Thronrede wurde fast nach federn Absaze, häufig bei Einzclnstellen mit lebhaftesten Bravo's unterbrochen, besonders bei der Stelle: „Daß die Völker Oestreichs, des Slaatsrechtshadcrs müde, nach Frieden, Ordnung verlangen." Bei Entfernung des Kaiserpaars nach beendigter Zeremonie wiederholte stürmische Zurufe.
Kufstein, 18. Dez. Der Dekan Hörfarter hat am 8. d. von der Kanzel erklärt, daß er sich den Beschlüssen^ des vatikanischen Eoncils unterwerfe und fortfahren werde, zu lehren, „was die katholische Kirche zi? glauben vorstellt". (Der Akademiker Abbe Gratry schrieb dem Pariser Erzbischof den ihm abverlangten Ergebenheitsbrief, in welchem er alle seine Schriften gegen die Concilsbcschlüsse des Vatikans widerruft. Er ist nicht der Erste und wird, wie wir sehr fürchten, auch nicht der Letzte sein, welcher von der gesunden Vernunft und vom Man- nes-Eharakter abfällt.)
Brody, 18. Dez. Die Moskaner Stnden ten, welche eine Adresse um Preßfreiheit unterschrieben, werden nach Sibirien deportirt.
Mazzrni ist von den Aerzten außer Lebensgefahr erklärt worden^
Paris, 24. Dez. Man hat bemerkt, daß der Erlaß Bis- marck's wegen der Freisprechungen von Melun und Paris in deutscher Sprache Hrn. v. Reanusat eingehändigt wurde.
Paris, 24. Dez. In Havre hat ein furchtbarer Sturm großen Schaden im Hafen angerichtet und durch den Einsturz eines Fabrikschornsteins, der auf eine Spinnerei fiel, mehrere Tödtnn- gen und viele Verwundungen veranlaßt. Der Kamin zertrümmerte eine Werkstatt, in welcher hundert Arbeiter beschäftigt waren, die unter dem Schutt begraben wurden.
Paris, 25. Dec. Das „Journal ossiciel" meldet, „daß der Präsident der Republik gestern die Ehre gehabt hat, den Kaiser und die Kaiserin von Brasilien zu empfangen. Dem „Paris-Journal" zufolge hatte Dom Pedro ebenfalls gestern eine längere Unterredung mit dem deutschen Gesandten Grafen Arnim, zu deren Schluß er demselben die Insignien des Christus- Ordens überreichte.
Paris, 27. Dez. Die „Gazette des Tribunaux" veröffentlicht einen Brief des Vertheidigers von Tonelet, Advokat Lachaud. Derselbe sucht darin den Beweis zu führen, daß Tonnelet nur deßhalb freigesprochen worden sei, weit er sich im Zustande gerechter Nothwehr gegenüber einem deutschen Soldaten befunden habe, der ihn nach vorausgegangcnem Wortwechsel mit dem Säbel in der Faust angegriffen habe. Die französische Justiz sei also erwiesener Maßen ohne Makel geblieben.
Versailles, 22. Dez. In der heute stattgefundenen Sitzung der Jnitiativ-Commission wurde der Vorschlag für Rückkehr der Regierung nach Paris mit 20 gegen 9 Stimmen verworfen.
Versailles, 24. Dez. Die an der Börse verbreitete Nachricht von einer Mißstimmung zwischen Frankreich und Italien wird von der „Agence Havas" dementirt.
Versailles, 27. Dezbr. Die Nationalversammlung verwarf nach den Reden des Finanzministers und Anderer den Antrag Wolkowski's auf Besteuerung aller Einkommen mit großer Majorität.
Welche Gestalten hat der Aufstand der rothen Commune in Paris an's Licht gefördert! Vor dem Kriegsgericht in Versailles stand dieser Tage Luise Michel, eine Hauptheldin der Commune. Sie war früher Lehrerin gewesen, hatte sich aber schon länger in den Strudel der Revolution geworfen, war Nationalgardist und Clubredner geworden, hatte in 3 Gefechten gegen Thiers' Truppen gejochten und in den Clubs die Schließung der Kirchen, die Verhaftung der Geistlichen, den Verkauf der geistlichen Güter und die Erschießung der Geißeln beantragt; sie hatte sich erboten, Thiers zu ermorden und war damit abgewiesen worden. Vor dem Gericht läuguete sie nichts, gar nichts und lehnte ab, sich zu vertheidigen und vertheidigen zu lassen. Ich habe beantragt, sagte sie, Paris in Brand zu stecken, aber nur, um Thiers durch ein Flammenmeer zu hindern, nach Paris zu kommen; ich will erschossen sein wie die Andern. — Sie wurde zur Deportation vernrthcilt. — Luise Michel ist 36 Jahre alt, ziemlich hübsch, der Grund ihrer Erbitterung gegen die ganze Gesellschaft ist die Zurücksetzung, die sie als uneheliches Kind vielfach erfahren hatte.
Der „Gaulois" meldet wörtlich: Man versichert, daß der deutsche Kaiser dem Papst ein Asyl angeboten hätte und zwar in dem katholischen Seminar von Paderborn, welches an der Grenze von Schlesien und dem Herzogthum Posen gelegen ist. (!)
Brüssel, 21. Dez. Dis „Jndäpendance belge" meldet aus Versailles: Der Neujahrsempfang der Staatskörper wird mit den obligaten Reden stattfinden. Thiers wird denselben, von den Ministern umgeben, im Elys6e in Paris abhalten und dort auch eine Deputation der Nationalversammlung empfangen.
Rom, 2l. Dez. Das Kammer-Comite hat die außerordentlichen Ausgaben für Vertheidignngszwecke genehmigt. Gineo eonstatirte im Verlauf der Debatte die Geringfügigkeit der verlangten Summe und spielte dabei auf die Eventualität eines Krieges zwischen Italien und Frankreich an. Der Kriegsmini
ster erwiderte, daß solche Befürchtungen unbegründet seien und cs auch nicht im' Belieben Frankreichs liege, einen Krieg mit Italien zu führen; dessen ungeachtet sei es nützlich, sich für alle Fälle vorznsehen. ,
Nach Nachrichten aus Buenos-Ayres vom 17. November wurde die Stadt Oran in der Provinz Salta durch Erdcrschüt- terungen, welche gegen neun Stunden anhielten, zerstört. Glücklicherweise sind wenig Menschenleben zu beklagen.
London, 21. Dez. lieber den Versuch desKaisers von Brasilien, den Papst mit demKönig vonItalien zu versöhnen) berichtet der römische Korrespondent der „Pall Mall Gazette" Folgendes: „Der Kaiser sprach in der ersten Unterredung lange mit Wärme und Beredtsamkeit über die Nothwendigkeit einer Versöhnung. Der Papst hörte aufmerksam zu und bemerkte schließlich, er sei sehr erstaunt, dergleichen vom Kaiser von Brasilien zu hören." „Ich bin in diesem Augenblick (erwiderte der Kaiser) nur Dom Pedro d'Alcantara." „Sehr gut,,mein lieber Dom Pedro (sagte der Papst), man nennt sie einen Philosophen, und ich halte sie dafür. Schlagen Sie Ihre Bücher nach und wenn Sie einen Präcedenzfall dafür finden, daß der Tag sich mit der Nacht verbindet, so bringen Sie mir das Buch, dann werde ich auch einen Präcedenzfall für die von Ihnen befürwortete Versöhnung haben." Der Kaiserin gegenüber machte sich der Papst noch unangenehmer und bemerkte mit Bezug darauf, daß sie die Tochter Franz des 1. von Neapel war. „Niemanden hätte der Kaiser finden können, der besser in der Lage gewesen wäre, ihm die Honneurs (in Neapel) im Palaste Ihrer Vorfahren zu machen." Die Kaiserin war hierüber so verletzt, daß sie dem Papste nicht einmal einen Abschiedsbesuch machte. Der Kaiser indessen machte kurz vor seiner Abreise noch einen weiteren Versöhnungsvcrsuch und erbot sich selbst, im Geheimen Victor Emanuel in einer Droschke zum Vatikan zu führen, worüber der Papst übrigens sehr gereizt wurde und kalten Abschied nahm." Die Versöhnuugsversnche wurden, wie der Korrespondent versichert, ganz ohne Vorwissen des Königs Victor Emanuel, nur aus eigenem Antriebe von Dom Pedro gemacht.
London, 23. Dez. Die Genesung des Prinzen von Wales ist so weit vorgeschritten, daß gestern die officielle Erklärung abgegeben wurde, er sei außer Gefahr und es seien keine Beschädigungen der innern Organe zurückgeblieben.
London, 25. Dez. Hr. Harry Emanuel hat einen Theil der Juwelen der Exkaiserin Engeuie angetanst. Dieselben liegen schon im Laden des genannten Juweliers zum Verkaufe ans, und es wird gar kein Hehl daraus gemacht, von woher sie kommen. Wenngleich weniger werthvoll als die Esterhazy'schen Juwelen, sind sie doch jedenfalls historisch interessanter und zeichnen sie sich noch durch feineren Geschmack und feinere Arbeit ans.
London, 27. Dez. Die englischen Zeitungen vernrthcilen einstimmig die Auffassung der Bismarck'schen Depesche durch die französische Presse. Die „Times" erklärt: Fürst Bismarck mußte nothgedrungen die schärfsten Ausdrücke brauchen und konnte der ganzen Sachlage nach die Note nicht znrückhalten.
Zu den gefallenen Größen unserer Zeit gehört der Eisenbahnkönig Hudson in London. Er gebot vor Jahrzehnten über Millionen von Pfunden Sterling, in den letzten Jahren lebte er von den Almosen seiner Freunde. Vor ein paar Tagen ist er gestorben.
Allerlei.
— In jedem vornehmen Hause Indiens findet man ein Schmollzimmer. Dahin ziehen sich die Damen zurück, wenn sie übler Laune sind oder ihren Kopf nicht durchsetzen können. Wenn der Zorn verraucht ist, dann kommen sie wieder zum Vorschein. Diese Einrichtung wäre auch anderswo nicht übel.
— (Eine Reclame für die Barbiere.) Der männliche Bart ist eine Schande! Wer lacht da? Nickis zu lachen! Ein Oberhirte der christlichen Kirche hat dies im Jahre des Heils 1871 mit demosthenischer Beredtsamkeit als Satzung für die Leiter der Schule ausgestellt. Wie die „Zeitzer Zeitung" meldet, hat der Superintendent Hartung auf der in Zeitz abgehaltencn Ge- ueralschullehrer-Conferenz nach Erledigung der Tagesordnung eine Kreuzpredigt wider die Lehrerbärte gehalten. „Es ist jetzt Mode geworden — sagte er — daß nicht nur solche Lehrer, die, eiuberufen zum Militär, aus dem Kriege zurückkehrten, mit vollem Barte sich zeigen; sondern vornehmlich die jüngeren, erst dem Seminar entwachsenen Lehrer, von denen man nicht immer sagen kann, daß sie Haare ans den Zähnen hätten, lassen Haare dermaßen über die Lippen wachsen, daß kaum mehr ein Wort über dieselben kommen kann. Die Kinder werden nicht mit dem Barte geboren, wohl aber kommen jetzt verschiedene Lehrer mit dem Barte aus dem Seminar. Der Bart paßt nicht für den Lehrer!!" Als hierauf ein Lehrer um's Wort bat, verweigerte ihm der geistliche Herr dasselbe, indem er sagte: „Wenn Sie mir etwas sagen wollen, dann kommen Sie zu mir; ich entziehe Ihnen das Wort! — Meine Herren, stehen Sie zum Gebet aus!"
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.