Die Kundgebungen sür die deutsche Sache nehmen übrigens hier kein Ende. Fast jede Theatervorstellung bringt eine solche.

Wien, 15. Okt. In der Salvatorkapcllc haben heute die Rltkatholiken ihren ersten Gottesdienst gehalten. Nach der Predigt des Paters Anton gingen die hiesigen Altkatholikcn weiter als anderswo.Wir wolle», sagte er,den Anhängern aller christ­lichen Sekten die Hände reichen und uns mit ihnen zu einem Bruderbünde vereinigen."

Paris, 15. Okt. DasJournal osfiziel" meldet: Vor­gestern den 12. d. M. sind in Berlin drei Konventionen unter­zeichnet worden. Die erste derselben betrifft gewisse Gcbictsberichti- gungcn und wird die Ratifikation des deutschen Parlaments und der französischen Nationalversammlung erfordern. Die zweite, finanzielle, macht nur die Ratification Seitens des Präsidenten der Republik und der deutschen Regierung nolhwendig und er­heischt nicht mehr die Unterschriften von Banqnicrs, sondern nur diejenigen der Herren Thiers und Pouyer-Qnerticr. Es wird sür den Theil der Kriegsentschädigung, um den es sich in dieser zweiten Konvention handelt, keine Trcffsirung aus's Ausland mehr stattfinden. Die Konvention bestimmt, daß die Räumung von sechs östlichen Departements unverzüglich beginnen soll und binnen 14 Tagen beendet sein muß. Die dritte Konvention betrifft die Regelung der Zollverhältnisse. Dieselbe hält die früheren Ab­machungen in fast allen Punkten aufrecht, nur wird die Dauer der Ausnahmebestimmungen für Elsaß-Lothringen auf das Jahr 1872 beschränkt. Die Besetzung französischen Gebietes durch die deutschen Truppen würde sich also nach erfolgter Ratifikation nur noch auf 6 Departements erstrecken.

Wie bedeutend der Pariser Wohlstand durch den Krieg gelitten, macht sich erst jetzt recht bemerkbar: Leere Gasthöfe und Restaurationen, wenig belebte Promenaden, elegante Schaufenster, aber keine Kunden. Hier fehlt es an Arbeitern, dort an Aufträgen. Nur die Börsenspekulation blüht. Das ganze Gebäude des Pariser Wohlstandes war eben ein künstliches. Es gründete sich auf ge­schraubte Preise, welche die Fremden, die sich amüsiren wollten, gern bezahlten. Ohne einen glänzenden Hof und ohne reiche Fremde ist Paris nur das, was eine deutsche Spielhölle im Winter ist.

Wir erfahren aus guter Quelle, daß vor einiger Zeit, als man Unruhen in Rom fürchtete, die beiden Convertilen Mor­tara und Cohen von den Jesuiten nach Brüssel gebracht wor­den sind und mehrere Wochen hier zubrachtcn.

Bologna, 14. Okt. Das jüngst dahier zu einem vorge­schichtlichen Kongreß versammelt gewesene gelehrte Italien hat die Theilnahme Virchow's als Anlaß zu einer äußerst deutsch­freundlichen Kundgebung genommen. Virchow war der Mittelpunkt einer wahrhaften Ovation, welche sichtlich nicht nur dem verdienten Gelehrten, sondern auch dem deutschen Na­men galt. Als er die Rednerbühne in der Versammlung betrat, wurde er, ehe er noch ein Wort gesprochen, mit lang anhalten­den und stürmischen Beifallsrufen begrüßt. Auch außerhalb des Congresses war der deutsche Gelehrte Gegenstand lebhafter Sym­pathien.

Der beabsichtigte Ban der Gotthardbahn muß uns Deutsche deshalb so lebhaft interessircn, weil wir damit ebenso in Besitz eines Alpenübergangs kommen, wie Frankreich durch den Mont-Cenis-Tunnel und Oesterreich durch die Brennerbahn. Genua, hofft man, wird dann so gut wie ein deutscher Hasen werden, und auch die indische Ueberlandspost wird ihren Weg von England durch Deutschland nach Italien nehmen. Die Kosten des Baus sind auf 185 Millionen Fr. veranschlagt, wovon schon 102 Mill. gezeichnet sind. Die deutsche Regierung übernimmt 20 davon für sich. Der Sitz der Verwaltung wird Zürich.

London, 17. Okt. Ein Leitartikel der Times bespricht die Thronrede desKaisers von Deutschlandin anerkennens- werther Weise, hält es undenkbar, daß Deutschland unter Preußens Führung in seine inneren Zwistigkeiten zurückfalle, stimmt der Münzreform und der vom Kaiser gegenüber Frankreich bekunde­ten hochherzigen Politik zu.

Odessa, 11. Okt. Die Brände nehmen kein Ende; in der Stadt Ruzulnk sind 800 Häuser, darunter alle öffentlichen Staatsgebäude, abgebrannt. Es ist kein Zweifel, daß die Nihi­listen mit diesen Brandstiftungen im Zusammenhang stehen; überall werden die öffentlichen Gebäude zerstört.

Allerlei.

(Anmuthi g.) In Hamburg ist unter dem Titel:A b- brech er" eine Zeitungfür Arbeiter" erschienen. Der Inhalt dieses Blattes ist heiterster Art; in dem überaus komischen Leit­artikel, welcher den schönen Titel:Das Musterschwein" führt, wird die heutige Gesellschaft als unablässig trächtige Sau und derMilitarismus" diePolizeiwirthschaft" rc. als erstes, zweites Ferkel rc. bezeichnet. Zum Schluffe kommt die herrliche Phrase: Was Hilst es, die einzelnen Ferkel zu verfolgen, so lange das große Mutterschwein immer neue Junge wirft? Die General-Sau muß abgeschlachtet werden, und dann kann es der übrigen Schweine­

brut an den Hals gehen. So lange die große General-Sau lebt, bleibt die allgemeine Schweinerei." Die übrigen Artikel des Blattes reihen sich würdig dem Leitartikel an. Schließlich kommt die übliche Aufforderung zu Geldbeiträgen für diegroße Sache" und der Nachweis, wo diePartei-Opfer" entgegengenommen werden.

(Eine seltsame Ausstellung) fand vom 13. bis 16. Januar d. I. in Ncwyork statt. Es war eine Ausstellung aller möglichen alten Kleidungsstücke, die gehörig ausgeflickt und ausgebessert waren. Veranlaßt wurde diese Ausstellung durch einen Preis, welchen die Herren Orange Judd u. Comp., die bekannten Herausgeber desAmerican Ägriculturi" undHeart und Home", für das am künstlichsten zusammengcflickte oder aus- gebesserte alte Kleidungsstück irgend einer Art ausgeschrieben hatten. Dabei war gleichzeitig die Bedingung gestellt, daß die Arbeit nur von Frauen oder Mädchen ausgcführt und die eingcsendeten Klei­dungsstücke zur Vcrtheiluug unter Arme bestimmt sein sollten. Es wurden 1300 solcher Kleidungsstücke von 45 Einsenderinnen aus 28 verschiedenen Staaten ausgestellt. Darunter befand sich ein Paar langer Strümpfe, welches nicht weniger als 100 wohl gestopfter Löcher aufwies. Den ersten Preis, 15 Dollars, er­hielt ein Kindcrmantel, welcher aus vier Paar alten Hosen, einer alten Weste und dem Futter von zwei alten Röcken gemacht und aus 68 Stücken zusammengesetzt war. Derselbe war von einem Kinde durch drei Winter beim Schulbesuch getragen worden und von der sorgsamen Verfertigen»! desselben der Art aufgefrischt und rcnovirt worden, daß, wie sie glaubt, derselbe einem armen Kinde auf weitere drei Jahre gute Dienste leisten werde. Dieses Meisterwerk kam aus Washington, Indiana. Der Zeck der Aus­stellung war: häuslichen Fleiß und Sparsamkeit auf einem bereits in Vergessenheit gerathencn Felde anzuspornen nnd gleichzeitig während des harten Winters schützende Kleider für Arme zu erhalten.

Die gcsammtedeutsche Armee verfügt gegenwärtig über sieben Feldmarschälle und einen General-Feldzeugmeister mit Feldmarschallrang Dagegen befinden sich in unmittelbarer activer Verwendung als Truppenführer bei der deutschen Armee gegenwärtig von der Generalität 8 Generale der Cavallerie, 20 Generale der Infanterie, 78 Generallieutenants und 171 Ge­neralmajors. Als Chefs von Regimentern treten dem noch hinzu 1 Admiral, der Prinz Adalbert von Preußen, 5 Generale der Cavallerie, 7 der Infanterie und drei Generallieutenants. Jns- gesammt würden sich demnach bei der deutschen Armee zur Zeit 301 Generale der verschiedenen Grade in unmittelbarer Ver­wendung und thatsächlicher Activität befinden.

(Früchte des Cölibats.) Ein junger Mann von kränklichem Aussehen sprach dieser Tage in derHon"-Redaction (Pest) ein. Nach einer mit Documenten versehenen Selbstöio- graphie, welche derselbe bei sich trägt, ist er das Mitglied einer Familie, welche aus 14 Brüdern besteht, von denen jeder einen anderen Zunamen führt, alle aber heimathlos und in dürftigen Umständen sind. Kein Einziger von ihnen ist in die Geburts­register eingetragen, weßhalb er sich auch nicht durch einen Tauf­schein legitimiren kann. Sie stammen von einer und derselben Mutter, aber von drei verschiedenen Vätern her, die alle drei ein geistliches Amt führen. Der junge Mann will sich an den unga­rischen Reichstag wenden mit der Bitte, sich dieser Unglücklichen anzunehmen, welche auf diese Weise in die Welt hinausgestoßen sind.

(Keine Regel ohne Ausnahme.) Vor einigen Wochen trat in einer Stadt Connecticuts (Amerika) ein Rechts­anwalt an das Schalter des Eisenbahnbilletcurs und gab ihm einen Dollar zurück, den er irrthümlich Tags zuvor von demselben zuviel erhalten hatte. Der Beamte stand sprachlos: Thränen so meldet wenigstens die Zeitung rollten über sein Gesicht; er ergriff die Hand des Andern und rief:Nur einen Augen­blick lassen Sie sich betrachten, mein Herr! Unerhört! Ein amerikanischer Rechtsanwalt, der einen Thaler zurückbringt!"

Was sind doch die Menschen thöricht!" meinte Jemand. Die Natur gibt ihnen Wein, Frauen, Austern, Vernunft lauter aus­gezeichnete Dinge. Und was thun sie damit? Sie betrinken sich, hei- rathen, verderben sich den Magen und wählen ultramontan!

(Geistreiches.) In der Nachbarschaft von Leipzig befindet sich ein verbotener Weg, an dessen Anfang folgende tiefsinnige Proclamation wörtlich angeschlagen ist:Warnung. Dieser Weg ist kein Weg; wer eS aber doch thut, erhält fünf Thaler Strafe oder acht Tage Gefängniß- Der Denunciant erbält die Hälfte der Strafe als Belohnung." (Da dürfte sich wohl schwerlich ein Denunciant finden.)

R ä t h s e l.

Bald glücklich zu nennen, bald jämmerlich schlecht, Bald vorne, bald hinten, bald falsch, bald recht. Bald hoch, bald niedrig, bald dick, bald fein.

Man ißt mich in Torten, man schläft in mir ein, Und bin ich recht außerordentlich schön,

So steigt man aus Berge, mich ganz zu sehn.

Redaktion, Druck und B-rlag der G. W. Z ais er sichen Buchhandlung.