obere Nagoldthal, bezüglich ihres Unterbaues, d. h. bezüglich der Bildung der Bahukroueni, der Anlegung von Einschnitten, Via- ducten, Dämmen, Tunnels, Bahnüberbrückungen und dergl, gehörig untersucht werden; denn es ist, wie die Sachverständigen zugeben werden, gerade dieser Thcil des Bahnbaus, welcher ganz besonders in Betracht kommt, wenn es sich davon handelt, 2 in Frage stehenden Bahnlinien bezüglich ihrer technischen Schwierigkeiten, Eortheile und Nachiheile zu untersuchen. Ich werde mir daher erlauben und zwar theilweise im Anschluß an das von einer am lOten vorigen Monats in Altenstaig stattgehabten Eisenbahnoer- sammlung an die Ständcversammlung gestellte und in Ihre Hände gelangte Petitum, eine gewiß gerechte und billige, mehr prophylaktische Bitte zu stellen, »cmlich zu beantragen, den Art. 2 so zu fassen:
1) Ferner wird von Stuttgart ans eine direkte Eisenbahn über Böblingen und Hcrrenberg nach Eutingen vorerst hergestellt werden.
2) Zugleich an die königliche Regierung die Bitte zu richte», die Linie Nagold-Altenstaig-Freudenstadt durch das obere Nagoldthal, bezüglich ihres Baues und ihres Betriebs nach der technischen und finanziellen Seite hi», im Vergleich mit der Linie Eutingen-Frcndenstadl alsbald untersuchen zu lassen und sodann den Ständen weitere Vorlage zu machen.
Meine Herrn! ich glaube, Sie können dieser Bitte und die- dem Anträge unbedingt znstimmen, ohne irgendwie die Interessen des Bezirks Freudenstadts zu gefährden. Es handelt sich ja nicht darum, dem Bezirke Freuvenstadt eine Eisenbahnlinie zu entziehen, während es sich andererseits darum handelt, den im Bereiche des oberen Nagoldihals gelegenen Bezirken eine Eisenbahn nicht zukommen zu lassen.
Meine Herrn! es ist ja auch nicht an dem, daß die Linie Entingcn-Freadenstadt alsbald in Angriff genommen werden soll; bis wir dahin kommen, daß die Mittel zur Ausführung dieses Baues genehmigt werden sollen, werden wir auch die Resultate einer Untersuchung der Linie Nagold-Altenstaig-Frenbenstadt vor uns haben, und dann sind wir in der Lage, die vortheilhastere und zweckmäßigere Linie zu beschließen. Meine Herrn! seien Sie überzeugt, daß, wenn das Ergebmß dieser Untersuchung dahin führt, daß die Linie Nagold-Ällenstaig-Freudenstadt bedeutende Schwierigkeiten bietet und unverhältnißmäßige Kosten verursacht, ich der Erste sein werde, welcher sich für die zweckmäßigere und billigere Bahn entscheidet.
Meine Herrn! Denken Sic an das warme Interesse für die industriellen Interessen der verschiedenen Landestheile, von dem gesprochen wurde in der Generaldebatte; meine Herrn, messen Sie mit dem Maße, mit dem Sie bis jetzt gemessen haben und legen Sie den Maßstab der Gerechtigkeit, welchen Sie bis jetzt an den Gesetzes Entwurf angelegt haben, auch an die vorliegende Frage an.
Tages-Neuigkeiten.
Stuttgart, 18. Dez. In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten legte der Minister des Auswärtigen mittelst Note den Staatsvcrtrag zwischen Württemberg und Bayern über den Bau einer EiMbahn von Heidenheim nach Ulm, theilweise über bayerisches Gebiet, zur Kenntnißnahme und zur verfassungsmäßigen Zustimmung vor. Dabei wurde der Wunsch baldiger Erledigung ausgesprochen. Der Bau dieser Bahn soll sehr rasch in Angriff genommen werden, sobald die Pläne, die aus Grund des neuen Staat-Vertrags ausgearbeilet werden, fertig sind. Ja, es soll mit einem Stück bei Heidenheim, das für jeden Fall gleich bleibt, sofort begonnen werden. In der gestrigen Sitzung wurden auch zwei Interpellationen eingebracht, die eine an den Minister des Innern, die andere an den Finanzminister. Die erste bezieht sich ans eine Maßregel, welche von der Opposition bereits in öffentlichen Blättern zur Sprache gebracht worden, und lautet: „Im Sommer d. I., mitten in der Ernte, sind die Pferdebesitzer des Landes durch die k. Oberämter unter Berufung auf eine Ministerialverfngnng aufgefordert worden, ihre Pferde von und bis zu einem gewissen Alter in die jeweilige Oberamtsstadt zur Musterung durch eine Militär-Commission vorzuführen. 1) Auf welches Recht stützt sich diese mit nicht unerheblicher Belastung der betheiligten Staatsbürger erlassene Aufforderung? 2) Ist die k. Regierung gemeint, den betreffenden Pferdebesitzern eine Entschädigung für gehabte Auslagen zu gewähren?" Die andere Interpellation des Abg. Hohl von Geißlingen erinnert an die schon seit lange von dem Finanzminister in Aussicht gestellte Vorlegung eines Bergbau-Gesetzes, die noch immer nicht erfolgt, und wünscht zu wissen, ob und wann sie zu erwarten, da es wieder ganz stille davon geworden.
Stuttgart, 20. Dez Die Abgeordnetenkammer hat sich heute bis zum 3. Januar n. I. vertagt.
In Landshnt starb der bayerische Oberstlieutenant v. Pode- wils, der Erfinder des nach ihm benannten Gewehres.
Berlin, 20. Dez. Genaueren Nachrichten zufolge verhal
ten sich Bayern und Württemberg keineswegs principiell ablehnend gegen die Errichtung eines Rei chs-gcrichts Hofes, aber ihre Vorschläge sollen nicht annehmbar erscheinen. Die Frage bleibt weiteren Verhandlungen Vorbehalten. Die Besprechungen sind vorläufig geschlossen.
Von einem Herrenhaus-Mitgliede erfahren wir, daß dem Könige die Generale v. Stiehle, v. Podbielski und v. Kameke zu Nachfolgern Roon's in Vorschlag gebracht worden, daß er jedoch geantwortet, ec wolle bis zu seinem Lebensende sich nicht des Nathes seines bewährten Krieqsministers entschlagen.
Man hat jetzt cingesehen, daß die Stnrmflnih an den Ostseeküsten nicht so furchtbare Verheerungen hätte anrichten können, wenn die Küsten nicht so arg entwaldet worden wären. Die Küstenwülder sind die stärkste Schutzmauer gegen das Meer. Es soll nun mit aller Energie Hand angelegt und diese Wälder wieder hergestellt melden.
Aus dem Dorfe Poll fuhren in diesen Tagen im Morgengrauen 18 Frauen und 3 Männer ans einem Nachen über den Rhein nach Cöln, um Milch zu verkaufen. Der Nachen kam einem Dampfer zu nahe, schlug um und sümmtliche Leute kamen in den Fluthen uni.
In Salzburg, der Vaterstadt Mozarts, hat sich ein Counts gebildet, um Beiträge zu einer Mozacistiftung zu sammeln. Es sollen aus dieser Stiftung ältere und jüngere Tondichter und Tonkünstler unterstützt werden.
In keinem Lande macht die allkatholische Bewegung so schnelle Fortschritte, als in der Schweiz. Größere und kleine Gemeinden wie Solothurn, Aarau, Olten und Olsberg verwerfen das Dogma von dem unfehlbaren Papst, behalten ihre Kirchen und ihre Pfarrer und kehren sich nicht daran, wenn auch der Papst mit Bann und Interdikt droht.
Die Engländer läßt der Ruhm der deutschen Nordpolexpe- dilionen nicht schlafen und die englischen geographischen Gesellschaften drängen das Ministerium ernstlich, Geld herzugeben, damit sie sich auch an dieser wissenschaftlichen Konkurrenz belheiligen können. Ein solcher wissenschaftlicher Neid verdient alle Anerkennung.
Schuyler Colfax, Vizepräsident der Ver. Staaten, wird seinen Posten anfgeben, um Redakteur der Newyork Tribüne zu werden. Das ist wohl der größte Triumph, den die Presse noch errungen hat. daß nämlich ein Mann die Vize-Präsidentschaft der größten Republik der Welt und einer der Großmächte auf- giebt, um Redactcnr eines Blattes zu werden. Was für ein Aufsehen würde es in unseren europäischen Staaten erregen, wenn es eines Tages hieße, der Kronprinz von T. ist Redakteur einer täglich erscheinenden Zeitung geworden!
Lebensschicksale eines Candidalen der Theologie.
(Schluß.)
IX.
. und willst du die Meine werden, „L>o will ich dich tragen mit starkem Arm „Auf des Lebens dornigen Pfaden."
Der nächste Tag verging in Abstattung und Empfangnahme von Besuchen. Olearius wurde dabei von Personen heimgesucht, die er sonst kaum dem Namen nach gekannt, und die es früher oftmals kaum der Mühe werth gehalten, den höflichen Gruß des armen Kandidaten zu erwidern. Jetzt freilich war das anders, denn jetzt hatte man ja nicht mehr den unbedeutenden Magister, sondern den Hofprediger des Königs von Preußen, und wie man sich zuraunte, den erklärten Liebling desselben vor sich.
Froh als es dunkel geworden und der lästige Schwarm der aufdringlichen Bekannten und Unbekannten sich entfernten, begab er sich zu Agathen, um im süßen Geplauder mit ihr den Abend zu verbringen.
Als er das trauliche Hinterstübchen betrat, erinnerte sich plötzlich Frau Silbermeier, daß sie noch einen wichtigen Gang zu machen habe, setzte ihre alterthümliche hohe Haube auf und verließ, „gute Unterhaltung" wünschend, mit schlauem gutmüthigem Lächeln die Stube.
Verlegen saßen sich die beiden Zurückgebliebenen gegenüber. Jedes suchte nach Worten, um eine Unterhaltung einznleiten, doch es wurde kein Laut hörbar. Agathe strich schon zum hundertsten Male'die srisch gebügelte Schürze glatt. Endlich ermannte sich der Hofprediger und indem er auf eine feine Stickerei deutete, fragte er: „Das haben wohl Sie gemacht, Fräulein Agathe? Ach es ist so wunderhübsch."
Betroffen blickte das Mädchen auf. Es war das erste Mal, daß Olearius „Sie" zu ihr gesagt hatte. Bläffe und Röthe wechselten in ihrem Gesichte, ihre Brust hob sich krampfhaft und wie gebannt und geistesabwesend starrten ihre Augen den ans's heftigste erschrockenen jungen Mann an. Plötzlich aber schien ihr das Bewußtsein wiederzukchren, ein krampfhaftes schmerzliches Schluchzen entrang sich ihrer Brust und das Köpfchen in die zarten Hände bergend, brach sic in bitterliches Weinen aus. Jetzt hielt es Olearius nicht mehr länger aus und umfaßte die Lieb,