Alles drängt den Handelsministcr rc. in Berlin, die Summen, die für große öffentliche Arbeiten und Bauten ange- rviefen sind, rasch flüssig zu machen. Die Noth der Arbeiter ist groß. Die Zahl der Arbeiter, welche seit Monaten ohne Beschäftigung und Verdienst sind und mit ihren Familien am Hungertuche nagen, mißt leider nach Tausenden und wird täglich durch die zunehmende Einschränkung der Thätigkeit der Fabriken gewaltig vermehrt. In der Borssig'schen Maschinenbauanstalt, wo früheNviel mehr als 2000 Arbeiter beschäftigt waren, sind jetzt nur noch 500 in Thätigkeit und auch diese bei sehr ermäßigtem Lohn. Vor mehreren Tagen rotteten sich in der Vorstadt Gesundbrunnen 5—600 Fabrikarbeiter zusammen, zogen nach der Polizei und verlangten Arbeit. Der Poüzeihauplmann v. Drygalski, mit der traurigen Lage der Leute längst bekannt, empfand menschliches Rühren und anstatt den Haufen, wie es früher zu geschehen pflegte, durch Polizeimannschaften auseinander jagen zu lassen, begab er sich unter sie, ermahnte sie freundlich zur Ruhe und Ordnung und brachte sie durch trostreichen Zuspruch zum friedlichen Auseinandergehen.
Straßburg, 5. März. Die gestern zu Ende gegangene Prüfung der Bewerber zum Einjährig-Freiwilligendienste hatte das Ergebniß, daß von 51 Jünglingen aus den Jahrgängen 1856 und 185? nur 13 bestanden.
Wien, 9- März. Der Tyroler Landtag ist bereits gesprengt; die ullramontane Majorität protestirle gegen die Verfassung, den Reichsrath, die Bildung einer protestantischen Gemeinde und Schul-Gesetze und verließ stürmisch den Landtag.
Innsbruck, 11. März. Der Dlatthalter hat im Aufträge des Kaisers gestern den Landtag von Tyrol wegen pflichtwidrigen Benehmens der Mehrheit seiner Mitglieder geschlossen.
Labiau. sEin gräßliches Verbrebe nj ist, wie der „K. K. Z." gemeldet wird, vor wenigen Tagen hier an das Tageslicht gekommen Vor einer Reihe von Jahren starb in dem zum hiesigen Kreise gehörigen Dorfe Sergitlen der Besitzer K. und hinterließ zwei Söhne. Der jüngere derselben war etwas blödsinnig und der Vater hatte das unglückliche Wesen dadurch beseitigt, daß er es in einen finstern unheizbaren Bretterverschlag einschloß, woselbst er, fast von jeder Kleidung entblößt, in kärglichster Weise unterhalten wurde. Rach dem Tode des unmenschlichen Vaters setzte der ältere Sohn, der nunmehr die ganze Hinterlassenschaft allein antreten wollte, die scheußliche Behandlung seines Bruders weiter fort und hat es verstanden, gegen 20 Jahre das Verbrechen vor den Augen der Welt zu verbergen. Durch einen Zufall erhielt jedoch ein Hütejunge aus dem Dorfe davon Kenntniß, er meldete es dem dortigen Amtsoorsteher und dieser vermittelte hiernach die sofortige Befreiung des Unglücklichen und die Verhaftung des unmenschlichen Bruders. Der Anblick des bis zum Thiere veränderten armen Menschen, ber fast ohne Kleidung in seinem eigenen Unrath hingekauert lag mit verwildertem Haupt- und Barthaar, spottete jeder Beschreibung. Der frischen Luft vollständig entwöhnt, fiel er zuvörderst in eine mehrstündige Ohnmacht und wußte sich überhaupt in seine Veränderung gar nicht zu finden.
In Pest und ringsum in Ungarn richten die Fluthen noch immer große Verheerungen an. Die Lage ist eine trostlose, die Saatfelder stehen meilenweit unter Wasser, die Wintersaaten sind vollständig verloren. In Raczeoe sind 350, in Szent-Miklos 110, in Lököly 30, in Csep 6, in Ujfeln 16 Häuser eingestürzt. In Neupest. Altofen rc. sind ungezählte Häuser Einstürze.
Beeskow, 5. März. Eine grauenhafte Mordthat setzt Dorf und Umgegend in nicht geringe Aufregung. Die Frau des Eisenbahn-Vorarbeiters Schröder verlor ihren Ehemann vor 1'/- Jahren und verehelichte sich vor einem halben Jahre wieder mit dem Eisenbahn Hilfswärter Katzwedel. Mit Letzterem soll die Frau, welche aus erster Ehe drei Kinder hatte, nicht sehr glücklich gelebt haben. Gestern Nachmittags gerictheu die Ehegatten in einen lebhaften Wortwechsel. Der Mann ging nach dem Abendessen zu Verwandten. Als derselbe Abends 11 Uhr zu seiner Wohnung zurückkehrte, fand er die Thür zu seiner Wohnstube verschlossen. Da selbst auf lautes Rufen und Klopsen nicht geöffnet wurde, holte Katzwedel den Wirth des Hauses und erbrach mit diesem die Thüre gewaltsam. Diesen beiden Männern bot sich nun ein schrecklicher Anblick dar: Die 3 Kinder im Alter von 4, 2'/, und 1 Jahr lagen als Leichen auf dem Fußboden des Zimmers mit durchschnittenen Kehlen. Die Frau lag mit gleichfalls durchschnittenem Halse und durchschnittenen Pulsadern auf dem Bette. Da sie noch Lebenszeichen von sich gab, wurde sie mit Hilfe eines Dorf-Barbiers verbunden und bis zum Eintreffen des Kreis-Arztes und des Gerichts aus Rathenow bewacht. Nachdem der Arzt die Wunden der Frau zugenäht, bekam dieselbe nach mehreren Stunden wieder so viel Besinnung, daß dieselbe aus Befragen dem Gerichtskommissär bekundete, ihre Kinder erst mit dem Beil und dann noch die Kehlen der Kleinen mit dem Barbier Meffer durchschnitten zn haben. Sich selbst hat die Frau dann auch die Schnitte am Halse und Pulse beigebrach!. Dieselbe ist heule zunächst einem Krankenhause überwiesen worden.
Brüssel, 10. März. Der der „Banque Belgique" durch Veruntreuungen eines Beamte» zugesügte Verlust erreicht nach den bisherigen Ermittelungen bereits die Höhe von 6 Will. Frcs.
Rom, 9. März. Der hiesige Vertreter des deutschen Reiches, v. Keudell, hat heute dem Könige in feierlicher Audienz seine Beglaubigung als Botschafter überreicht.
Die horriblen Nachrichten aus Washington über Bestechlichkeit der Beamten leiten von selbst daraufhin, die Gründe für eine solche Erscheinung aufzusuchen. Der Grund des Nebels wurzelt in der zuerst seit Jackson energisch durchgeführten Theorie, wonach dem politischen Sieger die Beute aller Aemter und Vortheile gehört. Vor Jackson hatten verschiedene Erfordernisse die politische Vollberechtigung bedingt, Fähigkeit und Fleiß einen Anspruch aus öffentliche Aemter verschafft; mit und nach Jackson reichte die bloße Eigenschaft als Bürger zur unbedingten Ausübung aller politischen Rechte aus, verlieh die Zufälligkeit des politischen Sieges den Anhängern der Partei einen vollgiltigen Titel aus jedes Amt. Wer jetzt den einflußreichsten Vetter oder Freund hat, der bekommt das beste Amt, um es mit dem Sturze feiner Partei oder auch seines Gönners wieder zu verlieren. Man pflegt den schmachvollen Handel wie ein legitimes Geschäft zn betreiben, ja er ist durch Gewohnheit und Ueberlieferung zu einem solchen geworden. Die kolossalen und stets wiederkehrenden Betrügereien der letzten wie der früheren Jahre sind nichts als die Konsequenz dieses Zustandes. So hat man in den Verein. Staaten statt fähiger und ehrlicher Staatsdiener in der Mehrzahl der Fälle gewissenlose, ans ihren Vrivatvortheil bedachte Lohndiener, welche nur auf die höchstmögliche Ausbeutung ihrer vorübergehenden Stellung bedacht sind. Das Einzige, was gegen diesen Unfug helfen könnte, ist eine radikale Reform des Civil- dienstes, welche die Bekleidung eines Amtes von der vorher erworbenen Fähigkeit und seiner tüchtigen Verwaltung abhängig macht, Pensionsberechtigung schafft und Beförderung auf Grund bewiesener Tüchtigkeit gewährt. Der Kongreß will aber von einer Besserung nichts wissen, weil er sonst an Machtvollkommenheit verlieren würde. Während so die Mehrzahl unbekümmert um die öffentlichen Zustände ihren Pnoatutteressen nachgeht, verschlechtert sich der öffentliche Geist immer mehr und treibt Blüthen, wie das Belknap'sche Verbrechen. (Belknap war Kriegsminister und ist wegen großartiger Unterschleife angeklagt.)
Washington, 9. März. Belknap stellte sich dem Gerichte und wurde gegen eine Kaution von 25,000 Dollar freigelassen. Der Hauptbelastungszeuge Marsh ist verschwunden. Die Repräsentanten beschlossen deshalb die gerichtliche Verfolgung Belknaps und die Versetzung in den Anklagezustand auf unbestimmt zu vertagen.
Allerlei.
— (Aphorismen über die Frauen.) Ward ein Mädchen, das Dir Liebe schwor, die Frau eines Andern, so gibt es dafür nur einen Trost: daß sie nicht die Deine geworden. — Bei Büchern und bei Frauen sehen Viele nur auf die Ausstattung. — Man mag eine Frau verlachen, wenn sie sich ihrer Stärke rühmt, aber man ist verloren, wenn sie anfängt, sich auf ihre Schwäche zu berufen. — Um Weibern zu gefallen, ist bisweilen nichts weiter nöthig, als daß man sie begehrt. — Die Frauen besitzen jedenfalls immer soviel Verstand, wie nöthig ist, um ihn den Männern zu rauben! — Jede Erkältung ihrer Anbeter heilen die Frauen durch die Wasserkur ihrer Thränen. — Es schadet Nichts, wenn man einer Frau gegenüber tausendmal Unrecht hat, aber gefährlich ist es, wenn man ein einziges Mal Recht hat!
— (An Schiller.) In dem Album, welches im Schillerhause zu Marbach aufliegt, findet sich folgender Spruch, den ein Anonymus vor zwei Jahren hineingeschrieben hat:
„Deutscher Barde frei und groß Seltsam war dein Lebensloos,
Warst gefeiert und gepriesen,
Warst verketzert und verwiesen,
Angestaunt in deinem Streben,
Und dem Hunger preisgegeben.
Dumm gelobt und dumm getadelt,
Und zuletzt auch noch geadelt!
Ach, vergieb dem Vaterland,
Meister, seinen Unverstand!
— Aus Württembergs Vorzeit. Vogt, Bürgermeister und Gericht zu Neuenbürg machten im Jahre 1537 bei der Regierung die beschwerende Anzeige gegen ihren Stadtschreiber Jörg Wackenhut, daß er Gerichts-Akten bei einer Appellation zum Vortheile des Appellanten gefälscht, auch über den Herzog Ulrich üble Reden geführt habe, und man kein Zutrauen mehr zu ihm fassen könne, mit der Bitte, daß ihnen ein anderer, frommer, ehrlicher, weißender-stadtschreiber gegeben werden möchte. Nach dem hieraus von dem Oberralh ertheilten Befehl wurde Wackenhut dem benachbarten Vogt und Gericht zu Wildberg übergeben, um ihn über die gegen ihn angebrachten Beschwerden und Handlungen zu verhören, peinlich zu beklagen, und was mit Unheil und Recht gegen ihn erkannt werde, vollstrecken zu lassen. Die Verfälschung der Gerichtsakten konnte er nicht in Abrede