so. Jahrgang.
Mo. 37.
Amt»- uiul Jatelkigenzbkatt für üea Aezirst.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einr'ickungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.
Donnerstag, äen 26. März 1885.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Kintcrdung zum Abonnement.
Wir bitten unsere bisherigen Abonnenten, höflich um Erneuerung ihrer Bestellungen sür das mit dem 1. April beginnende
vierteljährliche Abonnement.
Der vierteljährliche Abonnementpreis beträgt wie bisher sür die Stadt (ohne Trägerlohn) bei wöchentlich dreimaligem Erscheinen nur 90 Pfg., durch die Post bezogen samt Lieserungsgebühr im Bezirk Mk. 1. 15., sonst in ganz Württemberg Mk. 1. 35., Zu weiterer Beteiligung ladet freundlichst ein _ öie Weöcrktiorr. _
AnrMche Wekanntmachungen.
Calw.
Bekanntmachung, bete, die Viehanfnahmr pr. 3t. März M5.
Unter Hinweis auf Art. 3 und 4 des Ges. vom 20. März 188t (Reg. Bl. S. 189) und auf 14 der M.-Verfügung vom 23. März 1881 (Reg. Bl. S. 196) sowie auf die., im Staatsanzeiger Nr. 57 erschienene Mini- sterial-Verfügung vom 9. d. M. werden die Ortsvorsteher beauftragt, die örtlichen Einbringer (Gemeindepsleger) darauf hinzuweisen, daß die Aufnahme und Verzeichnung der Besitzer von Pferden, Esel, Maulthieren und Maulesel sowie ihres beitragspflichtigen Pferde- rc. Bestands nach dem Besitzstand vom 31. März d. I. zu erfolgen hat.
Die hiebei zu beobachtenden Vorschriften sind in der oberämtlichen Bekanntmachung vom 25. April 1881 (Wochenblatt Nr. 48) speziell angegeben, und finden nur die Abänderung, daß die dort gegebene Termine je um einen Monat vorzurücken sind.
Die Beiträge sind pr. 1885/86 auf 40 H von jedem Pferde und auf 10 H von jedem Esel, sowie von jedem Stück Rindvieh, festgesetzt worden.
Die Aufnahmeformularien sind den Ortsvorstehern heute zugegangen.
Den 24. März 1885. K. Oberamt.
F l a x l a n d.
Komische Wachvichten.
Deutsches Reich.
Berlin, 23. März. Reichstag. Präs. v. Wedell-Piesdorf teilt mit, daß das Reichstagspräsidium sich des Auftrags, dem Kaiser die ehrfurchtsvollsten Geburtstags-Glückwünsche des Hauses darzubringen, nicht habe entledigen können, da der Kaiser wegen Unwohlsein die Deputation nicht habe empfangen können. — Das Haus tritt in die dritte Beratung der Dampfervorlage ein. v. Jazdzewski verwahrt sich dagegen, er habe dem Reichskanzler nicht vorgeworfen, einen Satz aus dem stenograph. Protokoll
gestrichen zu haben. Staatssekretär v. Bötticher: Die Worte, die v. Jazdzewski bei der zweiten Lesung gesprochen, haben eine solche Deutung veranlassen müssen. G,r a d spricht für die ganze Regierungsvorlage. (Ein Antrag auf Wiederherstellung der afrikanischen Linie ist aber nicht gestellt.) Bamberg e r ist für Beschränkung auf die ostasiatische Linie; der Reichskanzler selbst habe sich damit zufrieden gegeben. Mache man hier gute Erfahrungen, so könne man immer noch weiter gehen. Er bleibe dabei, daß die Begeisterung für die Kolonialpolitik „Schützenfeststimmung" sei, auch glaube er nicht an die gnten Folge des Bergwerkunternehmens in Angra Pequenna, die Unternehmer werden schweres Lehrgeld dafür zahlen müssen, v. Helldorf namens der Konservativen und Wörmänn namens der Nationalliberalen treten für die Beibehaltung der Beschlüsse zweiter Lesung ein. (Wie es scheint, fürchtete man die Gefährdung auch der australischen Linie wenn der Versuch der Wiederherstellung der afrikanischen Linie gemacht worden wäre.) Virchow kommt wieder auf seine Ausführungen in zweiter Lesung zurück, daß Deutsche in den neuen Kolonien nicht leben können. Er apelliere an das Gewisien jedes einzelnen, ob man es verantworten könne, den Export deutscherMitbürger nach solchen Landstrichen zu befördern. Rintelen (Zentr.) will nur die ostasiatische Linie bewilligen, spricht jedoch nicht namens der ganzen Partei. Der Eventualantrag Richters, für den Fall der australischen Linie diese auf das Festland Australiens zu beschränken, wird mit 163 gegen 155 Stimmen abgelehnt. Der Antrag Richter, die australische Linie zu streichen, wird ebenfalls mit 166 gegen 152 Stimmen abgelehnt. Darauf wird die oft asiatische und die australische Linie samt derZweiglinie Triest-Brindisi- Alexandrien mit einer Gesamtsubventionssumme von 4,400,000 nach den Beschlüssen der zweiten Lesung angenommen. Dagegen: Die Freisinnigen, ein Teil des Zentrums, die Mehrzahl der Volkspartei, die Sozialdemokraten und die Polen. (Die Sozialdemokraten lehnten ab, weil der Antrag auf Beschränkung der australischen Linie auf das Festland gefallen war.)
Berlin, 22. März. Ueber einen Teil der Feier des Geburtstages des Kaisers wurde bereits telegraphisch berichtet. Leider mußte der Kaiser einer etwas heftigen Heiserkeit wegen, welche eingetreten war, es sich versagen, die Gratulation in der anfangs gedachten großen Ausdehnung entgegenzunehmen. — Nachdem derselbe jedoch am heutigen Morgen etwas
Feuilleton. ^ °^r»ck
Me Königin Louise
^ und ihre Schützlinge.
Historische Erzählung von Karl Prenzlau.
(Fortsetzung.)
»Jetzt geht es in's Gefängnis", dachte dieser, als der Wagen pfeilschnell von dannen rollte.
Dieser Ansicht war er auch noch, als der Wagen vor einem stattlichen Schlosse hielt, und er seinem Begleiter eine prächtige, mit herrlichen Stuckaturen besetzte Marmortreppe empor folgen mußte.
Als er jedoch einige Diener in der ihm bekannten preußischen Hoslivröe an sich vorübereilen sah, deutsche Laute an sein Ohr schlugen und er sich gleich darauf in einem mit den Bildern der Vorfahren des preußischen Regentenhauses geschmückten Salon sah, überkam ihn die Ahnung, daß er noch eine Fortsetzung des Verhörs zu gewärtigen habe und zwar auf Veranlassung des Königs Friedrich Wilhelm.
Der junge Mann sah sich allein in dem prächtigen mit einfacher Eleganz ausgestatteten Zimmer, und seine Beklemmung wurde auf einige Minuten von den mancherlei neuen Eindrücken zerstreut, welche sich hier seinem empfänglichen Geiste darboten. Er brauchte übrigens nicht lange zu warten. Die hohen Flügelthüren öffneten sich plötzlich, und eine hohe, schlanke, in schwarze Seide gekleidete Dame trat ein. Ein einziger Blick auf die edle vornehme Gestalt sagte dem Deserteur, daß er seiner Königin gegenüber stand.
Unwillkürlich beugte er das Knie.
Die wohlwollende Herrin winkte ablehnend und sagte: »Sie heißen Julius Humbert?"
»Zu dienen, Ihre Majestät! Julius Humbert ist mein Name."
„Ich habe Ihnen einen Gruß von Ihrer Mutter zu überbringen. Wissen Sie wohl, daß es sehr unrecht von Ihnen war, die alte Frau so lange auf eine Nachricht von Ihnen warten zu lassen?"
„O, Majestät!" versetzte der junge Mann schluchzend, „ich durfte nicht schreiben. Ein Brief hätte meinen Aufenthalt verraten. Ihre Majestät wissen vielleicht —"
„Ich weiß Alles", unterbrach ihn die Königin, „aber war diese Flucht in ein gänzlich unbekanntes Land nötig? Hatten Sie keinen Glauben zu uns ? Glaubten Sie, wir würden uns auf den einfachen Wunsch des fremden Kaisers hin zu einem ungerechten Urteile gegen Sie haben verleiten lassen?"
Der junge Mann senkte beschämt das Haupt. Er vermochte den ernst forschenden und doch gütigen Blick der hohen Frau nicht zu ertragen.
„Sie drückten Ihrer Handlung durch Ihre rasche Flucht den Stempel des Schuldbewußtseins auf" , fuhr Louise fort, „das war nicht gut. Sie machten sich und Andere unglücklich. Ich will nicht davon sprechen, wie unrecht es ist, in dieser schweren Zeit das Vaterland eines tapferen Kriegers zu berauben!"
„Majestät!" rief der Jüngling, und ein heißer Thränenstrom schoß aus seinen Augen, während er vor der gütigen Monarchin auf die Knie fiel, „ich bitte tausend Male um Verzeihung. Ich weiß nicht, welcher entsetzliche Dämon in jenem gräßlichen Augenblick meine Hand lenkte. Die Absicht, den franzö«