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Schultz toastete auf den Reichskanzler, ebenso der Studiosus v. Zedlitz der die treue Nachfolge der Jugend Deutschlands auf den Wegen und nach den Zielen des Reichskanzlers versprach. Der Fürst dankte und sagte: Er hoffe auf die deutsche Jugend.
Berlin, 1. April. Durch weitere besondere Sammlungen gelang es dem Zentralkomite für die Bismarckspende, die auf dem Rittergut Schön Hausen lastende Hypothek zu tilgen. Dasselbe wird Bismarck schuldenfrei als Ehrengabe dargebracht.
Frankreich.
— In Frankreich ist eine Ministerkrisis ausgebrochen. Infolge eines am Montag von der Deputiertenkammer gefaßten dem Kabinet Ferry ungünstigen Beschlusses hat dasselbe seine Entlassung gegeben nnd es wird sich nunmehr also darum handeln, einen anderen Ministerpräsidenten und die nötige Anzahl von Kollegen für denselben zu finden, die gesonnen sind, die Erbschaft des Herrn Ferry anzutreten. Der schlimmste Teil derselben besteht offenbar in der durch die letzte Niederlage des Generals Negrier unweit Langson geschaffenen schwierigen Lage der Dinge in China. General Negrier, der selbst verwundet wurde, ist offenbar auf eine nicht unbeträchtliche chinesische Uebermacht gestoßen und hat sich mit seinem verhältnismäßig kleinen Korps von 10,000 Mann hinter Langson zurückziehen müssen. Es fragt sich nun, was geschehen soll, um dieses Korps zu retten, denn die Chinesen werden doch wohl energisch genug sein, ihren Vorteil auszunützen und die bisher befolgte Defensive in eine kräftige Offensive verwandeln. Wird aber die Kammer in Paris, welche das Ministerium Ferry im Stich gelassen hat, einem neuen Ministerium, als dessen Präsident Freycinet genannt wird, 200 Mill. Franken und neue Soldaten und Schiffe für das „Abenteuer in China" bewilligen? — Die Antwort auf diese Frage muß abgewartet werden, und zwar um so mehr, als nicht nur die Franzosen im Allgemeinen, sondern auch die Kammern insbesondere in ihren Entschließungen „unberechenbar" sind.
Mages-Wertigkeiten.
Cannstatt, 1. April. Am Vorabend des Geburtsfestes unseres hochverehrten Reichskanzlers wurde am Kursaal ein Bankett gehalten, welches außerordentlich zahlreich (von gegen 400 Personen) besucht war. Dasselbe wurde von Landgerichtsrat Römer im Namen des erkrankten Stadtvorstandes eröffnet. Die Festrede hielt Rektor Conz, in welcher er die hohen Verdienste des Kanzlers um das Vaterland nach innen und außen besonders hervorhob, den Dank aussprach, welchen ihm das ganze Volk schulde, und mit dem Verse schloß:
Blühe deutsches Reich!
Wachse der Eiche gleich,
Kraftvoll und hehr! riebe beglück Dich, errlichkeit schmück Dich,
Vom Fels zum Meer.
Es folgten dann noch mehrere Redner. Die Mitglieder der Sängergesellschaft Konkordia verherrlichten das Fest mit ihren Gesängen, und die Kurkapelle trug ebensfalls durch ihre Leistungen viel zur Verschönerung des Festes bei. Es wurden mehrere Vaterlandslieder unter Musikbegleitung von der ganzen Versammlung gesungen. Ein Gratulationstelegramm ging noch in später Stunde an den Reichskanzler ab.
Eßlingen, 31. März. In heutiger Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde die Forterhaltung der Verbrauchssteuern beschlossen.
Crailsheim, 30. März. Heute Nacht nach 12 Uhr ist in einem einstöckigen Wohnhause zu Jngersheim Feuer ausgebrochen, welches dessen Dachstock zerstörte und die übrigen Teile erheblich beschädigte. Das Mobilar konnte gerettet werden. Der Schaden mag ca. 500 <>U. betragen. Entstehungs- ursache noch unbekannt.
— Das Geschenk von Miesbach ist in Schönhausen eingetroffen. Der herrliche Stamm Zuchtvieh, der aus einem 1 Jahr 11 Monaten alten Stier und 5 Kalbinnen besteht, war in einen: mit Kränzen und Guir- landen, sowie mit Fahnen in den bayrischen und deutschen Farben geschmückten Waggon, der auf großen hellblauen Tafeln die weiße Inschrift „Bismarckspende von Miesbach nach Schönhausen" trug. untergebracht. Den Transport leitete der königl. Bezirkstierarzt Vincenti. Die 5 Kalbinnen werden schon in 3 bis 4 Monaten kalben, es sind sehr schöne, weißbunte Exemplare. Eine Deputation des Bismarckkomite in Miesbach wird dem Fürsten Bismarck eine Adresse überreichen.
Dresden, 29. März. Eine an ein Wunder grenzende glückliche Errettung aus Todesgefahr hat sich gestern in einem Sandsteinbruch der sächsischen Schweiz bei Pirna ereignet. Am Dienstag Vormittag ging eine mächtige Steimvand, an deren Loslösung den ganzen Winter über gearbeitet worden ist und die Arbeitsmaterial auf mindestens 5 Jahre bietet, plötzlich nieder und verschüttete 2 Steinbrecher, welche sich nicht rechtzeitig zu flüchten vermocht hatten. Einer der Verunglückten wurde alsbald lebend aus einer Höhlung herausgezogen, von dem zweiten Arbeiter aber war nichts zu hören und zu sehen und man nahm sicher an, daß er zerschmettert unter den Gesteinsmassen liege. Trotzdem wurde Tag und Nacht mit der Hinwegräumung der Steinmassen gearbeitet, um zu dem Verunglückten zu gelangen. Da, am Samstag früh gegen 6 Uhr vernahmen die Arbeiter eine Stimme aus dem Innern der Felsmassen, eine Totenstille trat ein und wirklich es war keine Täuschung, der vor 4 Tagen verschüttete Mann rief seine Kameraden um Rettung an. Es wurde nun mit aller Macht, jedoch unter Beobachtung der größten Vorsicht gearbeitet und nach vier Stunden hatten die Steinbrecher die Freude, ihren Kameraden lebend, wenn auch sehr schwach, hervorziehen zu können. Derselbe hatte bei dem Niedergehen der mehrmals haushohen Wand die Geistesgegenwart besessen, sich in die Tiefe der hohlgemachten Kammer zu flüchten. Von der Rinde, die ihm einige Holzstüzen boten, hatte er sich während seiner 98stündigen Abgeschlossenheit von der Welt, erhalten.
Werrrnifcßtes.
— Eine neue Wuchermanipulation wird von Berliner Geldverleihern, denen durch das Wuchergesetz die Praxis etwas beschnitten ist, neuerdings in Scene gesetzt. Dieselben errichten im Auslande Agenturen, von denen aus die Geldofferten nach Berlin dirigiert werden. Durch ziemlich harmlos aussehende Annoncen werden die Geldbedürftigen angelockt, erhalten aus Paris oder London die Offerten mit verhältnismäßig geringen Zinsforderungen, die sich jedoch in dem Verhältnis steigern, wie sich scheinbar oder wirklich erschwerende Momente anfinden, bis der hohe Wuchersatz erreicht ist. Durch diesen Umweg über das Ausland ist der Geldgeber vor der Schärfe des Wuchergesetzes geschützt, der Geldnehmer aber in gleicher Weise, wie für seine im Jnlande kontrahierte Schulden haftbar. Der Geldgeber, durch seine Zwischenstation maskiert, verkehrt unter den Allüren eines Biedermannes direkt mit dem Schuldner, ohne daß dieser von der Qualität Jenes eine Ahnung hat. Charakteristisch ist, daß meist ein Betrag von 5 bis 10 je nach der Höhe der verlangten Summe „zur Deckung der durch die Erkundigung erforderlichen Kosten" verlangt wird. Alle Personen, welche mit solchen Instituten in Verbindung treten wollen, seien somit gewarnt.
St«?» Bei der großen Anzahl von geringwertigen
AiKNNrtl» Hustenmitteln und Bonbons darf das Publikum wiederholt darauf hingewiesen werden, daß das Loeflnnd'sche Malz-Extrakt und die ächten Malz-Extrakt-Bonbons von Ed. Loeflund in Stuttgart als reelle und vorzüglich wirksame Präparate in den meisten Apotheken in Original-Packung vorrätig gehalten werden.
nennt mich eine Königin und ich fühle mich so ohnmächtig, daß ich keinen Arm rühren kann!" —
Jetzt teilten sich die Falten der Portiöre. Der Kronprinz und Prinz Wilhelm trat herein und eilten weinend an das Bett der sterbenden Mutter. Dieie sah ihre Kinder lange mit mütterlicher Zärtlichkeit an, fragte nach diesem und jenem und ermahnte sie zum Mut und zur Geduld auf dem schwierigen Pfade des Lebens. Bald aber stellten die heftigen Brustkrämpfe sich von Neuem ein. Der gleichfalls am Bette stehende König winkte den Prinzen, sich zu entfernen, und diese küßten die Mutter unter Thränen und
^ ^ Heftiger und heftiger wurden die Krämpfe. Der König hielt ihre rechte Hand. die andere ihre geliebte Schwester, die Prinzessin Solms. „Ach, für mich ist nur Ruhe im Tode", seufzte die Kranke. Und der erlösende Tod nahte auch mit Riesenschritten. Als der letzte Kampf begann, rief sie: „Herr Jesu, mache es kurz mit mir!"
Sie sollte nicht vergebens gebeten haben. Der Todesengel schwebte dicht über ihrem Haupte. Sie bog dasselbe sanft zurück, seufzte tief auf und schloß die Augen für immer.
Lange Zeit saß der König still und in sich versunken da, ein Bild namenlosen Schmerzes. Dann erhob er sich, küßte die gebrochenen Augen und rief seine Söhne an das Sterbebett. Weinend knieten diese vor der Verewigten nieder, auf deren bleicher Stirn bereits der Schimmer der Verklärung ruhte. Unter einem erschütternden Thränenstrom brach der Schmerz der jugendlichen Seelen sich Bahn. ^ ^
Die Totenglocken hallten durch das Land und gaben Kunde von dem entsetzlichen Verlust, der Land und Volk betroffen hatte. Allgemein war der Schmerz, und die Zähre wehmutsvoller Trauer perlte nicht blos in den Hütten der Vornehmen, sondern auch in den Hütten der Armut. Sowohl im Lande, als in den abgetretenen Provinzen wurde das Gedächtnis der verewigten Königin gefeiert, die so wunderbar die Tugenden einer Herrscherin mit denen einer Gattin und Mutter in sich zu vereinigen gewußt hatte. Auch im Aus
lände nahm man von dem Scheiden der hohen Frau Notiz. Es war ein Ereignis, das die Teilnahme von ganz Europa wachrief.
Ob der Mann, dessen unheilvoller Geist bereits über neue welterschütternde Pläne brütete, wohl auf die Stimme im Innern seiner Brust hörte, die ihm sagen mußte, daß er die Hauptschuld an dem frühen Tode dieser ächten und wahren Königin von Gottes Gnaden trug? Ob wohl em Zucken über das Marmor-Antlitz ging, wenn er die Worte vernahm: „Die Königin Louise ist am gebrochenen Herzen gestorben, gestorben vor Herzeleid über das Weh und Elend ihres Vaterlandes?" —
Wie schmerzlich auch die Schützlinge der hohen Frau, Julius Humbert und Alma Reimer, den Verlust ihrer Gebieterin empfanden, bedarf kaum einer Erwähnung. Alma gewann es erst nach 5 Jahren über sich, ihrem Verlobten die Hand am Altar zu reichen, als der Tyrann für immer unschädlich gemacht war und Europa, von dem schweren Druck der Riesenfaust befreit, neu aufatmete.
Der junge Mann hatte in den strapaziösen und gefahrvollen Feldzügen der Jahre 1813 bis 1815 das Seine redlich beigetragen, um dem Vaterlande zur Wiedererlangung seiner früheren Macht und Größe behülflich zu sein.
Es war sonach durchaus gerechtfertigt, daß Alma bei seiner Wiederkehr mit stürmischen Entzücken in feine Arme flog. —
Der Geist und das Gemüt der hohen Frau, deren Leben und Wirken wir in dem kurzen Rahmen einzelner Charakterzüge hier zusammenfaßten, ist nicht verloren gegangen. Beides lebt mächtig fort im deutschen Volke und in dem Sohne der unvergeßlichen Frau, dem Kaiser Wilhelm, welchem es Vorbehalten war, dem Deutschen Reiche seine Macht und Einheit wiederzugeben. Auch hier hat sich die Wahrheit des bereits in uralter Zeit aufgestellten Satzes bewiesen: „Der Geist einer gemüt- und geistbegabten Mutter ruht segensreich auf ihren Kindern."