurück, und anstatt, daß die konstitutionellen Minister den Kaiser deckten, muß dieser mit seiner Persönlichkeit eintreten, um seine Minister zu schützen. Seltsamer sind wohl konstitutionelle Formen noch selten travestirt worden.
Ein lang erwarteter Gast ist in Rom eingetroffen. Am Osterhciligabend führte der sogenannte internationale Schnellzug den literarischen Papst der deutschen Jesuitclipresse, Herrn Paul Majunke, in die Mauern der Siebenhügelstadt. Wie unser römischer Korrespondent schreibt, wurde der Chefredacteur der „Germania" von einer Deputation gleichgesinnter römischer Journalisten feierlich empfangen. In Rom glaubt man, daß der Besuch des glühenden Vertheidigers der Louise Lateau zu dem Zweck unternommen sei, neue Instruktionen für die bevorstehende deutsche Reichstags-Wahlkampagne einzuholen.
Die Engländer haben in aller Stille dem Sultan Maskat die Insel Sokotara um 2400 Pfd. Sterling abgekauft. Die Insel liegt nur 200 Kilometer von dem Vorgebirge von Aden entfernt. Damit machen sich die Engländer zu Herren über die Ausfahrt aus dem rothen ins indische Meer und vollenden die Beherrschung des durch den Suez-Kanal führenden Seewegs nach Ostindien.
Glaskow, 22. April. Heute früh ist hier >ine furchtbare Feuersbrunst ausgebrochen; Buchanan Street, die Haupt- verkehrs-Ader der Stadt, wo die meisten Magazine liegen, steht in vollen Flammen; bisher ist das Feuer noch nicht bewältigt.
In Süd-Aorkshire haben nunmehr über 20,000 Koh- lengruben-Arbeiter gegen die angekündigte Lohnherabsetzung von 15 Prozent gestrikt. Die Assoziation der Grubenarbeiter kam überein, sich einen Abzug von 10 Proz. gefallen zu lassen, aber die Grubenbesitzer beharren bei ihrem Entschlüsse. Neuerdings ist auch den Arbeitern der Eisensteingruben von Süd-Aorkshire eine Lohnherabsetzung von 15 Proz. angekündigt worden.
Mit dem Anklage-Prozeß gegen den amerikanischen Ex-Kriegsminister Belknap ist nunmehr der ernstliche Anfang gemacht worden. Gestern wurden die Anklage-Artikel — sechs an der Zahl — von dem Ausschüsse dem Repräsentantenhaus« unterbreitet. Auch in Bezug auf die Contrakte für Versorgung der Unions Soldaten-Gräber mit „Grabsteinen" soll sich die Betheiligung Belknaps an der schamlosen Uebervortheilung des Staatsschatzes ergeben haben. Unter den Einzelheiten der deshalb anhängigen Untersuchung verlautete z. B., daß man in Fällen, wo es zur Füllung einer gewünschten Anzahl von Gräbern an Leichen von National-Helden fehlte, zu dem Auskunstsmittel der Bestattung todter Hunde griff.