Todtengräbcr und Clowns in „Himlei" wissen, wie lange es dauert, bis der Platz für neue Gräber wieder nmgegraben werden muß. Es gibt keine unserer Stabte, in der nicht Straßen über alte Kirchhöfe gepflastert worden wären; so mächtig wallet das Bedürfnis; der ranmbeengte» Menschen, daß es nur wenige Rücksicht ans die Todten zu nehmen gestaltet. Kaum wird ans unfern Friedhöfen ei» Grab »achzniveisen sei», das sich über einige Jahrhunderte hinaus behauptet hätte, und bald liegt Alles vergraset, ver raset, verwittert; das sind keine Hauser, oie Vis zum jüngsten Tage dauern. Wollte man ine jeden der zahllosen Millionen von gestorbenen Menschen einen gehegten Grabraum finden, die Erde würde sich dato mit Hügeln decken Für die angemessenste, das Andenken am längsten sichernde Bewahrung unserer Ucberresie wirb die geltc» müssen, welche den geringsten Raum kostet und die vergehende Gestalt zu erhallen ansgibt. Für ein Sakrament der Christenheit kann weder Las 'Begraben gelten, »och das Verbrennen für ein Hinderniß der Seligkeit, welche 'Niemand den sonst in Flammen oder Wasser ltmgekommenea abspricht."
Posen, 10. Mai. Das Kreisgericht vernnheilte den Bischof Ledochowski und den Weihdischos Janiszewky, beide in contumaciam wegen gesetzwidriger Ernennung von 22 Posener Seminaristen zu' Vicaren, Erstcren zu 2000 Thaler, Janiszewky zu 2200 Thaler, eventuell 1' « Jahr Gefängniß.
In Ungarn ist unter dem niederen katholischen Klerus eine lebhafte Agitation gegen das Verbot, den Bart wachsen zu lassen, im Werke. Der Redaktion des „Hon" ist in dieser Angelegenheit eine von 30 Geistlichen Unterzeichnete umfangreiche Erklärung zngegnnge», in welcher nachgewiesen wird, daß das Nasiren des Bartes durch keinerlei kirchliche Gründe geboten seit außerdem werden darin die Zweckmässigkeitsgründe angeführt, die für das Stehenlasse» des Bartes sprachen. Die Erklärung schließt mit der Aufforderung, daß die ungarischen Geistlichen in der Provinz die Frage thatsüchlich erledigen und sich den Bart stehen lassen sollen.
ParnS, 17. Mai. Die „Agence Havas" meldet: Gonlard ist mit der Bildung eines neuen Eabinets betraut. Man hofft, dasselbe werde morgen oder übermorgen zu Stande kommen. Man versichert, Gonlard werde Kabinclsmitgliedcr aus beiden Eentren wählen. Gonlard hat sich entschieden für die Durchbe- rathnng konstitutioneller Gesetze und Organisation des Septennals ausgesprochen. Vollständige Ruhe herrscht in ganz Frankreich. Die Amtsgewalt Mac Mahons bleibt von der Krisis durchaus unberührt.
Den sranzösischen Blättern gehen die Rüstungen nicht schnell genug vorwärts,. So sagt die „Ncp. Fran?aise" Gam- betta's: „Frankreich hat Eile, seine Armee ihren Rang wieder cinnehmen zu sehen. Ein Volk, das nur durch die Sympathien der Nentraten oder einen Rest der Scham seiner Feinde beschützt ist, befindet sich in einer mißlichen Lage und wir wollen, daß unser Land schnell ans derselben heranstritt."
Paris, 18 Mai. Gonlard setzt seine Unterhandlungen zur Bildung des neuen Eabinets fort. Er suchst die Mitwirkung der Eonservativen und des linken Eenkrnms, nm das Septennat zu organisiren. Bisher iß noch nichts Positives bekannt.
Die Holländer haben ans ihrer Fischzuchtanstalt in Velz 60,000 snnge Lachse ia den Rhein gesetzt.
London, 18. Mai. Der Kaiser von Rußland, der Herzog und die Herzogin von Edinbnrg und die k Familie nahmen heute an einem glänzenden von den städischen Behörden in Gnild- hall gegebenen Dejeuner Theil. Der Lord Major überreichte eine Adresse und sprach die Hoffnung ans, der Besuch des Kaisers von Rußland werde die Bande der Freundschaft beider Länder fester knüpfe». Der Zar erwiderte mit einem Dank für den herzlichen Empfang und erklärte, er sei überzeugt, die liebevolle Ausnahme, welche seine Tochter in England gesunden habe, werde die scenndschastliche» Beziehungen Rußlands und Englands be- festigen
Die „Times", die gestrige Aeußernng des Kaisers Alexander über Rußlands Friedenspolitik besprechend, meint: Diese erneute FriedenSversicherung müsse für die Politik der Kontinentalmächte von den segensreichsten Folgen sein. Rußland wolle entschieden die Erhaltung des Friedens und scheine zu dem Ende mir den sogenannten Rentralmächten sich vereinigen und separate Allianz- cmlräge jeder rn Aggressivplänen geneigten Macht znrnckweisen zu wollen Für Deutschland und Frankreich würde es ein sehr erfreuliches Ereignis; sein, wenn die Ueberzengung gewonnen würde, daß ein neuer Krieg auf Jahre hinaus unmöglich sei.
Rew-Aork, 16. Mai. In Gosen (Massachusets) sind drei Wasserreservoirs zersprungen und durch die Wassermassen drei Ortschaften fast vollständig zerstört: die Häuser mit ihren Bewohnern, Maschinen, Gerüchen wurden zahlreich fortgeschwemmt. Die Zahl der getakteten Personen beträgt 60. Der ungerichtete Schaden hat noch nicht geschätzt werden können.
Die Professur der Mathematik an dem Antioch- Kolleginm zu Aellew Springs in Ohio ist an Fräulein Rebecca Rice verliehen wenden. Sie hat längere Zeit in Europa sindirt.
Der Günstling des Glücks.
. (Fortsetzung.»
„Ich befragte ihn nun mit mehr Nachdruck und weniger Schonung als ich ursprünglich beabsichtigt, und seine verwirrten Antworten steigerte» meinen Verdacht, anstatt ihn zu zerstreuen. Da ich wohl wußte, daß weder das Interesse deS Anklägers, noch das der Justiz durch den Aufschub einer Verhaftung leiden wurden, cnlfernlc ich mich, indem ich mit Bewilligung des Herrn Sauden den Handschuh und den Umschlag in ein Papier siegelte und mitnahm. Ich bossle, ich gestehe es. daß die von der Justiz zu machenden R ichforschungen über die Lebensart und die Gewohnheiten des Herrn Sauden ihn von der Anklage entbinden würden, die ihm drohte. Aber dies war nicht der Fall. Als leidenschajtlicher und dabei unglücklicher Spieler hatte Herr Sauden durch seine bisher geschickt verüecklen Verluste sein Vermögen so angegriffen, daß neue Schulden, wenn auch nur von geringem Betrage, es völlig zerütten mußten. Man wußte, baß ein bekannter Spieler, Herr von Heibrand, »och vor wenigen Tagen ihn um eine bedenkende Summe gemahnt hatte, deren Betrag nicht genau bekam» war. Inzwischen war derselbe nach Hamburg gereist, um sich nach Amerika zu begeben. Unerklärlich blieb es, wie es Hern Sauden gelungen war, ihn zu befriedigen. Kurz die Nachforschungen der Justiz ermittelte eine gänzlich zerrüttete Vermögenslage, die durch ein: beabsichtigte Heirath noch verivickelier wurde, und somit blieb mir nichts weiter übrig, als den Angeklagten verhaften zu lassen.
Ein düsteres Schweigen folgte diesen Auslassungen des Staatsanwalts, und Gerhard konnte nicht umhin, einen unruhigen Blick ans die Gesichter rings mnher zu richten, deren strenge Züge, wie es ihm schien, ihn mit Mißtrauen und Verachtung betrachteten. Dann wandte er sich zu seinem Bruder um, wie von ihm Trost und Ermunterung zu erlangen.
Ferdinand selbst schien unruhig, dennoch hatte er für seinen Bruder ein ermnihigendes Lächeln, dann wandte er sich, nm den verschiedenen Zeugenaussagen zu folgen, die sicd hauptsächlich um den Beweis drehten, ob Gerhardt verschuldet sei. Der Beweis siel zu seinen Gunsten ans; seine Gläubiger waren alle befriedigt worden, sobald sie nur eine Forderung erhoben hatten.
Es kamen nun die Entlastungszeugen, die sich über den sittlichen Eharakler des Angeklagten aussprachen, und da man ihm in dieser Beziehung hohes Lob ertheilte, so wmd die Stimmung ihm ivieder günstiger, und eine Berurtheilung schien nicht wahrscheinlich. Man hatte das Geld nicht bei ihm gesunden und es war nicht sestzustelle», welchen Gebrauch er davon gemacht haben sollte. Ferdinand hob besonders diese Seite bervor, und sein Vertrauen in die Unschuld seines Bruders, sein TUent, sein Herz verliehen ihm eine Beredtsamkeit, welche die Richter sowie die Zuhörer hinriß. Schon sah er eindn glücklichen Ausgang voraus, und ein paar in aller Eile hingeworsene Zeilen theilten seine Hoffnung Herminen und ihrer Mutter mit, als der Präsident die Sitzung schloß, nm den Prozeß am andern Tage zu Ende zu führen.
Nur zwei Personen behielten, trotz des günstigen Laufs, den die Verhandlungen nahmen, ein besorgtes und ernstes Aussehen. Es war Gerhard und der Präsident des Gerichtshofes. Dieser Letztere konnte trotz seiner Unparteilichkeit nicht verbergen, daß er gegen den Angeklagten eingenommen sei. Was Gerhard betraf, so wuchs die i nnere Aufregung, deren Beute er war, von Minute zu Minute. Er vermochte, trotz seiner angestrengten Willenskraft, nicht seiner Herr zu werden, und mit jeder Stunde ward sein Gesicht finsterer und entstellter. Dennoch verschmähte er es, sich krank zu melden, er gab an, daß er unter der Last der moralischen Tortur, der er ausgesetzt sei, fast erläge.
Der folgende Tag fand ihn noch bleicher, entstellter, als der vorige. Doch zeigte er mehr Festigkeit und Muth. Er beruhigte Ferdinand, als dieser erschreckt war bei dem Druck seiner in Fieberglnth brennenden Hand. Dann machte er sich fertig, die Anklage zu hören. Da der Staatsanwalt als Zeuge gegen Gerhard ausgetreten war, mußte er sich einen Vertreter geben lassen, der an seiner Stelle-als öffentlicher Ankläger auftrat. Dies war ein junger Jurist, den die sich ihm darbietende Gelegenheit, sein Talent za zeigen, ganz glücklich machte. Er sprach weitschweifig, schleppend, und obwohl er den Angeklagten ohne alle Schonung, ja selbst mit Plumpheit angriff. war der Eindruck seiner Rede doch eher günstig als ungünstig für diesen. Ferdinand widerlegte ihn mit einer Beredtsamkeit und einer Kraft der U-bcrzengung, er sprach mit einem Heuer und einer Gewandtheit, daß er allen seine Meinung von der Unschuld des Bruders gewissermaßen aufzmang. Selbst das gesunkene Auge Gerhard's zeigte einen Strahl seiner früheren Lebendigkeit.
Noch hallten die letzten Worte des Vertheidigers in den Herzen der Zuhörer nach, und die tiefe Stille im ganzen Saal bewies den Eindruck, den sie gemacht, als der Präsident des Gerichtshofes sich erhob und verkündigte, daß ein neuer Zwischenfall eingetretcn sei, welcher die Thatsacheu in einem sehr veränderten Lichte darstelle. Man habe auf der Post einen Brief mit Beschlag belegt, der an Herrn Sande» adressier sei.