und von da ab datirt der staunenswerthe Umschwung der politi­schen Geschicke unseres Vaterlandes.

Auch die scheinbar unbedeutendsten Einzelheiten unserer Hec- rcsorganisation werden durch die Erfahrungen des letzten Krie­ges rheilweise alterirt werden. Dem Vernehmen nach werden nun auch die Regenmäntel unserer Offiziere, deren sich die­selben fast allgemein bedienten und mit denen sie auch ins Ge­fecht gingen, in künftigen Feldzügen in dieser Art nicht mehr zum Gebrauch gelangen. Es hat sich nämlich hcrausgestellt, daß diese blanken Regenmäntel ausfallend deutlich in der Linie der Soldaten hcrvorstachen und für die französischen Schützen, die sehr wohl wußten, daß die Inhaber dieser Mäntel Offiziere waren, ein willkommenes Ziel für ihre Kugeln darboten.

Gutem Vernehmen nach hat der König von Dänemark bei der Begegnung mit dem deutschen Kaiser in Baden-Baden der Ueberzengung Ausdruck gegeben, daß nicht blos Dänemark, sondern die scandinavischen Staaten überhaupt zu dem deutschen Reiche in die freundschaftlichste Stellung treten werden. Als Verbindungs­glied zwischen Deutschland einerseits und Norwegen Schweden anderseits ist die Stellung Dänemarks gegenüber Deutschland selbstverständlich von ganz besonderer Bedeutung und da mit der veränderten Politik der deulschen Regierung der nordschleswigschen Agitation der Boden vollständig entzogen ist, so ist anznnchmen, daß der oben gedachte persönliche Wunsch des Königs von Däne­mark in seinem Reiche nirgends auf Widerstand stößt.

Straßburg, 4. Okt. Nach einer im Reichsgeneralpost­amte ausgestellten Statistik sind in Elsaß-Lothringen jetzt 184 Postanstalten mit einem Personal von 1232 Beamten (456 Be­amte, 776 Unterbeamte) in Thätigkeit. Es bewegen sich im dortigen Postverkehr pro anno ca. 18 Mill. Briefpostsendungen (pro Kopf 12 Stück, in den alten Landesthcilen des Reichs pro Kopf 8(»), 500,000 Packet- und Geldsendungen mit 60 Mill. Thalern dekla- rirtem Werth, circa 2 Mill. Lhaler Postanweisungen und 1'/« Mill. Exemplare von im Abonnementswege bezogenen Zeitungen. Das Zeitungs-Abonncmentsverfahrcn ist, ebenso wie die Packet- nnd Gcldversendnng, die Expreßbcstellung, das Postvorschußwesen, eine in Elsaß-Lothringen bisher nicht gekannte, erst durch die deutsche Postverwaltung dort hergestellte Einrichtung.

Straßburg, 5. Okt. Der Präfekt des Nieder-Elsaß er­läßt folgende Bekanntmachung : Nach Artikel 2 des Gesetzes vom 14. Juni 1871 werden diejenigen Kriegslcistungen vom Staate vergütet, welche von den Bewohnern von Elsaß-Lothringen im Laufe des letzten Krieges auf Anordnung der deutschen Militär­behörden und gegen Anerkennung der letzteren geleistet worden sind. Die Vergütung erfolgt nach Maßgabe der über die Ver­gütung von Kriegsleistungen im norddeutschen Bunde bestehenden gesetzlichen Bestimmungen.

Der Vorstand des Bürgerkasinos in Hagenau hat die dortigen deutschen Beamten zum Besuch desselben eingeladcn.

Das Geheimnisvolle übt bekanntlich den meisten Reiz. Und wir müssen uns wohl nach solchen Reizen sehnen, denn wir sor­gen immer, daß einiges Geheime für uns bleibt, wenn wir auch kein Geheimrathsviertel, wie die Berliner, haben. Das neueste Geheime ist ein Vertrag zwischen Rußland und Deutschland, der in Ems abgeschlossen und eine friedliche Vermittlung zwischen Petersburg und Wien bezwecken soll. Zwar könnten wir schon Rußland den Gefallen thun für seine treue Neutralität, aber Bismarck soll die russische Freundschaft gar nicht so sehr an sei­nem Busen nähren wollen, wie die Augsburgerin uns verräth. Mit Oestreich dagegen berühren sich die Interessen insofern, als wir Verlangen trugen nach Sicherstellung der Errungenschaften von 1866 und 70 gegenüber den Rachegelüsten Frankreichs, Oest­reich aber den Wunsch hegte, seine inneren Verhältnisse zu ord­nen und zu befestigen, und dazu vor Allem die Erhaltung des von Rußland bedrohten gegenwärtigen Zustandes im Orient bedurfte.

Der Gemeinde-Ausschuß von Brünn ist über eine Zuschrift des Statthalters, in welcher derselbe erklärt, die Gemeinde habe durch ihre Zustimmungserklärung zum Verhalten der verfassungs- getreueu Abgeordneten die Grenzen ihrer Competenz überschritten, zur Tagesordnung übergegangen. Auch nicht übel!

Die am 10 Sept. bei der Gründungsfeier des ersten Wie nerTurn Vereins vorgetragenen Gesäuge, denen die an­wesenden Polizisten einen politischen Inhalt beilegen zu müssen glaubten, durch deren Absingung der nicht politische Verein seinen statutengemäßen Wirkungskreis überschritten habe, sind gewesen: Stimmt an mit Hellem hohen Klang" von Claudius,Was ist des Deutschen Vaterland?" von Arndt,Lützow's wilde Jagd" von Körner undDie Wacht am Rhein."

Bei den Deutsch-Böhmen hat es der Minister Hohen­wart total verschüttet. In Tcplitz wollte man eine Volksver­sammlung abhalten. Der Minister hat sie verboten und dadurch die Deutschen sehr aufgeregt. Tags darauf hielt eine historische Gesellschaft in Teplitz eine Versammlung, der viele deutsche Ge­lehrte aus Prag beiwohnten, da nahm man sich kein Blatt vor den Mund, sondern redete frisch von der Leber weg, sang die Wacht am Rhein und andere patriotische deutsche Lieder, die den Czechen ein Gräuel sind.

Karl Zimmermann, Professor an der Mittelschule in Münster, der kürzlich von der Polizei der Stadt Luzern wegen Völlerei abgefaßt werden mußte, ist vom Erziehungsrathe seiner > Professur en'.kleidet worden. Seine geistlichen Funktionen da- I gegen, setzt derEidgenosse" hinzu, werden reinen Schaden nehmen.

Wenn wir von den verschiedenen Parteien in Frankreich erzählen wollen, so reden wir von Legitimisten, Bonapartisten, Orleanisten und Republikanern. Anders lantet's bei den Herrn Franzosen selbst, da scheut sich Jeder, den rechten Namen ans- zusprechcn. Wer es also mit dem Hause Bourbon hält, ist für die Stabilität, Napoleons Anhänger sind für das Plcbiscit, die Orleanisten für die Ordnung, die Republikaner für die Mäßi- ^ gung. Eine Unterabtheilung der Letzteren ist ,,für sie mit ihm", d. h. für die Republik mit ihrem Präsidenten.

Trauschein der Pariser Commune:Französische Republik. Bürger Aret, Sohn von Jean Louis Arct, und Bürge­rin Maria Saint, verpflichtet sich genanntem Bürger überall hin zu folgen, wohin er gehe und ihn immer zu lieben. Aret. Maria Saint. Vollzogen vor den Unterzeichneten. Paris, 22. April 1871. Fachau. Laroche."

Das JournalL'Antiprussien" in Lyo n, welches unter dem TitelChütiment" weiter erscheinen sollte, hat sein Erscheinen gänzlich eingestellt. Die republikanischen Organe rügen sämmtlich stark das Gebühren dieses Blattes.

Die Strike-Bewegnug im Norden Englands greift neueren Berichten zufolge immer mehr um sich. Die Arbeitseinstellung der Scherenschleifer in Sheffield hat, nachdem die Arbeitgeber die geforderte Lohnerhöhung von 10 Proz. rundweg abgeschlagen, begonnen. Gleichzeitig agiren die dortigen Tischler und Zimmer- lente wegen einer Herabsetzung der Arbeitszeit auf neun Stunden. ! Aus Dundee wird gemeldet, daß in den dortigen Spinnereien etwa 1500 Arbeitergestrikt" haben, weil ihnen ihre Patrone !

nicht die gewünschte Lohnerhöhung von 6 ä. pro Woche und eine längere Eßzcit bewilligen wollen. Das Schlimmste dabei ist, daß derStrike" die Arbeitslosigkeit sehr vieler anderer Fabrikarbeiter nach sich ziehen dürfte.

New-Dort, 2. Okt. Brigham Äsung, der Mormonen­prophet, wurde gestern nnter der Anklage, mit sechszchn Frauen im Concubinat zu leben, verhaftet, und wird sich vor dem Vcr. Staaten-Gericht deßwegen zu verantworten haben. Nach der Salzseestadt sind Truppen abgegangen, man erwartet aber keinen Widerstand.

(Soziales aus den Vereinigten Staaten.) Große Sen- ^ sation mache» in New-Rork die zur Untersuchung gekommenen Abortions­fälle von drei Frauenspersonen, die in Folge gewaltsamer Fruchtabtrei­bung gestorben sind. Die Thäter, darunter ein Dr. Roscnzwcig. sind ge­richtlich eiugezogen. Es ist eine bekannte Thatsache, daß sich dort Hunderte solcher Quacksalber und Quacksalderinnen von diesem Geschäft der Abortion nähren, und sogar in den New-Dorker Zeitungen ihr Geschäft annoncircn. Sicherlich sind jährlich Tausende von Frauenspersonen durch diese gewalt­samen Mittel der Abortion entweder getödtet oder ihrer Gesundheit be­raubt worden. Leider hat sich dieses Uebel in den Städten so verbreitet, daß Mädchen aus Scham vor einer unehelichen Geburt, sowie Frauen aus Mangel an Mutterliebe oder auch zur Befreiung von Geburtsschmerzen und Kindersorgen» sich der Fruchtabtreibung unterziehen. Diese Demorali­sation ist namentlich unter den Amerikanerinnen so eingewurzelt, daß die statistischen Nachrichten von den Neu-England-Staaten die Zahl der Sterb­lichkeit unter den eingebornen Amerikanern weit überwiegend über die Geburten derselben darstellen. In Washington ist man dagegen bestrebt, ein anderes sociales Uebel, nämlich die öffentliche Prostitution, zu resormi- ren, und hierzu hat sich ein Frauenklub aus respektabel», humanen Damen gebildet, welche diese öffentlichen Häuser besucht und ihre verlorenen Mitschwestern moralisch so weit reformirt haben, daß der Besuch der be­rüchtigten Häuser eingestellt und die darin benutzten Frauenspersonen in ein von dem Frauenklub gegründetes Zufluchtshaus ausgenommen, darin nützlich beschäftigt und zu einem moralischen Leben mit liebender Pflege und Achtung erzogen werden.

Allerlei.

(AmerikanischeIugend.) Ein Pistolenduell zwischen zwei Knaben von resp. 14 und 15 Jahren, Thos. Zeagran und James Kean in Niagara Falls, endete mit dem Tode des Erst­genannten. Der kleine Lueger soll in den Wellen den Tod ge­sucht und gefunden haben. Anlaß gab die allmächtige Liebe!

(Ueber ein Damenduell) berichtetMoskovskia

Viedomisti" Folgendes: Im Kaukasus verliebten sich zwei Schüle- . rinnen eines Mädchenpensionats in einen jungen Mann und ent- > schlossen sich, nachdem keine Vereinbarung zwischen ihnen getroffen ^ werden konnte, die Angelegenheit auf ritterlichem Wege zu schlich- ^ ten. Beide erschienen zum Duell. Die Eine schoß die Pistole ^

auf ihre Gegnerin ab, traf sie auch und lief sodann herbei, um i

der Stürzenden Beistand zu leisten; diese jedoch, sobald sie wie- ! der zum Bewußtsein gelangt war, siel ihrer Rivalin in die Haare, worauf ein allgemeines Haarausraufen und Kleiderzerreißen ent- ^ stand. Der ganze Skandal endete mit einem bei geschlossenen ! Thüren verhandelten Criminalprocesse.

Redaktion, Truck und Verlag der G. W. Zaiser 'schen Buchhandlung.