daß die Genehmigung von Krieger-Vereinen zur Compctenz der Landräihe gehöre, und daß er (der Minister) keine Veranlassung finden könne, die Verfügung des Landralhs Borch»rt zu mißbilligen.
Paris, 24. Mai. Kammerauflösung, Staatsstreich oser Aufrechlerhaltung des Status guo waren die einzigen Mittel zur Beilegung der Ministerkrisis, da von nun an die Bildung einer Majorität für alle Fälle zu den Unmöglichkeiten gehörr. Die soeben erfolMe Ernennung von Ministern beweist, daß man sich zu dem letzten der drei obigen Anskunflsmiitel, Erhaltung deü gegenwärtigen Zustandes, entschlossen hat, und zwar mit dem erschwerenden Umstande, daß der Marschall persönlich, ohne Hinzuziehung dcS Parlaments und ohne die Einwilligung seiner künftigen Rathgcdcr ein Kabine! gebildet Hai. „Ich empfange morgen den neuen deutschen Botschafter und muß Minister um mich haben! Ich frage Sie, meine Herren, nicht, ob Sie die Ihnen angebolenen Portefeuilles annehmen wolle» oder nicht, sondern ich werde Sie ex vklleio zu Ministern ernennen." Mit diesen Worten verabschiedete Mac Mahon die Vertreter des Parlaments, nachdem alle Versuche, dieselben zu einigen, ohne Erfolg geblieben waren, und bildete dann ein Ministerium nach feine» eigenen Eingebungen und jenen der außerparlamentarischen ultramontanen Kamarilla, d- i. der Herzogin von Magenta, des Bischofs Dupanloup, des Herrn Fallox u. s. w. Das heißt denn doch den gordischen Knoten mit dem Säbel dnrchhauen und von da bis zu einem wirklichen Staatsstreiche ist es gar nicht weit. Der Charakter des neuen Kabinets ist übrigens durch die Ernennung des Generals v. Cifsey zum Minister^ Vizepräsidenten genügend hervorgehoben. Also ein ultramontaner Marschall an der Spitze der Negierung, ein ultramontaner General an der Spitze des Ministeriums: wenn solche Leute Frankreich nicht retten, so ist alle Hoffnung aufzugeben.
In Paris ist eine merkwürdige chinesische Pflanze angekommen, llibiseus mutabllls genannt, welche die chinesische Gartenkunst dahin gebracht hat, daß sic dreimal des Tags ihre Farbe wechselt. Ja, ja, mein Freund, Du bist wie eine Blume!
Petersburg, 12. Mai. lieber die bereits gemeldete Verhaftung des Groß für sie» Nicolaus schreibt man der „N. sr. Pr.": ES war kur; vor seiner Abreise nach Stuttgart, daß der Zar den Petersburger Polizeimeister Trepoff zu sich rufen ließ und ihn mit folgendem Vorwurf begrüßte: „Das ist mir eine schöne Polizei! . . . bald werde auch ich im Winterpalais vor Dieben nicht mehr sicher sein! . . . bei meiner Schwägerin im Marmorpalaste verschwinden Diamanten und Pretiosen, Diebstahl häuft sich auf Diebstahl> und Du hast von alledem reine Ahnung!" Der Polizeimeister, durch die kaiserliche Ungnade bedroht, versprach, den mysteriösen Diamanten - Räuber binnen 24 Stunden zur Stelle zu schaffen. Er nahm die Sache persönlich in die Hand, ließ alle Diener des Marmorpalastes (die Residenz des Großfürsten Constantin) festnchmen, unterwarf jeden Einzelnen einem strengen Verhör und war denn so glücklich, sein Wort halten und dem Zar am Tage nach jener Audienz den Namen des Missethäters enthüllen zu können. Es war der eigene Sohn des Großfürsten Constantin, Nicolai Constantinowilsch, der Neffe des Zars. Seit einem Monat oder länger betrieb der kaum zwanzigjährige Mann das traurige Geschäft, den Schmuckkasten feiner Mutter zu plündern und die prachtvollsten Brillanten in Taschengeld umzusetzen. Trepoff folgte dem Grundsätze aller Criminalisten und fragte zuerst: „Oü est la t'ainma?" Bald hatte er auch die Mitschuldige gefunden, eine schmucke Amerikanerin, Miß Fenix, welcher der junge Nikolaus den Ertrag des Diamantenhandels zu widmen pflegte, und außerdem einen Wechsel von bedeutender Summe — man spricht von einer Million Rubel — unterzeichnet hatte. Was mit der Dame geschehen soll, ist nicht bekannt: vom Großfürsten aber weiß die ganze Stadt, daß er vom Zar bis auf Weiteres zum Hausarrest im Marmorpalast verur'.heilt wurde. Merkwürdig ist, daß Nikolaus einen Theil des geraubten Gutes fürsorglich in einem Bankhause deponirt hat, um, wie er sagte, für seine alten Tage gesichertes Brod zu haben. Diese bei einem Großfürsten befremdlichen Nahrunas- forgen, sowie verschiedene andere Umstände haben den Glauben geweckt, es möge wohl um den Verstand des jungen Mannes nicht ganz richtig stehen. Die Folgen einer Krankheit sollen ihn dem Wahnsinn nahe gebracht haben. Das ist aber vielleicht nur erfunden, um die unliebsame Affaire zu bemänteln. Ein neuer Scandal, fast unglaublicher noch als der eben erzählte, wird ans derselben Umgebung gemeldet: indeß ist die Sache für die Dcffentlichkeit noch nicht reif.
Rom. 24. Mai. Seit einigen Tagen fühlt sich Pius XI. plötzlich wieder unwohl, was ih» sogar zwang, auf einige Tage das Bert zu hüten und von dem üblichen Empfang von Deputationen und Fremdenbcsnchen abzuschcn. Gestern sahen sich die drei Leibärzte Sr. Heiligkeit genölhigt, ihren 82jährigen Patienten nicht weniger als viermal zu besuchen.
Der frische Luftzug der Gegenwart weht ein altes vergilbte- Blatt ans dem Papierkorbe der Weltgeschichte zu unseren Füßen, an dessen Auf- und Unterschrift wir einen Brief des Papstes Clemens Xlll an den Feldmarschall Daun erkennen. Der Brief ist über IOO Jahre alt, aber immer noch geeignet, unzu-
fried«e Gemüther mit der Gegenwart zu versöhnen. Es steht darin geschrieben: „Geliebkster Sohn in Christo, Unser Gv>uß und apostol. Segen zuvor! Wir haben mit lebhaftester Empfindung des Vergnügens die Nachricht von deinen im Kriege gegen die Ketzer verrichteten Heldenchaten, vornehmlich von dem bewunderungswürdigen Siege vernommen, welchen du am 14. Ottob. verg. I. über die Preußen davon getragen. Wir haben deshalb als Vater der Rechtgläubigen Unseres Amtes gemäß gehalten, die wundervollen Wirkungen deiner Tapferkeit mit der Kraft Unseres Segens noch zu verstärken'und finden für gut, das Beispiel der Vorfahren auf dem päpstl. Stuhle nachzuahmen, der die Heldenlugenden des Prinzen Eugen, sel. Andenkens, wegen seiner gegen die Ungläubigen erfochtenen öfteren Siege mit einem geweihten Hut und Degen belohnte. Wenn du nun diesen Helden und Beschützer der Kirche an Tugenden weit übertriffst und gegen Ketzer streitest, die mit einer, viel beharrlicheren Bosheit als die Ungläubigen selbst den abscheulichsten Jrrtbümern anhängen, so crtheilen Wir dir den himmlischen Segen dahin, daß du vermittelst des hierbeikoinmenden Degens die Ketzerei vertilgen mögest, deren pestilenzialischen Gestank die Hölle ausgebrütet hat. Der Würgengel soll dir zur Seite fechten; er wird das schändliche Geschlecht der Anhänger Luthers und Calvins umbringen, und der höchste Rächer aller Verbrechen wird sich deines Armes bedienen, um das gottlose Volk der Amalekiter «nd Moabiter bis auf den Grund auszurotten. Dein Arm rauche stets von dem Blute der Gottlosen; lege diesem Baum, der so verfluchte Früchte getragen, die Axt an die Wurzel und lasse dis nördlichen Gegenden Deutschlands nach dem Beispiele des heiligen Carl des Großen mit Schwert, Feuer und Blut wiederum zum wahren Glauben gebracht werden. Entstehet bei den Seligen im Himmel eine so große Freude über ein verirrtes, aber wiedergefnndeiies Schäflein, mit welcher Freude wirst du dann nicht erst die Heiligen und Rechtgläubigen erfüllen, wenn du diese Menge der Verkehrten und Gottlosen in den Schooß der göttl. Mutter der Kirche zurückführst! Die allerheil. Jungfrau Maria, welche zu Mariazell mit höchster Andacht verehrt wird, heiss dir in deinen Unternehmungen! Es bete für dich der heilige Nepomuk auf's inbrünstigste, und der ganze Himmel mit allen Seligen und feierlich erklärten Heiligen verleihe deinen Thaten einen glücklichen Fortgang! Von dieser Hoffnung belebt crtheilen Wir dir nochmals den aposl. Segen! Gegeben zu Rom unter dem Fischerringe am 30. Jan. 1709, im ersten Jahre Unserer päpstlichen Negierung."
Sogar in Mexiko arbeitet die Justiz viel schneller, seit es ein deutsches Reich gibt. Ein Deutscher, vr. Westphal, war von Räubern neulich drüben überfallen und ermordet worden. Früher hätte kein Hahn darnach gekräht: jetzt aber ließ die mexikanische Regierung ans den ersten Wink des deutschen Consuls hin die Mörder verfolgen und vier hinrichten.
Zu den unvermeidlichen Schrecknissen eines Bürgerkriegs gehöriges, daß nahe Blutsverwandte einander in der Schlacht gegenüberstehen. Allen Glauben aber übersteigt es fast, was die Eölner Zeitung aus Bilbao als volle Wahrheit berichtet. Ein republikanischer Soldat war einer Abtheilnng Carlisten in die Hände gefallen, die von dem eigenen Vater desselben befehligt wurde. Als der Alte in dem Gefangenen seinen Sohn erkannte, gab er sofort Befehl, ihn zu erschießen. Und so geschah es.
Pera, 24. Mai. In dem jüdischen Quartier von Galata hat eine große Feuersbrunst stattgefunoen, durch welche 143 Familien (680 Personen) obdachlos geworden sind.
Allerlei.
— Lebendig begraben. Der „Messager du Midi" schreibt aus Salon im südlichen Frankreich: Im Monat August v. I. wurde eine junge Frau, Namens M. E., von einem heftigen Bluisturz befallen. Ein rasch hsrbeizerufener Arzt konnte nur ihren Tod konstatiren. Da in jenen Gegenden um diese Jahreszeit eine wahrhaft tropische Hitze herrscht, rieth der Arzt eine rasche Beerdigung; nach sechs Stunden darauf folgt die trauernde Familie der Verblichenen zur letzten Ruhestätte. Vor einiger Zeit nun beabsichtigte der Gemahl der Verstorbenen sich wieder zu verehelichen, worauf die Mutter derselben die Ueber- reste ihrer Tochter reklamirte, um dieselben nach Marseille überführen zu lassen. Die Exhumiriing fand wirklich statt und die Mutter wohnte derselben bei. Als nun der Stein, welcher die Gruft verschloß, entfernt wurde, bot sich den Umstehenden ein entsetzenerregender Anblick. Der Deckel des Sarges war zerschmettert, der Leichnam lag inmitten der Gruft, die Haare aus- gerissen, die Kleidung in Fetzen und die Arme zerfleischt. Es ist unmöglich, die Verzweiflung der Mutter zu schildern, deren Geisteszustand ein zweites Unglück befürchten läßt.
— Ein Lehrer fragte einen Knaben, wie der Spruch zu verstehen sei: Im Schweiße deines Angesichts sollst d» dein Brod essen. Nach einigem Bedenken antwortete der Knabe: Der Mensch soll so lange essen, bis er schwitzt.