Uro. 55.

60. Jahrgang.

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Amts- unä Inteüigenzbkatt für äen Kezir^.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.

Deutsches Reich.

Sutttgart, 6. Mai. Die von der K. Regierung angebrachte Exigenz von 56,800 zur Aufbesserung der Gehälter der Expe­ditoren der verschiedenen Departements rief in der Kammer derAb« geordneten gestern eine längere Debatte hervor. Die Kommission hatte Ablehnung der Exigenz beantragt; Minister v. Renner und verschiedene Abgeordnete traten für dieselbe ein, darunter mit besonders warmen Worten derjenige von Stuttgart, Tafel, welcher auch in Gemeinschaft mit Probst einen Antrag auf Genehmigung der Exigenz mit einer kleinen Modifikation einbrachte. Die Mehrheit der Abgeordneten folgte jedoch der Finanzkommission, indem sie die Exigenz verwarf. Aus der Debatte ist zu erwähnen, daß die Thatsache zur Sprache kam und auch von verschiedenen Seiten anerkannt wurde, daß dis Beamten in Württemberg schlechter bezahlt sind, als in den anderen deutschen Staaten, und daß außerdem dem Wunsche Ausdruck ge­geben wurde, es möchte die Arbeitskraft unserer Beamten besser ausgenützt werden, ihre Bezahlung dafür aber auch eine bessere sein. Eine Petition, welche sich gegen die Jmpfstoffabnahme von Arm zu Arm richtet, wurde der K. Regierung zur Erwägung unterbreitet, nachdem Minister v. Hölder seinerseits konstatiert, daß die Negierung der Gewinnung animalischer Lymphe ihre volle Beachtung schenke. Eine Debatte rief der Gegenstand wider Er­warten nicht hervor, obwohl es nahe lag, daß die bei uns zahlreichen Jmpf- gegner, die, wie sich schon bei mehreren Gelegenheiten zeigte, auch in der Kammer ihre Vertreter haben,'die Gelegenheit warnehmen würden, um gegen das Jmpfgesetz überhaupt zu Felde zu ziehen.

Berlin, 6. Mai. In dem Palaitz des Prinzen Friedrich Karl fand heute die kirchliche Trauung' der Prinzessin Heinrich der Niederlande mit dem Prinzen Albert von Altenburg durch Oberhofprediger Kögel » statt. Der Kaiser, der Kronprinz, die hier anwesenden Mitglieder des Königshauses und die fremden fürstlichen Gäste wohnten der Feier bei.

sGcrges-Weuigkeiten.

Im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 27. März d. I. die - Errichtung einer Postagentur in der Stadt NLu b uI a ch, OA. Calw, gnädigst verfügt. Der Bestellbezirk der neuen Postagentur besteht aus dem Postort mit der Parzelle Oelmühle und den Gemeinden Altbulach und Liebels- berg. Die Postagentur tritt am 28. Mai d. I. in Wirksamkeit und erhält ihre Verbindung mit den übrigen Postanstalten des Landes durch die bestehen­den werktäglichen Landpostbotenfahrten zwischen Zwerenberg und Calw über Neubulach, für welche die folgenden Kurszeiten festgesetzt sind:

Aus Neubulach 6.30 Uhr vorm,

in Calw 8.

aus Calw 11.30

in Neubulach 1.35 nachm.

Zwischen Neubulach, einerseits und den Postorten Althengstett, Calw, Ebhausen, Emmingen, Gechingen, Hirsau, Liebenzell, Stammheim, Teinach, Unterreichenbach und Wildberg andererseits, kommt am 28. ds. die Taxe von 5 H für den frankierten Brief in Anwendung.

Auf Grund des Ergebnisses der am 8. v. M. an dem Schullehrer­seminar in Saulgau abgehaltenen Prüfung ist u. A. ausgenommen worden: in das Schullehrerseminar in Gmünd: Kim mich, Aman­dus, von Aichhalden.

Stuttgart, 6. Mai. Gestern trafen die ersten Kirs ch en in Stuttgart ein, zu gleicher Zeit eine Sendung aus Algier und eine zweite aus Italien. Die afrikanischen kosten 3 ^ per Pfund, während die italie­nische Ware um 1 50 ^ zu erstehen ist. Auch die ersten Aprikosen

langten auf Bestellung eines Gourmands hier an, natürlich bei der großen Seltenheit zu entsprechenden Preisen. Unter den neuen italienischen Früchten führen wir noch die aus China stammenden Mispeln an, welche in großen Mengen von Genua aus hiehergesandt werden. Es ist zu verwundern, daß einzelne Produkte trotz Fracht und Zoll aus Italien billiger geliefert werden können, als dies hiesige Händler vermögen. So verlangten die wenigen Produzenten, welche neue Kartroffeln zum Wochenmarkt brachten, für das einzelne Pfund 25, bei Engroseinkauf 24 per Pfund, während Kartoffeln aus Malta schon seit 4 Wochen hier zu haben sind und zwar zum Preise von 20 H.

Eßlingen, 5. Mai. Heute nachmittag 4 Uhr ging hier ein Ge­witter vorüber, das ein nicht unbedeutendes Hagelwetter begleitete. Es fielen 12 Minuten lang Schloffen bis zur Größe einer kleinen Haselnuß. An Weinbergen und Obstbäumen befürchtet man Schaden.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 70

Aus dem Fränkischen, 5. Mai. Eine seltene Jagdbeute wurde dieser Tage bei Mönchsroth gemacht. Dem dortigen Jagdpächter gelang es, in einem Fuchsbau 15 lebendige junge Füchse zu erlegen.

chLahr, 5. Mai. <Die Eröffnung des ersten deutschen Reichs- waisenhausesinLahr.) So ist er denn endlich herbeigekommen der Tag, an welchem ein Unternehmen ins Leben tritt, das seit einer Reihe von Jahren das Interesse nicht nur von ganz Deutschland, sondern auch des Auslandes, da wo deutsche Herzen schlagen, erregt und die thalkräftige Teil­nahme unzähliger edlen Seelen wachgerufen hat; ein Werk, das dazu be­stimmt ist, die nationale Zusammengehörigkeit aller Deutschen auf einem ge­weihten Boden, auf dem werkthätiger Menschenliebe, zum Ausdruck zu bringen. Die zahlreichen Mitarbeiter an dem schönen Werke werden an diesem Tage die ersten Früchte und den Erfolg ihres opferfreudigen Schaffens sehen. Am Pfing st feste soll das erste deutsche Reichs Waisenhaus Hierselbst eröffnet und seiner Bestimmung übergeben werden. Kein schönerer Tag konnte wohl für die Feier einer so wahrhaft nationalen Schöpf­ung gewählt werden. Der Verwaltungsrat für den Reichs­waisenhausfonds und der Vorstand der deutschen Ge­neralfechtschule haben bereits das Fest-Programm festgestellt. Laut demselben findet am Sonntag, den 24. Mai Empfang ankommender Festgäste am Bahnhose, nachmittags um 3 Uhr Generalversammlung und .Ausschußsitzung der Generalfechischule in der Aula des. StadtschulgebändcS, von abends 8 Uhr beginnend gesellige Unterhaltung, statt. Am Montag, den 25. Mai: vormittags Empfang ankommender Festgäste. Um 11 Uhr: Aufstellung des Festzuges beim Nathause. Zug nach dem Waisenhause. Um 11 Ve Uhr: Eröffnungsfeier, für welche ein besonderes Programm am Fest­tage selbst ausgegeben werden wird. Darauf Besichtigung des Reichswaisen­hauses und der Anlagen. Nachmittags l'/z Uhr Festessen; um 4 Uhr: 'Ge­meinsamer Spaziergang in die Umgebung der Stadt; abends 8 Uhr: großes Bankett mit Musik- und Gesangsvorträgen. Am Dienstag, den 26. Mai soll bei günstigem Wetter eine Ausfahrt über den Gaisberg nach dem im schönen Thale der Kinzig überaus anmutig gelegenen Zell gemacht werden, wobei die Rückkehr nach Lahr vorbei an der prachtvollen Burgruine Hohengeroldseck über den romantischen Schönberg erfolgen wird. Die Stadt Lahr wird es sich zur Ehre rechnen, den Gästen aus dem ganzen weiten deutschen Vaterlande, die sich an der Feier zu beteiligen gedenken, den Aufent­halt in ihren Mauern so angenehm als möglich zu machen. Die Zahl der Festteilnehmer wird schon nach den vorläufigen Mitteilungen eine ganz außer­ordentliche sein und dürfte sich die Feier allem Anscheine nach zu dem ge­stalten, was sie ihrem eigensten Wesen nach ist, zu einem wahrhaft natio­nalen Feste. Allen, die sich daran beteiligen, sei schon im Voraus ein herzlichesWillkommen" zugerufen.

Frankfurt a. M., 5. Mai. Die Verhandlung gegen Lieske, der des Mordes an dem Polizeirat Rumpfs beschuldigt wird, soll Ende Juni stattsinden. Wie wir erfahren, leugnet Lieske nach wie vor und hat sich bis jetzt auch noch nicht zu dem geringsten Zugeständnisse Herbeigelaffen. Die gegen ihn vorliegenden Indizien sind indes so gravierender Natur, daß der Ausgang des Prozesses kaum zweifelhaft erscheint.

Aus Berlin bringt der Telegraph die überraschende Nachricht, daß Generalkonsul Dr. Gustav Nachtigal, der berühmte Afrikareisende dessen Name mit der Geschichte der jüngsten deutschen Kolonialbestrebungen so eng verknüpft ist, an Bord derMöwe" auf offenem Meere gestorben ist. Seit 1882 war Dr. Nachtigal als Konsul und später als Generalkonsul in Tunis thätig, von wo aus er im vergangenen Jahre die bekannte Reise zum Zwecke der deutschen Besitzergreifungen an der westafrikanischen Küste unternahm. Die Umsicht und Energie, die er bei diesem Anlässe bewies, seine außerordentliche Kenntnis von Land 'und Leuten schienen ihm noch eine große Rolle in der ferneren Entwicklung des deutschen Kolonialwesens an der afrikanischen Küste zu sichern, als ihn plötzlich an Bord des Schiffes, das ihn zu neuer Thätigkeit hinaustragen sollte, ein tückisches Wechselfieber ergriff, das am 20. April seinem an Erfolgen im Dienste der Wissenschaft und des Vaterlandes so reichen Leben im Alter von 51 Jahren ein Ende machte. Sein Leichnam ist tags darauf am Kap Palmas beigesetzt worden.

Eine zweite Todesnachricht, aus Kamerun, betrifft den früheren preuß. Lieutenant, zuletzt im Colberg'schen Grenadier-Regiment Nr. 9, Franz Tilly, der am 20. März im Alter von 26 Jahren auf einer Expedition zur Erforschung Zentralafrikas in Kamerun an den Folgen des bösen Fiebers plötzlich gestorben ist.

In Bergamo hat sich ein höchst verdächtiger Erkrank­ung s f a l l ereignet, welcher von den auswärtigen Blättern als Cholera,