Sie hat uns alle, wie wir hier sind, ihre Reize und ihren Stolz fühlen lassen, fuhr der Redner nach einer Püuse fort, „und wir sind der Ansicht, das; sie dadurch uns und unserer Kunst eine schwere Kränkung angelhan hat, die nicht nngerächt bleiben soll. Wir haben uns daher entschlossen, dieser schnippischen, stolzen Dirne zu beweisen, daß sie nicht einmal zu der Ehre ausersehen und geboren ist, die Gattin eines Kupferstechers zu werden. Daher richte ich nun die Frage an dich, junger Mann, willst du es wagen, der Gatte einer reuenden Frau zu werden, zu deren Vollkommenheit nichts fehlt, als daß ihr Stolz gedemülhigt und ihre Eitelkeit bestraft wird?"'
„Ja, ich will's wagen!" rief ich, von der Aufregung des Augenblicks angesteckt. „Ich begreife, was ich für Sie thun soll, und will mir alle Mühe geben, meine Rolle zu spielen, daß Ihr Zögling Ihnen keine Schande machen soll!"
Die nächsten 3 Monate nach diesem seltsamen Auftritt waren ganz meiner Vorbereitung auf die Rolle gewidmet, welche ich spielen sollte. Unter dem Siegel eines möglichst strengen Geheimnisses ließen meine Verbündeten es sich sehr angelegen sein, mich aus einem einfachen Blasebalgflicker in einen schönen, feinen Eoel- mann zu verwandeln. Bäder, Schönheitsmittel, die Klüfte eines Haarkräuslers und andern Vorkehrungen gaben MeNer Person einen entsprechenden Grad von Verfeinerung; einige Lehrer besorgten meinen Unterricht und in den Abendstunden eines jeden Tages bemühten sich die Kupferstecher abwechselnd, mich in Musik, Zeichnen, Tanzen und andern geselligen Künsten zu unterweiset. Meine natürlichen Anlage», meine Lernbegierde, der Drang mich geltend zu machen und ein glückliches Gedächtniß sicherten diesen Bemühungen einen solchen Erfolg, daß meine Frdunde selbst über meine Fortschritte erstaunten. Ich meinerseits dachte an Nichts anderes, als mir diese Anfangsgründe einer besseren Erziehung möglichst rasch anzueiguen und konnte kaum die Zeit erwarten, wo ich meine Rolle antreten sollte. Allein die Zeit sollte noch kommen, wo ich mir zum ersten Male über die wahre Natur der Aufgabe klar werden sollte, die ich übernommen hatte. Die verbündeten Freunde hielten mich nämlich endlich meiner Rolle für gewachsen, und ich ward in der Eigenschaft eines reichen Marquis de Rouperou, des Besitzers großer Güter in der Douphinoe, im ersten Hotel der Stadl Lyon untergebracht. Unier diesen Titel stellte ich mich auch dem Gemäldehändler in der Nur St. Dominique vor, kaufte ihm einige Bilder ab, und stellte ihm noch weitere Käufe in Aussicht. Nachdem wir mehrmals in dieser Weise mit einander verkehrt hatten, ließ er mir eines Morgens sagen: er habe soeben eine prächtige Sammlung von Kupferstichen aus Rom erhalten und bitte mich bei ihm vorzusprechen und dieselben einzusehen. Dieser Einladung leistete ich auch Folge, ward aber nicht von ihm, sondern von seiner Tochter Aurora empfangen. Ich erblickte bei dem genannten Besuch das schöne Mädchen zum erstenmal in meinem Leben, und zum erstenmal verspürte auch mein ungestüm pochendes Herz die Macht der Schönheit. Eine neue Welt entfaltete sich vor meinen Augen, ich vergaß ganz meiner angenommene» Rolle und verliebte mich zum Sterben in das schöne Mädchen. Aurora bemerkte ihren Triumph und schien mit Wohlgefallen auf die unzusammenhängenden Geständnisse und Aeußerungen meiner Leidenschaft zu lauschen, die sich stammelnd meinen Lippen entrangen. Dieses erste Begegniß entschied mein Geschick für immer. Die Berauschung durch den Umgang mit ihr trieb mich unaufhaltsam vorwärts, machte mich für alles Andere blind. Monate lang besuchte, sprach ich Aurora jeden Tag, und genoß eines unsäglichen Glückes, das nur durch die Selbstanklagen und Gewissensbisse meiner einsamen Stunden und durch die Nolhwendigkeit gedämpft wurde, daß ich alle paar Tage meine Brodherrn, die Kupferstecher, besuchen mußte, die mich mit Geld, Juwelen und allen andern Erfordernissen versahen. Endlich gab Aurora's Vater ein glänzendes Familienfest auf dem Lande, dessen Held ofseubar ich war, und auf demselben erschien der Augenblick, wo ich — Alles Andere »ußer meiner Liebe vergessend — mich als Freier Aurora zu Füßen warf nnd sie um Herz und Hand bat. Sie hörte mich mit bescheidener Würde an, eine Freuden- thräne blinkte eine Weile in ihrem stolzen Auge und bewies mir, daß Stolz nicht das einzige Gefühl sei, das ihr Herz bewegte — ja, ich ward inne, daß ich geliebt war.
Ich war zwar allerdings ein Betrüger, allein der Himmel ist mein Zeuge, daß ich das schöne Kind nicht ohne die stärksten Gewissensbisse täuschte. Bei ihrem Anblick dachte ich nur au sie; allein daheim in der Einsamkeit oder in den stillen Stunden der Nacht schwanden Sophisterei und Leidenschaft und ließen mich in eme schreckliche Zukunft blicken. Wenn ich an Aurora dachte und an das ärmliche Loos, das ihr demnächst zufallcn sollte, wenn ich inir vergegenwärtigte, daß ihre zarte, weiße Hand demnächst selbst die derbsten Speisen bereiten oder die elende, schmutzige Hütte scheuern sollte, dann bebte ich voll Entsetzen zurück ober sprang in kaltem Angstschweiß aus dem Bette. Aber Eitelkeit und Eigenliebe kamen mir zu Hilfe und ich bildete mir ein, wenn sie mich wirklich liebe, könne sie dennoch glücklich sein. Ich gelobte mir, mein ganzes Leben daran zu setzen, um ihr den Lebenspfad mit Blumen zu bestreuen. Allein trotz all' dieser Sophismen peinigten mich doch Furcht und Selbstauklagen fortwährend und oergälllen alle meine Hoffnungen. Aurora's Vater vertraute mir unbedingt und glaubte mir jedes Wort betreffs meiner Rittergüter in der Provinz, zumal als ich ausdrücklich darauf drang, daß kein HeSer von Aurora's Mitgift anders als zu ihren Gunsten angelegt werden solle. So wollte ich mich wenigstens an ihrem Vermögen nicht versündigen.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— (Schützet die Vögel!) Der Thüringer Thierschutzverein bringt folgende Ermahnung: „Lieber Landmann! Dein Junge nimmt aus Langeweile ein Vogelnest, Grasmücken- Spatzen-, Rothschwanznest oder ein anderes, gleichviel von welchem der obengenannten Vögelchen, sei cs mit Eiern oder mit Jungen aus. Jedes dieser Jungen braucht täglich im Durchschnitt etwa 50 Siück Raupen und anderes Geschmeiß zur Aetzung, die ihm die Alten aus der Nachbarschaft zutragen; macht täglich 250 Stück. Die Aetzung dauert durchschnittlich 4—5 Wochen, wir wollen sagen 30 Tage; macht für das Nest 7500 Stück. Jede Raupe frißt täglich ihr eigenes Gewicht an Blättern nnd Blüthen. Gefetzt, sie braucht, bis sie ausgefresscn hat, auch 30 Tage und frißt täglich nur eine Blüthe, die eine Frucht abgegeben hätte, so frißt sie in 30 Tagen 30 Obstfrüchte in der Blüthe und die 7500 Raupen in Compagnie 225,000 Stück solcher Blüthen. Hätte dein Junge das Vogelnest in Ruhe gelassen, so hättest du und deine Nachbarn um 22,000 SlückÄepfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen rc. mehr geerntet. Wenn jedoch die Raupe, wie sie es manchmal aus Liebhaberei thut, 10, 20, 30 Blüthen des Tages frißt oder wenn wegen des abgesressenen Laubes die Blüthen keine Nahrung mehr haben und welk absallen, so beziffert sich dein und deiner Nachbarn Verlust noch viel höher, du kannst dann leicht berechnen, was ein Vogelnest für einen Werth hat."
— (Verwendung der Roßkastanien.) Die Blüthe dieses Baumes hat „eine wunderbare Kraft in ihrer Blüthe, den Rhenmatismus zu heilen". Man pflügt die Blüthe, wenn sie eben in chrer ersten Schönheit ist, zupft' sie vom Stiel, stopft sie in eine Flasche und gießt darauf OOgradigen Spiritus. Dann läßt man sie 6 Wochen im Schallen stehen, gießt dann die Flüssigkeit ab und hat dadurch ein Mittel zum Einreiben, was alle rheumatischen Schmerzen sehr schnell beseitigt.
— Melken der Erstlingskühe. Es ist von großer Wichtigkeit, die Erstlingskühe nach dem ersten Kalben so lange als möglich fort zu melken, da cs durch Erfahrung feststeht, daß die Kühe stets um dieselbe Zeit aufhören, Milch zu geben, in der man sie das erste Mal trocken oder für sich stehen läßt. Wenn man z. B. eine Kuh, die nach dem ersten Kalben trächtig wird, im fünften Monat trocken stehen läßt, so wird bei allen folgenden Kälbern, wenn nicht früher, doch zur selben Zeit bei ihr die Milch versiegen. Man soll deßhalb eine Erstlingskuh, selbst wenn sie nur wenig Milch geben sollte, wenigstens bis zu 8'/, Monat fortmelken, sie aber dabei möglichst reichlich und gut füttern.
Auflösung des Räthsels in Rr. 53: M u s i k n o t e n.
Amtliche nnd Privat-Bekanntmachungen.
H a i t e r b a ch,
Oberamts Nagold.
Lang- <L Klotzholz-Verkauf.
Die hiesige Stadt- gemeinde verkauft Freitag den 16. d. M'., Vormittags 10 Uhr, 489 Stück Langholz mit
106 Stück Sägklötze, mit 53,23 Festmeter,
wozu Liebhaber auf das hiesige Rathhaus eingeladen werden.
Das Holz ist schon gefällt nnd kann auf Verlangen jeden Tag vorgezeigt werden.
Den 11. Mai 1873.
Gemeinderath.
Aufgebot eines Pfandscheins.
Adam Schaible, Taglöhner in Euzthal, O.A. Nagold, nahm im Jahr 1846 bei der Stiftungspflege zu Simmersfeld ein
zu 4^,7 o,o verzinsliches Anlehen von 500 fl. aus, und verpfändete zur Sicherheit der Darleiherin unterm 30. Juni 1846, mit erstem Recht ein Haus und verschiedene Güterstücke im Gesammt-Anschlag von 1000 f!., worüber ein Pfandschein ausgestellt, und der Pfand-Gläubigerin zugsfertigt wurde.
Die Schuld wurde im Jahr 1866 heim- bezahlt, und soll nun die Verpfändung gelöscht werden; es ist jedoch der gedachte Pfandschein verloren gegangen, weßhalb