60. Jahrgang.

Mo. 66.

Amts- mul Intelligenzbkatt für äen Oezirü.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.

Jamstag, äea 6. 3uni 1885.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

die Post bezogen im Bezirk 2 30 sonst in

ganz Württemberg 2 vtL 70 H.

Amtliche Wekcmrrtmcrchungen.

Calw.

An die Hrtsvorsteher.

Nachdem die Brandschadens-Umlage- und Einzugsregister an die Orts­vorsteher zur Uebergabe an die Gemeindepfleger hinausgegeben worden sind, werden die Ortsvorsteher unter Hinweisung auf die Ministerialverfügung vom 4. Dezember 1884 (Reg.-Bl. S. 240) angewiesen, dafür Sorge zu tragen, daß die für das Kalenderjahr 1885 umgelegten Brandschadensgelder rechtzeitig eingezogen und an die Oberamtspflege abzeliefert werden.

Den 4. Juni 1885. K. Oberamt.

Flaxland.

Gages-Weuigkeiten.

Calw. Ein schweres Unglück passierte vorgestern dem Fuhrmann Schelling. In der Nähe von Stammheim geriet derselbe unter einen schwerbeladenen Holzwagen und erlitt den Bruch von beiden Oberarmen und mehreren Rippen. Man zweifelt an feinem Aufkommen.

Breitenberg. Am 27. Mai hat unsre Gemeinde nach langer Wartezeit wieder einen Pfarrer in der Person des Herrn Immanuel Müller bekommen. Am Morgen des genannten Tages fuhren die Schult­heißen, Lehrer und Gemeinderäte der Gemeinde BreitenbergOberkollwangen in 4 Wägen zum Bahnhof Teinach und holten den Herrn Geistlichen ab. In Bad Teinach wurde imHirsch" Halt gemacht und zu Mittag gespeist. Hier begrüßte der Herr Pfarrer die Herren, welche ihn abgeholt hatten und es wurde auf den guten Empfang angestoßen. Während des Essens hatten sich die Schulkinder beider Gemeinden mit Tannenbäumchen eingestellt, welche nun vor dem Hirsch mit Brot und einem roten Getränke regaliert wurden. Endlich gegen 2 Uhr setzte sich der Zug wieder in Bewegung nach Oberkoll­wangen. Die Kinder sprangen voraus, die Wägen folgten nach. Vor dem schön geschmückten Schulhaus in Oberkollwangen wurde Halt gemacht. Eine Schülerin trat an den Wagen und überreichte dem Herrn Pfarrer im Namen der Frau Schullehrer Hahn ein großes Blumenbouquet. Auch ein Gedicht wurde übergeben, welches lautete: ^

Windet Kränze, streuet Blumen, Stimmt in Freudensänge ein; Tenn der Kirche treuer Lehrer Und der Schule Freund zieht ein.

Sei willkommen, edler Hirte,

Sei gegrüßt in unfern Rechn! Unsre Kränze, unsre Lieder Sollen Deine Ankunft weihnl

Unser Herz schlägt Dir entgegen, Und die jugendliche Schar Weiht Dir ihre schönsten Wünsche Bringt Dir Blumenopfer dar.'

Tu der Schule Schirm und Segen, Sei uns Vater, sei uns Freuud;

Leite uns in zarter Jugend,

Tröste, wenn das Alter weint.

Sei auch uns einst treuer Hirte, Wenn wir nicht mehr Kinder sind; Leite uns auf Gottes Wegen,

Mach' uns fromm und gut gesinnt.

Und des Kranken bange Klage Stille sanft Dein tröstend Wort,

Und den Sünder, wie den Schwachen, Bessre ernst das Himmelswort!

Wie der Frühling Blumen streuet ^ Auf den öden Wiesenplan, r

So mög auch Dir Heil erblühen, ;

Segnend Deine Lebensbahn. -

Me des Berges wald'ge Krone l

Sich erhebt in stolzer Pracht, s

So umstrahl' Dich Ruhm und Ehre, z Wachse Deines Hauses Macht. ;

Unsre Väter, unsre Lehrer Bringen Dir Vertrauen dar; Freud'ge Hoffnung, treue Liebe Schmücke Deinen Hausaltar.

Sind wir arm an eitlem Gelde, Reich an Liebe find wir doch. Jubelnd hallt es durch die Fluren: Unser Pfarrherr lebe hoch!

Die Wägen fuhren sodann durch Oberkollwangen und bald kam man nach Breitenberg. Die Glocken läuteten feierlich und vor dem Pfarrhause hatte sich Jung und Alt versammelt. Nachdem Herr Schulmeister Kern die Be­grüßungsrede gehalten, dankte Herr Pfarrer Müller nochmals für den schöne» Empfang und nahm dann in Begleitung 4>er Lehrer und Schult­heißen Einsicht vom äußerlich schön geschmückten Pfarrhause,in dessen öden Räumen allerdings noch das Grauen wohnte." Später vereinigte ein kleines Bankett in der Krone sämtliche Herrn, um des Tages Hitze und Staub zu vergessen und der Freude des Besitzes eines eigenen Pfarrers bei einem Glase edlen Gerstensafts Ausdruck zu verleihen. Möge es nun Herrn Pfarrer Müller recht lange in unfern schönen Bergen gefallen und möge die Gemeinde ihn stets erfreuen durch herzliche Liebe und fleißigen Kirchgang.

Regensburg, 3. Juni. Gestern Abend ist Se. Durchlaucht der Fürst MaximilianMaria von Thurn und Taxis an einer Lungen­entzündung gestorben. Derselbe stand erst im 23. Lebensjahre, er war am 24. Juni 1862 geboren, und ist am 24. Juni 1883 großjährig geworden. Er hat damals (beim Antritt der Verwaltung seiner Herrschaften) auch seine

Feuilleton.

Zm Avgrun-e.

Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans: .EinBampy r.*)

(Fortsetzung.)

Der ganze Zorn und die Rede des Grafen waren nicht ohne einen ge­wissen theatralischen und deklamatorischen Anstrich.

Ja, aber um was handelt es sich denn?" wiederholte Don Balthasar seine Frage mit immer wachsender Bestürzung.

Eine Anzahl Personen war dem Grafen gefolgt und umstand ihn jetzt; unter denselben befand sich Jsmael und begann mit einer nicht zu verkennen­den Freude zu erzählen, daß der Spielgegner des Grafen, wütend über seine unaufhörlichen Verluste, die sich etwa auf fünfzehntausend Franken bezifferten, den Grafen Villefleur des falschen Spiels bezichtigt und diese Anklage unter Angabe näherer Umstände den Umstehenden nachzuweisen gesucht habe.

O, all sein Blut", wütete Graf Villefleur, all sein Blut kann diese Beschimpfung nicht abwischen! Kommen Sie, meine Herren, kommen Sie?"

Er z»A Don Balthasar mit sich fort durch die verschiedenen Säle bis ins Spielzimmer, wo eine allgemeine Aufregung herrschte, die sich bereits ansteckend durch das ganze Kasino verbreitete, sobald die Geschichte bekannt wurde.

In Cauterets war Graf Villefleur eine zu geachtete Persönlichkeit, als daß die gegen ihn erhobene Anklage Glauben bei den Kurhausgästen gefunden hätte; Jedermann bemühte sich deshalb auch, den Beleidiger zur Zurücknahme seiner Worte zu bewegen, und dieser begann, da er keinerlei Beweise für seine Behauptung erbringen konnte, vor den Folgen seiner schnellen Aeußerung zu bangen; er bekannte deshalb schon, daß er sich geirrt habe. Man wollte auf Grund dieser Abbitte versuchen, die Sache zu ordnen, aber Graf Ville­fleur schlug das Arrangement rundweg ab , er verlangte Genugthuung mit den Waffen in der Hand. Bei solcher Sachlage blieb eben nichts anderes übrig, als daß man seinem Verlangen folgte, und man begab sich in den Kasinogarten. Der Mond war so hell, die Nacht so licht, daß die Helle für

den Zweikampf genügend erschien. Man wählte den Degen, in dem der Graf ein Meister, sein Gegner gänzlich unerfahren war; beim ersten Gange war der Letztere entwaffnet.

Nehmen Sie Ihre Waffe wieder auf!" herrschte der Graf den Armen an; dieser gehorchte, und zum zweiten Male flog sein Degen aus seiner Hand.

»Ich sehe, ich hatte zu leichtes Spiel, Sie mit dem Degen niederzustechen", sagte der Graf verächtlich, nehmen wir Pistolen!"

Den ersten Schuß hatte in Folge des Loses der Beleidiger abzugeben; er fehlte; langsam legte darauf der Graf an; er zielte einen Moment aus seinen Gegner, wechselte dann in ostensibler Weise sein Zielobjekt, und seine Kugel fuhr in Manneshöhe in einen zehn Schritte zur Seite stehenden jungen Baum.

Ich will Sie nicht töten; es soll mir genügen, Ihnen gezeigt zu haben, daß Sie in meiner Macht waren. Jetzt bin ich bereit, die Abbitte anzunehmen, die ich vorhin abweisen mußte."

Diese Handlungsweise fand allgemeinen Beifall. Der arme Besiegte, vielleicht glücklich, so billigen Kaufs davonzukommen, wiederholte seine Ent­schuldigungen und wollte dem Grafen die Hand reichen, die dieser aber stolz zurückwies. In der schweigenden Gruppe vernahm man nur den trockenen Husten Jsmaels, der mit teuflischem Lächeln dem beschämt Davonschleichcnden nachblickte und durch die Zähne murmelte:

So ist's recht, so gefM mir die Welt: bestohlen, gehauen und doch noch zufrieden!^

Im Tanzsaale hatte das Gerücht von dem Duell eine Unterbrechung des Ballvergnügens zur Folge gehabt, und auf der Teraffe des Kasinos begeg­neten dem zurückkehrenden Grafen seine Angehörigen, die in größter Unruhe um ihn waren. Als man drinnen den Verlauf der Geschichte hörte, war kein Ende des Ruhmes von der Großmut des Grafen, und nicht weniger heftig und allgemein war der Unwille gegen seinen elenden Verläumder; Graf Villefleur sah sich gezwungen, sich bescheiden zu entfernen, um einer Ovation zu entgehen.

Andern Morgens, früher, als er sonst aufzustehen pflegte, machte er sich auf den Weg zu Jsmael Gantz., Dieser bewohnte im äußersten und kleinsten