Der Gesellschafter

Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

Nr. 109.

Erscdenit wöchentlich 3mal und tone:

oatbjäbrlicd vier 54 lr.. im Bezirk SaMStllg dkN 19. September, mit Postausschlag l st. ^ !r.

Jrmrationsgcbübr für die Zspallige Zeile ans gewöhnlicher Schritt bei emmatiger Einrückung 3 Kreuzer, bei mehrmaliger je 2 Kreuzer.

1874.

T ü b i n g e it.

Aufruf an die wahlberechtigten Angehörigen des Kaufmanns- Standes in Betreff der Wahl der Schöffen für die Ciyil-Kgmmer des Kreisgerichtshofs in Tübingen.

Nach Artikel 54 und 48 Absatz 3 des Gesetzes über die Gerichtsverfassung vom 13. März 1868 ist zur Wahl der Schöffen für die Civilkammern der Kreisgerichtshöfe als Angehöriger des Kaufmannsstandes berechtigt:

wer ein Handelsgewerbe mit der Befugniß, eine Handelsfirma, sei es im eigenen Namen oder als persönlich haftendes Mit­glied einer Handelsgesellschaft, oder als Vorsteher einer Aktien­gesellschaft, oder als Vertreter einer juristischen Person, welche Inhaberin eines Handelgewcrbs ist, zu zeichnen, betreibt oder in der angegebenen Weise früher betrieben hat, desgleichen wer Prokurist im Sinne des Handelsgesetzbuchs war und' jetzt in keinem Diensiverhäitniß zu einem Kaufmann steht.

In Gemäßheit des §. 18 Absatz 3 der Bekanntmachung des K. Justiz-Ministeriums vom 20. Juli 1868 in Betreff der Bildung der Dienstlisten der Schöffen bei den Ciüil-Kammern der Kreisgerichtshöse (Regierungsblatt Seile 426) werden nun die­jenigen in dem Sprengel des Kreisgerichtshofs Tübingen wohnen­den Wahlberechtigten, welche im Handelsregister nicht eingetragen sind, aufgefordert, bis zum 30. d. M., an welchem die Liste der Wahlberechtigten abzuschließen ist, ihre Wahlberechtigung auf der Kanzlei des Kreisgerichtshofs in Tübingen schriftlich oder münd­lich anzumelden und erforderlichen Falls nachzuweisen.

Hiebei wird bemerkt, daß nach Artikel 54 und Artikel 37 Nr. 2 des angeführten Gesetzes, sowie nach der Verfügung, des K. Justiz-Ministeriums vom 25. Juni 1872, betreffend Aender- .ungen in den Vorschriften über die Bildung der Dienstlistcn der Geschworenen, Schöffen und Gerichlszengeu Nr. I lit. »ä, nicht wahlberechtigt sind: .

a) Solche, welchen durch ein vor dem 1. Januar 1872 ergangenes Uriheil die bürgerlichen Ehren- und die Dienstrechte, wenn auch nur zeitlich, entzogen, oder welche durch einen vor dem gedachten Zeitpunkt erfolgten Verweisungs- oder An- klagebcschluß an der Ausübung oder dem Genuß der staats- und gcmeindebürgerilchcn Wahl- und Wählbarkeitsrechte ver­hindert sind;

b) Solche, welchen durch ein seit dem 1. Januar 1872 ergangenes Urtheil die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, während der im Urtheil bestimmten, nach §. 36 des Strafge­setzbuchs für das Deutsche Reich zu berechnenden Zeit;

e) Solche, welche seit dem 1. Januar 1872 zur Zuchthaus­strafe verurtheilt worden sind, die unter b und e Genannten übrigens unter der Voraussetzung, daß nicht diese Wirkung der Verurtheilung im Gnadenwege aufgehoben worden ist;

<l) Solche, welche durch eine nach Maßgabe des Art. 19 des Gesetzes vom 26. September 1871 erfolgte Entscheidung der Raths- und Anklage-Kammer das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden, oder andere politische Rechte auszuüben, zeitlich entzogen ist;

s) Diejenigen, gegen welche das Gantvcrfahren eingeleitet ist, während desselben.

Den 15. September 1874. ' .

Das Direktorium des Kreisgerichtshofs '.

Präsident Schäfer.

TageS-Neuigkeiten.

Tagesordnung der Sitzungen des K. Schwurgerichtshofs Tübin­gen im dritten Quartal 1874. Mittwoch den 30. Sept-, Vorm. 9 Uhr, Anklagesache gegen den Polizeidiener Georg Schlotter von Unterthal­heim, OA Nagold, wegen Meineids; Donnerstag den 1. Okt- Vorm. 9 Uhr. Ankl. gegen den Schultheißen Johann Martin-Seeger von Ett- mannsweiler, OA. Nagold, wegen gewinnsüchtiger falscher Beurkundung; Freitag den 2. Okt., Vorm. 9 Uhr, Ankl. gegen den ledigen Schneider Jakob Friedrich Löffler von Markgröningen, OA. Ludwigsburg, we­gen Müiizverbrechens. (St.A.)

Stuttgart, 17. Sept. Der Mostobstmarkt war heute sehr stark befahren und bewegte sich der Preis per Ctnr. zwischen 2 fl. 12 kr. bis 2 fl 30. kr.

Stuttgart, 17. Sept. Auf eine originelle Weise ar­beitete gestern der Zufall unserer Fahndungspolizei in die Hände.

I» Pforzheim wurde einer Dame, welche hier zwei verheirathete Töchter hat, eine goldene Uhr nebst Kette, goldene Brache :c. Gegenstände von bedeutendem Wcrthe entwendet. Die Dame befand sich seit einigen Tagen hier zum Besuche ihrer Töchter. Eine der Letzteren, welche in der Ncckarstraße wohnt, bedurfte einer Köchin und hatte sich um eine solchenach Wunsch" zu er­halten, an einen Commissionär gewendet. Gestern Nachmittag nun, als Mutter und Tochter in gemächlicher Unterhaltung bei­sammen saßen, meldet sich eine von dem betreffenden Commissio- uär abgesandte Person zu der ausgeschriebenen Stelle. Wie er­staunte indessen die Mutter der jungen Frau, als sie am Hals der angehenden Köchin ihre Broche entdeckte! Sofort wurde Gon der Polizeistalion in der Ncckarstraße ein Schutzmann reqnirirt, welcher die diebische Köchin in sichern Gewahrsam brachte. Die Verhaftete ist eine sichere Christiane Müller aus Wildberg und ein nicht seltener Gast in den würltemb. Gefängnissen. (N. T.)

Ulm, 14. Sept. Die heute cröffnete Ledermesse war eine der belebtesten seit deren Einrichtung in unserer Stadl. Ver­käufer und Käufer haben sich gleich zahlreich eingesunken, und schon in den Vormittagsstunden entwickelte sich ein so lebhafter Verkehr, daß mit Mittag der größere Tbeil der angebotenen Waare verkauft war. Beim Schluß des ersten Meßtages ist nur noch wenig zum Verkauf übrig. Bei der Kauflust der Consnmen- len konnte denn auch ein Fallen der Lederpreise nicht in Aussicht genommen werden; im Gegentheil wurden einzelne Gattungen Leder zu erhöhten Preisen abgesetzt.

Mezingen, 14. Sept. Einem hiesigen Tuchfabrikanten, der auch wie andere ans einem gewöhnlichen Bauernwagen seine Tücher auf die Stuttgarter Messe führen ließ, wurden unterwegs durch die Leitern hinein mehrere Stücke boshafterweise zerschnitten. Von einem Stück seien kaum mehr 4 Ellen brauchbar. Der Tuch­fabrikant setzte auf die Entdeckung des oder der Lhäter eine Be­lohnung von 25 fl. -Bereits sind zwei mnthmaßliche Thäter dieses Bubenstreichs beim Oberamtsgericht Urach hinter Schloß und Riegel.

Aus dem Waiblinger Bezirk. Die Aussichten für die Wein­ernte gestalten sich immer günstiger, lieber die voraussichtlichen Preise des Weines gehen die Ansichten noch sehr auseinander. Während in einem Weinort ein Weingärtner den Ertrag seines Weinbergs um 48 fl. verkauft hat, hofft man in einem andern 100 fl. zu lösen. Auch für das Obst sind noch keine festen Preise gemacht.

Der Oberamts-Physikus Geheime Sanitäisrath vr. Gfrörer in Hechingen ist mit Pension in den Ruhestand versetzt.

Bonn, 16. Septbr. Die Unionskonferenzen wurden heute unter eifrigen Debatten fortgesetzt. Die Bonner Ztg. meldet: Es wurde eine Verständigung in wichtigen dogmatischen Punkten erzielt. Allgemeine Bewunderung erregte die lebhafte, rüstige Leitung des hochbetagten Döllinger in beiden (englischen und deutschen) Sprachen. Bemer­kenswerth ist aus den übrigen Verhandlungen u. a., daß Döllinger und Reinkens sich für die Giltigkeit der Bischofs- und Priesterweihen der anglikanischen Kirche aussprachen.

Coblenz, 12. Sept. Gestern Abend langte per Bahn, von Lon­don kommend, Henri Nochefort hier an. Derselbe gedenkt sich nach Ita­lien zu begeben.

Am 11. ds. gelangte an.den Marineminister v. Stosch aus Maxau in Baden eine Postanweisung im Betrage von 5 fl. 15 kr., auf deren Coupon es hieß:Diese Sendung bitte ich an denjenigen Kanonier des deutschen KanonenbootesAlbatroß" gelangen zu lassen, welcher den ersten Schuß auf die Karlij'ten abgefeuert hat. P. P."

(Reklame.) Einer Annonce in derGerm.", worin Kanarien­vögel teil geboten werden, ist beigefügt, Anerkennungen massenhaft, auch von Herren Geistlichen.

Grosse, 16. Sept. Prozeß Billette. Der Slaatsprocu- rator verlas die Anklagschrift, erörterte die Details der Flucht, besonders die Frage, ob die Flucht mittelst einer Strickleiter oder durch eine heimliche Pforte bewerkstelligt worden sei, und gelangte zu dem Schluffe, daß unter Mitwirkung des Obersten Billette die Flucht mittelst einer Strickleiter bewirkt und durch die Nach­lässigkeit der Wächter erleichtert worden sei. Der Procurator verlangte gegen den Hauptangeklagten Billette, sowie gegen Doineau, Marchi, Gigoux und Plantin die volle Strenge des Gesetzes und stellte die Aburtheilung Barreau's, Lelerme's und Lefranxois dem Ermessen des Gerichts anheim. Der Procurator bemerkte schließlich: Die Flucht sei gerade im Interesse Bazaine's bedauerlich. Eine Hand, welche den Marschallstab geführt, dürfe nicht zur Strickleiter greifen. Bazaine hätte den Tod vorziehen müssen.