60. Jahrgang.

Wro. 14.

Amts- um! Jatelllgenzblatt für äen Aezirfl.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

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§am8tag, äen 31. Januar 1885.

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M Februar 8: März ladet Jedermann m Stadt nnd Fand

M Februar 8: März ladet Jedermann ln Stadt nnd Fand freundlichst ein

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'Dotrtifche WcrchvrchLerr.

Deutsches Reich.

Die Dampferkommission setzte gestern ihre Beratungen fort. Abg. Bamberger ist ausgeschieden, angeblich aus Gesundheitsrücksichten. An seine Stelle tritt Dirichlet. Die Sozialdemokraten beantragen, daß Reichs­tagsmitglieder bei Verlust ihres Mandats nicht an den subv. Dampferunter­nehmungen beteiligt sein dürfen. Woermann: Es sei bedauerlich, daß einzelne Regierungsvertreter die Leistungsfähigkeit der deutschen Wersten in Zweifel gezogen haben. Brömel: Man möge zum Schutz der deutschen Wersten festsetzen, daß ohne Genehmigung Her Regierung kein neuer Dampfer im Auslande gebaut werden dürfe. Staarssekrelär Stephan: Den deutschen Werften dürfte nicht ein Freibrief ausgestellt werden; ihre Leistungs­fähigkeit erhalte sich nur durch die Konkurrenz. Der Beschluß wird ausge­setzt. Die Debatte geht auf die Frage der Fahrgeschwindigkeit über. Brömel verlangt 13 Knoten. Stephan erklärt dies für einen Luxus, ebenso Wörmann und Meyer. Die Kommission beschließt die Festsetzung eines Minimums von 11'/e Knoten.

Aus Dresden wird derGermania" geschrieben, daß die dortige Sicherheitsbehörde eine Massenausweisung von Czechen vorbereite, weil dieselben im Verdacht stehen, nihilistische und sozialdemokratische Propaganda zu pflegen. Die Czechen bilden die Mehrzahl der in Dresden gegen 14,000 zählenden Katholiken und gehören den ärmeren arbeitenden Klassen an. Be­stätigung bleibt abzuwarten.

Die Nat.Z. schreibt: Von den Asylländern für das anarchi- stische Treiben hat die Schweiz in richtiger Würdigung der Umstände 'bereits eine energische Säuberung ihres Bodens in's Werk gesetzt. Die Ver. St. von Nordamerika dagegen gestatten den Feniern, Nihilisten und

Anarchisten noch heute eine schrankenlose Freiheit, soweit das Ausland in Betracht kommt. Es befinden sich dort geradezu die öffentlich bekannten und unbeanstandet geduldeten Zentralbureaus der organi­sierten Mördersekten. Jetzt nach den neuesten Schandthaten der­selben scheint auch dort eine Aenderung eintreten zu sollen, und es ist die höchste Zeit zu einer solchen. Wenn die Amerikaner behaupten, Aus­nahmegesetze gegen die Mörderbunde stehen im Widerspruche mit dem Geiste ihrer Verfassung, enthalten eine Verletzung der Menschenrechte, bedrohen die Freiheit, so ist dies lediglich Heuchelei, und man braucht diese Vertreter der Menschenrechte nur auf die Ausnahmegesetze wider die Einwanderung der Chinesen zu verweisen, mit denen man flugs bei der Hand war, als deren Konkurrenz unbequem wurde. Erwartet Amerika von Europa die Achtung der Monroe-Doktrin, so kann auch dieses von der maßgebenden Republik in jenem Erdteile erwarten, daß sie sich nicht zum Hauptquartier für Mordge­sellen hergibt, welche von dort aus gegen die staatlichen Einrichtungen in Europa einen systematischen Krieg mit teuflischen Mitteln führen und hier die den Amerikanern angeblich so heilige bürgerliche Freiheit durch die Nö­tigung zu Ausnahmemaßregeln mehr und mehr bedrohen. Schon im Interesse dieser Freiheit müßte die transatlantische Republik das Ihrige thun, um den Mördern das Handwerk zu legen.

England.

Ueber die Dynamit-Explosionen in London ist noch kein Licht verbreitet. Man nimmt an, daß die Patronen von Frauen eingeschmuggelt worden seien. Es war ein Glück, daß die Explosion in Westminster Abtei vor der im Unterhaus erfolgten stattfand. Es waren zu dieser Zeit viele Menschen im Unterhaus, die auf den Knall der Explosion nach Westminster zu eilten. Im Unterhaus sieht es aus, als wenn es einem Bombardement ausgesetzt gewesen. Der Fußboden ist geöffnet, achtzöllige Eisenbalken wurden herausgerissen und fortgeschleudert, der Schmuck der Wände und die Glasdecke sind zertrümmert. Die Sitze sind durcheinander­geworfen, Gladstones Sitz ist vollständig zerstört, fast ebenso der Sitz des Präsidenten.

Gages-Weuigkerten.

Stuttgart, 25. Jan. Die aus Nizza einlaufenden Nachrichten über das Befinden Ihrer Majestäten des Königs und der Königin lauten fortwährend höchst befriedigend. , Das kühle und stürmische Wetter, das vor kurzem eingetreten war und das an der ganzen Riviera,

JeuiLLetorr.

Jer Hol-rrhof.

Eine Geschichte aus dem Volksleben von August Butsche r.

(Unbefugter Nachdruck wird gerichtlich verfolgt.)

(Fortsetzung.)

Es war sinkender Abend geworden, und eben hatte die Angelusglocke in Mühlenthal das Ende des Abendgottesdienstes angezeigt, der alle Tage vomgroßen" bis zumkleinen" Fronleichnamstage abgehalten wurde. Die Kirchgänger zerstreuten sich allmählig. Drinnen in der freundlichen Kirche aber verweilten noch die langsam zerfließenden Weihrauchwolken, die wie Schleier von den aufgestelltenMaien" fielen, und in die der letzte Sonnenstrahl durch die zwei gemalten Fenster des Chores drang. Es war so stillfeierlich, so himmelschön, wie in einem frommen, weltfernen Herzen, in dem ein unvergänglicher Stern erwacht ist, den hier vielleichtdas ewige Licht" sinnbildete, das einsam vor dem Hochaltars lebte und treue Wache hielt vor dem Allerheiligsten.

Auf dem Friedhofe, der sich um die Kirche zog, standen noch drei Mädchen in halblautem Gespräch und folgten mit den Augen vom Hügel aus der scheidenden Sonne. Es waren die Tochter des Domänenrats, die lieblich ernste Marie, die zierliche aber tieftraurige Hellergreth und Bertha, die erbleichendeRose vom Holderhof."

Was sie früher vielleicht getrennt hatte, war untergegangen in dem großen Leide, das auf Alle seine Schleier warf, und sie hatten sich wieder ganz gefunden und redeten eben von dem, was ihre Herzen bedrückte, wenn sie auch nicht Alles sagten.

Aus der Kirche trat jetzt Born, der auf dem Chore noch verweilt hatte und in dessen Händen die Orgelschlüffel leise klirrten. Er wollte mit einem halblauten Gruße vorüber, aber Marie, die ihre frühere Energie

wieder gefunden hatte, hielt ihn auf und zog ihn in das Gespräch, das sich natürlich um die Ereignisse im Holderhofe drehte.

Sie hatte vielleicht noch eine geheime Absicht dabei, die für uns übri­gens nicht unschwer zu erraten ist.

Born's und Bertha's seltsames Entfremden war ihr ein unlösbares Räthsel, und wo wäre ein Frauenherz, das nicht der Lösung von Räthseln nachgesonnen hätte, besonders wenn es sich um den Mittelpunkt seines Lebens, um die Liebe, handelte? Auch war ihr die Werbung des Barons um Bertha's Hand nicht unbekannt geblieben, und das mar ihr doch ein Dorn­stich gewesen. Freilich hatte die endlich voll erwachte Neigung zu Heribert ihr früher aus kindischer Eitelkeit entsprungenes Gefühl für den Baron zu Asche verbrannt, aber oft glühen unter der Asche noch Funken, die nur langsam verglimmen. Marie knüpfte also mit Vorn ein Gespräch an, in das sie mit der ihr besonders eigenen Zartheit gewisse Andeutungen ein­fließen ließ, die zwar wohl verstanden, aber doch ignorirt wurden. Eifrig beteiligte sich auch die Hellergreth an dem Gespräche. Bertha ließ nur ad und zu ein schüchternes Wort verlauten sie war in unsäglicher Verwirrung

Sie standen etwas seitlich von der Hauptthüre und überhörten die leisen Schritte eines Mannes, welcher in die dämmerige Kirche ging.

Aber bald zog ein lautes Stöhnen ihre Aufmerksamkeit auf sich, und die Hellergreth war die Erste, die unter die Thüre trat und hineinsah. Die Anderen folgten ihr und sahen erstaunt auf eine Mannesgestali, die an den Stufen des Hochaltares kniete und auf die das ewige Licht zuweilen einen unsicheren Strahl warf. Der Fremde betete halblaut, und schwere Seufzer schwellten seine Brust. Zuweilen erhob er seine Arme zum Bilde der Kater «lolorosa" auf dem Altäre.

Lange kniete er so, bis er sich langsamen und schwankenden Schrittes wieder der Thüre zuwandte. Er war barhaupt, und dunkle, krause Haare