Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagsld.

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JnkerarionSgebüdr sür die Lspaltige

Rr. 126. I-M-rsiag d-n 2 ». M-k-r. ZLs; «SU' 1874.

mit Postaufschlag 1 st. 8 tk ^ dci m.'drmatiger i- 2 Kreuze,.

R m t l i ck e ».

Nagold.

An die OrtSbehörden.

Nach einer Mitthcilung k. Oderamts Calw ist das Er­scheinen der für die Apfelbäume so verderblichen Blutlaus auf der Calwer Markung und an den Bäumen gegen Hirsau con- stalirl und sind sofort geeignete Maßregeln zu deren Bertilgung ergriffen worden.

Da zu befürchten ist, daß auch die angrenzenden Bezirke von dem schädlichen Insekt heimgcsuchl werden, so werden die Orisbehörden angewiesen, io bald ihnen von dem Erscheinen dieser Krankheit auf der Markung etwas bekannt wird, unver­züglich Anzeige hieher zu erstatten.

Uebcr die Beschaffenheit der Blutlaus und die Mittel zu deren Bekämpfung ist hienach ein Auszug aus dem Wochenblatt für Land- und Forstwirlhschasl Nro. 32 von 1874 angcfchlossen.

Den 27. Oktober 1874.

K. Oberamt.

Günlner.

Dir Blutlaus, einer der gefährlichsten Feinde der Arpfelbiiume.

Schon mehrfach ist in diesen Blättern der Blutlaus Er­wähnung geschehen. Sie charaklcrisirl sich sowohl wegen der ungemein raschen Verbreitung und der fabelhaften Vermehrung, welche sie mit den Blattläusen gemein hat, als auch wegen der großen Zerstörungskraft, welche sie an den befallenen Bäumen an den Tag legt, als einer der gefährlichsten Feinde des Apfel­baums, auf welchem sie sich vorzugsweise anfiedclk. Viele Ge­genden unseres Landes sind bereits, «' höhereM.oder geringerem Grad aiigesteckt, namentlich dtoht atsch durch den Bezug von Obstbäumcn aus Baumschulen, in welchem sie einmal aufgetaucht sind, solchen Gegenden, welche bis jetzt noch verschont sind, Gefahr.

Alle landwirthschaftlichen Vereine, in welchen der Obstbau eine irgend nennenswerthe Nolle spielt, sind daher aufs Dringenste veranlaßt, richtige Kenntnisse über das Leben, die Fortpflanzung, Verbreitung, den Schaden, die Erkcnnungsmittcl, die Vorbeugungs­und Abhilfemittel soviel als möglich im Bezirke zu verbreiten, am besten durch Verbreitung von Flugblättern, und für die Durch­führung der richtigen Maßregeln an den befallenen Orten im Interesse der Gesammtheit Sorge zu tragen.

Wir geben in Nachstehendem die nölhigen Anhaltspunkte sür die Thäligkeit der Bezirksvereine:

Die wollige Rinden laus (Sabwoneura Isnlger» Haus), unter dem Namen Blutlaus bekannt, lebt in allen Spalten, Rissen, Wundrändern rc. der Apfelbäume, siedelt sich an den Stellen, wo die Rinde gesprungen, oder aus andern Gründen die Saslschichte zugänglich ist, oder an jungen, saftigen Trieben in Masse an, saugt den Pflanzensast aus, erzeugt äußerlich Auf­treibungen (Pusteln) und verursacht nach und nach das Siechthum und den Tod des befallenen Baumes. Auffallendes Siechthum tritt oft schon nach zwei- bis dreijähriger Wirksamkeit dieses In­sekts ein.

Erst in dem ersten Fünftheil unseres Jahrhunderts wurde in Europa dieses Insekt bekannt, und hat sich seitdem allmählig in England, Frankreich, dem Rhein entlang, bis in unsere Ge­genden verbreitet. Ihre Vermehrungsfähigkeit ist eine ganz außerordentliche, wie diese den Blattläusen, zu welchen sie im weiteren Sinne gehören, überhaupt eigen ist.

Das Eigenthümliche ist, daß die geflügelten Männchen und Weibchen, welche im Herbst erscheinen, Eier in die Ritzen der Bäume legen, aus welchen ungeflügelte Exemplare (sogenannte Ammen) hervorgehen, welche schon nach 10 bis 12 Tagen 3050. lebendige Jungen zur Welt bringen. Sind diese wiederum 10 bis 12 Tage alt, so erzeugen sie wiederum in der gleichen Weise 3050 Junge, so daß eine Blutlaus in der fünften Generation (also nach etwa zwei Monaten) 5 Millionen Nachkommenschaft erhalten kann.

Der NameBlutlaus" rührt daher, daß beim Zerdrücken derselben ein rothcr Saft sich zeigt. Der Namewollige Rin­denlaus" ist davon genommen, daß die Thiere am After eine

größere Zahl von weiße» Haaren haben, nud wenn eine gewisse Zahl deisammensitzt, der Anblick derart ist, als ob hier etwas Wolliges sitzen würde. Tiefe Nslerhaare sind deßhalb bedeutungs­voll, weil sie die Uebcrtragung der Jungen von Zweig zu Zweig, und von Daum zu Baum vermitteln. Die weihen Punkte au den Bäume», heroorgebrachl durch die Vereinigung einer Anzahl von Blutläusen lassen daher leicht das Vorhandensein dieser schlimmen Gäste erkenne».

Gut isk's, sie so bald als möglich zu entdecken, da dann die Mittel zur Unterdrückung eher fruchten und nicht so kost­spielig sind.

Die Unterdrückung dieser Blutläuse geschieht thcils dadurch, daß man sic aus den Bäumen aussncht, thcils dadurch, daß man sie in ihrer Winlerriihcsiätte zu vernichten sucht.

Auf dem Baum bekämpft man sie iheils durch Beseitigung dünnerer innerer Zweige, die damit behaftet sind, theils durch trockenes, mittelst scharfer kleiner Bürsten ausgesühnes Abbürsten aller Rindewundeil, in welchen sie sich anfhallcn. Ebenfalls günstig wirkt das Bespritzen der Stämme und Aeste durch Hand­spritze oder Hydronetle mit einer ziemlich konzcnttrrien Lösung von grüner Seife, weicher etwas Gaswasser beizemengt ist oder von verdünnter Kalkmilch. Auch das Bespritzen mir stark er­wärmtem, fast siedend heißem Wasser wird als schnell wirkendes, unschädliches Mittel gerühmt.

Da wo die Einbürgerung der Blutlaus schon weit voran- gefchritlen ist, Hilst neben der Bekämpfung derselben auf den Arsten, Zweigen und dem Stamm die Behandlung der Umgebung des Stamms in einer Tchicht von 20 Ceittim. und in einem Umkreis vonOO Centim. Durchmesser mit gelöschtem Kalk. Dort, in der Nähe des Stamms, überwintern die Blutläuse, und der gelöschte Kalk zerstört sie daher hier, wenn auch nicht alle, doch zum größten Theil.

Die Anwendung von Erdöl, Schicferöl mit Wasser ist nicht anzuralhe», weil dadurch den Bäumen häufig aufs Neue em­pfindliche Wunden beigebracht werden.

Kalkmilch, Sodalösung oder eine Lösung von grüner Seife (1 Pfund auf 8 Liter Wasser) ist das Beste.

(Nach den illustr. Monatsheften für Obst- und Weinbau.)

TageS-Neuigk-it-u.

7" * Nagold, 28. Okt. Das Sammeln von Tannenzapfen

zu Gewinnung des' Samens gibt gegenwärtig wieder manchem Verdienst und dabei auch ein schönes Stück Geld, um so mehr diese Ernte schon lange nicht mehr so ergiebig sich zeigte wie Heuer. Wie aber dieses halsbrecherische Geschäft selten ohne einen Unfall abläuft, so hat leider auch gestern ein junger Mann von O.Schwandorf hiebei sein Leben lassen müssen. Derselbe stürzte in dem Augenblicke von seinem hohen Befchäftigungsort herab, als er zu feinem Mittagsmahl herabsteigen wollte, das ihm feine Frau, mit welcher er erst seit letzter Kirchweih das eheliche Glück theilte, gebracht halte. Möchte dieser Fall doch ein ernster Mahner zu größerer Vorsicht sein! Gestern stürzte Zcugmacher L. von Ebhausen die Stiege herunter, wodurch er eine innere Kopfverletzung erhielt, in Folge derer er schon heute starb. Die Selbstmorde, die in diesem Jahre besonders zahlreich sich notiren lassen, werden auch leider wieder durch einen Fall in un­serem Bezirk vermehrt, indem dieser Tage eine Frau in Emmin­gen ihren Tod in der Nagold suchte. Durch eineu aus den Tisch geschriebenen Vers soll sie ihr Vorhaben kund gegeben haben.

Stuttgart, 25. Okt. Der Luftschiffer Sivel machte heute Nachmittag um 4 Uhr seine zweite Luftfahrt vom Hofe der GaGfybrik in Cannstatt aus, kvo in den 3 sür die zahlenden Zuschauer eingerichteten Kreisen 800 bis 1000 Personen sich ein- gefündcn haben mochten. Die außen zerstreute Menge war mas­senhaft. Die Witterung begünstigte diese Fahr! ebenso wie die vor 8 Tagen, nur war die Temperatur etwas kühler. Die Aus­fahrt geschah mit 5 zusammengekoppclten BallonH, wovon der vor 8 Tagen benützte, der mittlere und größere, den Namen Europa, die andern an denselben angekopvelicn die der übrigen vier Welttheile führen. DieEuropa" hatte eine Gondel, worin