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der Ausdehnung und Wichtigkeit der dort unter deutsche Schutzherrschaft ge­stellten Gebiete die Einsetzung eines Gouverneurs in Aussicht genommen, welcher als kaiserlicher Ober-Kommissar und General-Konsul für den ganzen Golf von Guinea zu fungieren haben wird. Demselben ist zur Ausübung -er Gerichtsbarkeit ein juristisch gebildeter Kanzler beizugeben. In Togo und Angra Pequena dürfte vorläufig die Anstellung eines Kommissars, der auch die richterlichen Geschäfte wahrzunehmen haben wird, ausreichend er­scheinen.

Berlin, 24. Jan. Der preußischeStaatsanzeiger" veröffentlicht eine unterm 13. d. zwischen der preußischen und der russischen Regierung abgeschlossene und an diesem Tage in Kraft getretene Uebereinkunft, worin dieselben sich gegenseitig verpflichten. Unterthanen auszuliefern, welche wegen nachfolgenden Verbrechen und Vergehen verfolgt werden: 1) wegen Ver­brechen, Vergehen und Vorbereitungen dazu gegen die Person des deutschen und des russischen Kaisers und deren Familienglieder wie Mord, Gewalt- thätigkeit, Körperbeschädigung, absichtliche Entziehung der individuellen Frei­heit und Beleidigung; 2) Mord und Mordversuch; 3) Anfertigung und Aufbewahrung von Sprengstoffen, wo solches in Preußen und Rußland ge­setzlich untersagt ist. Wenn die Verbrechen und Vergehen, derentwegen die Auslieferung verlangt wird, zu politischen Zwecken vollführt sind, soll dies keine Veranlassung zur Ablehnung der Auslieferung sein. Der russische Negierungsanzeiger" veröffentlicht die Uebereinkunft gleichzeitig. Das Journal de St. Petersbourg" spricht die Ueberzeugung aus, der deutsche Reichstag werde der Ausdehnung der Uebereinkunft auf ganz Deutschland zustimmen, und hofft, dieselbe werde auch von den andern europäischen Staaten im Interesse der Solidarität aller Monarchien und der gesammten Gesellschaft gegen Unternehmungen einer zügellosen Verbrechergruppe als Beispiel befolgt werden.

Von einem neuen Dynamit-Attentate oder vielmehr von drei verschiedenen, aber gleichzeitig ausgesührten Attentaten in London brachte gestern Abend der Telegraph Kunde. Die Explosionen fanden im Parlamentsgebäude, in Westminsterhall und im Tower statt und hatten außer bedeutenden Sachbeschädigungen leider auch eine Anzahl von teils schweren Verwundungen von Personen zur Folge. Nur einer Reihe von Zufälligkeiten ist es zu danken, daß das Unheil nicht größere Dimensionen annahm. Nach der Art, der Zeit und den Orten der Attentate ist, soweit man cs im Augenblicke zu beurtheilen vermag, ein spezieller Zweck derselben kaum aufzufinden und so dürste dann wohl die Annahme gerechtfertigt sein, daß dieselben nur in der allgemeinen Absicht verübt wurden, Schrecken und Furcht vor weiteren Gewaltthaten zu erregen.

Hcrges-Werrigkeiterr.

-st Jubiläumsfeier. Dem Herrn Schullehrer Buck von Emberg zu Ehren, welcher am 24. Januar sein 30jähriges Amtsjubiläum begieng, hatte sich auf Anregung seines Ortsvorstandes eine ansehnliche Versammlung in Teinach im Gasthof zum kühlen Brunnen eingefunden. Hiebei muß als bemerkenswert hervorgehoben werden, daß der Jubilar 30 Jahre lang un­unterbrochen in derselben Gemeinde wirkte. Dieses Verdienst wurde durch eine Ansprache an den geschätzten Lehrer mit beredten Worten hervor­gehoben und insbesondere betont, daß das Resultat seiner Erziehung und seiner Lehren in der Gemeinde selbst so gute Früchte getragen habe. Sinnige Gedichte mit den von Lehrern vorgetragenen Gesängen erweckten bei der Festversammlung eine gemütliche, herzliche Stimmung, so daß es wohl Mitter­nacht wurde bis sich die letzten Gäste auf den Heimweg machten.

Als Ausdruck der dankbaren Gefühle der Gemeinde Einbergs wurde dem Jubilar als Angebinde von ihrem Ortsvorstande ein prachtvoller Lorbeer­kranz mit sinnreicher Devise überbracht.

Der zu solchen Veranlassungen ganz geeignete Saal des Gasthofs zum kühlen Brunnen war hübsch dekorirt und hatte auch der gute Stoff bei freundlicher Bedienung die Gäste bis zum Schluß des Festes in animirteste Stimmung versetzt.p.

Stuttgart, 19. Jan. (Landgericht.) Am Freitag stand vor der I. Strafkammer der 20jährige ledige Bauer Weiß von Rieden­berg, OA. Stuttgart, wegen schwerer Körperverletzung, die den Verlust des linken Auges seitens des Verletzten, Burkhardt, Soldat im I. württ. Gren.-Regiment Königin Olga, zur Folge hatte. Am 7. Sept. abends gegen 7 Uhr kam es zwischen 3 Soldaten des genannten Regiments, worunter Burkhardt, einerseits und dem Augeklagten mit 5 Genoffen, sämtlich von Riedenberg, andererseits, beim Dorfe Heumaden zu einer Schlägerei. Weiß, der einem der Soldaten das Seitengewehr entrissen hatte, wurde von Burk­hardt und einem andern verfolgt. Plötzlich kamen diese beiden ins Gedränge, es regnete Stockschläge und Säbelhiebe; Burkhardt erhielt einen Säbelhieb von Weiß an die rechte Wange, er kam auf die Kniee zu liegen und in dieser Stellung erhielt er den Stich oder Schlag ins linke Auge, das zerstört ward. Auf die Aussage zweier Zeugen wurde die Anklage auf schwere Körperverletzung gegen Weiß erhoben. Die Hauptverhandlung ließ die Sache so zweifelhaft erscheinen und 6 unbeeidigte Zeugen widersprachen sich so sehr, daß der Beweis der Schuld des Angeklagten nicht als erbracht angesehen werden konnte und ihn das Gericht freisprach.

Stuttgart, 24. Jan. Gestern (Freitag) Abend fand von 69 Uhr ein Eisfest mit Musik und Feuerwerk auf dem Feuersee statt, bei welchem die Bahn und die Johanniskirche durch einen Reflektor von W. Reiser elek­trisch beleuchtet war. Das Fest verlief prächtig nicht bloß für die zahllosen Fahrenden, sondern gewährte auch einen glänzenden Anblick für die Hunderte von Zuschauern am Ufer. Ein ähnliches Fest wird auf dem Neckar in Cannstatt geplant.

Aus den Verkehrsanstalten, 21. Jan. Mit Beginn dieses Monats wurde den Frauen der Stationsbeamten auf Nebenstationen die

Erlaubnis eingeräumt, 2 mal im Monat die Bahn bis zur nächsten Stadt frei benützen zu dürfen, um Bedürfnisse für die Familie einkaufen zu können. Manche Lebensmittel mußten bisher durch die Bötin aus der Stadt, natürlich gegen Vergütung, besorgt werden, so daß auf diesem Wege z. B. ein Pfund Fleisch immer um 23 H teurer zu stehen und überdies im Korb der Bötin oft noch neben eine Flascke gut riechendes Erdöl auf dem Heimweg zu liegen kam. Für den Besuch einer besseren Schule solcher Beamtenkinder wurde schon vor Jahren eine abermalige Ermäßigung eingeführt, wie denn überhaupt die Verwaltung sichtlich den erkennenswerten guten Willen bekundet, auch dieser Klaffe von Beamten ihren schweren und aufreibenden Lebensberuf nach Möglichkeit zu erleichtern. ..

Frankfurt, 23. Jan. Die hiesige ^Polizei glaubt in dem bei Mannheim verhafteten Manne, der gestern hierher gebracht worden ist, wenn nicht den Mörder Rumpffs, so doch einen Helfershelfer desselben ergriffen zu haben. Sie soll ferner bestimmte Anhaltspunkte dafür besitzen, daß 3 Personen an dem Morde beteiligt seien.

Berlin, 23. Jan. Der Magistrat setzte eine Subkommission von 9 Mitgliedern ein, um über die Feier des 70. Geburtstages Bismarcks Vor­schläge zu machen.

Werrnrifchtes.

Daß in den Freiheitskriegen sogar Jungfrauen verkleidet in der preuß. Armee mitgefochten haben zu Fuß und zu Pferd ist bekannt, es werden mehrere solcher Heldinnen in einem besonderen Büchlein beschrieben, aber weniger bekannt wird unfern Lesern sein, daß auch schon 100 Jahre früher ein Bauernmädchen aus der Göppinger Gegend den Mut gehabt hat, bei den Soldaten sich anwerben zu lassen. Freilich waren ihre Beweggründe andere, nicht Vaterlandsliebe, sondern die Absicht, vor dem Hungertod sich zu schützen, ihren Lebensunterhalt zu finden. Nun, das thut nichts zur Sache, und so lesen wir über fragl. Mädchen in einem Kirchenbuch aus dem vorigen Jahrhundert im Eheregister bei einem gewissen Christmann außer der gewöhnlichen Anzeige, daß, mit wem und wann er in den heil. Ehestand getreten ist, noch folgende besondere Bemerkung:Dieser Christmann ließe sich nachher in Dürnau bei Göppingen nieder, seine Frau gebahr eine Tochter 1697 den 7. Februar, Anna Maria. Selbige bettelte nach ihres Vaters Tod, verkleidete sich in Mannskleider, diente als Knecht bei einem

Müller um die Kost in der Theurung, ließe sich in Stuttgart unter dem

Namen Thomas Christmann bei dem Herzog!. Leibregiment als Mousquetier anwerben, kam mit demselben nach Ungarn, verhielt sich 1716 vor Peter­wardein tapfer und 1717 bei griechisch Weißenburg, so daß sie auch 2 Blessuren bekam. Nachderhand erbeutetete sie von einem türkischen Offizier einen kostbaren Säbel, welchen ihr der Hauptmann Dupons um 100 Thlr. abhandelte, als sie aber das Geldt forderte, ließ er ihr 100 Stockschläge aus- theilen. Sie desertirte hierauf und nahm noch einen Kameraden mit sich,

wurden aber eingehohlt und zum Strange verurteilt. Darauf entdeckte sie

ihr Geschlecht und bat um ihr Leben, welches auch ihr und ihrem Kameraden geschenkt wurde. Sie bekam darauf ihren ehrlichen Abschied und vom Herzog Eberhard Ludwig ein Patent sub Dato 20 Martii 1^83, worinnen ihr Wohl­verhalten gerühmt und ihr erlaubt wurde, sich im Würtembergischen nieder­zulassen, wo sie wollte, auch ein jährl. Lebens länglicher Gehalt an Geldt und Frucht hinzugethan. Zuletzt war sie in Stuttgart Briefträgerin bei denen in Stuttgardt ankommenden Landbothen, trug immerfort Manns-Schuhe und lebte noch ^nno 1779 im 82. Jahr ihres Alters. Scrib. A. F. Schemen, Pastor."

Der Polizeirat Rumpfs besaß unter andern Orden auch den der Ehrenlegion. Aus welcher Veranlassung er ihn empfing, wird so erzählt: Eines Tages meldete sich bei Rumpfs ein feingekleideter Herr mit der Anzeige, es seien ihm Uhr und Ring gestohlen worden. Rumpfs sieht sich den Herrn genau an, steht auf und blättert im Verbrecheralbum. Gut, Herr Goldschmied, Sie werden ihre Sachen wieder bekommen, sagte Rumpfs bald darauf. Der feine Herr wird bleich und beteuert, er heiße nicht Gold­schmidt, sein Name sei so und so. Das wissen wir bester, meint Rumpfs gelaffen und läßt den Herrn verhaften. Es war ein Schwindler, der in Paris mit einer Million durchgegangen war. Napoleon Ul. verlieh ihm darauf das Kreuz der Ehrenlegion.

Ein seltener Fall ereignete sich dieser Tage in Neutitschein (Mähren), der die Gemüter in Aufregung hält und fast das ausschließliche Tagesgespräch bildet. Der dortige Schafwollwaaren-Fabrikant A. Perl er­krankte am 7. ds. an einer unscheinbaren Geschwulst der Oberlippe, die er einer -rkältung bei einem vorhandenen Schnupfen zuschrieb. Doch schon am nächsten Tage traten Erscheinungen auf, die den behandelnden Arzt mit ziem­licher Sicherheit vermuten ließen, daß es sich hier um eine Milzbrandkrank­heit handelte, eine Krankheit, die bei den Tieren wohl sehr häufig, höchst selten aber beim Menschen vorkommt. Der Arzt wurde in seiner Diagnose umsomehr bestärkt, als er in Folge seines Ausspruches von der Umgebung erfuhr, daß Herr A. Perl am Sonntag an einem eingesendeten Wollmuster mehrmals gerochen und dabei erklärt habe, es sei eine sog. Sterblingswolle. Kurz darauf habe sich bei Herrn Perl ein Brennen unter der Nase einge­stellt. Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß die erwähnte Wollprobe von einem milzbrandkranken Tiere herstammte, und daß sich Herr Perl durch dieselbe angesteckt hat, was um so leichter möglich war, als er gerade mit einem Schnupfen behaftet war und das Milzbrandgift mit größerer Leichtig­keit durch eine kleine Schleimhautwunde in den Blutkreislauf aufgenommen werden konnte, um hier eine sehr rasch zersetzende Wirkung zu entfalten. Herr A. Perl ist bereits seiner Erkrankung erlegen.

AM- Vergesset der hungernden Böglein nicht. "ML