Vor seiner Abreise aus Neichenhall hat Fürst BiSmarck ein prächtiges Album mit den photographischen Ansichten des Curorts von der Stadt zu Geschenk erhalten. Eine Deputation des Gemeinderaths, an deren Spitze der Bürgermeister stand, überreichte dasselbe.
Berlin, 20. Sept. Eine neue Annexion oder Accesion wird in Aussicht gestellt. Man vermuthet, daß unter dem Einflüsse des Fürsten von Hohenzollern auf Schloß Weinburg in der Schweiz, wo gegenwärtig der Herzog von Anhalt als Gast des Fürsten weilt, der Entschluß des Erstem, zu Gunsten des Königs von Preußen auf die Regierung zu verzichten und Anhalt mit Preußen zu vereinigen, zur Reife kommt. Die Auseinandersetzung des fürstlichen und des Landesvermögens ist so gut wie beendigt.
Berlin, 22. Sept. Der Reichskanzler ist heute Mittag nach seinen Besitzungen im Lauenburgischen abgereist. Ans dem Umstande, daß der Geh. Legationsrath Bücher ihm am kommenden Sonntage dahin folgen wird, kann wohl geschlossen werden, daß der Reichskanzler seinen Aufenthalt daselbst nicht auf wenige Tage beschränken wird. Ueber den Termin der Einberufung des Reichstages war bis zur Abreise des Reichskanzlers noch keine Bestimmung getroffen worden. (S. M.)
Berlin, 22. Sept. Die Legung des Telegraphenkabels zwischen Preußen und England von Borkum nach Lewcstoft hat am 7. d. M. begonnen und es ist bereits die schwierigste Strecke, von Borkum nach Texel, fertiggestellt worden.
Berlin, 23. Sept. Der „Kreuzzeitung" zufolge hat Graf Arnim anläßlich der jüngsten in Lyon stattgefundenen groben Excesse gegen Deutsche sehr ernste Reklamationen bei der französischen Regierung erhoben.
Von einem seltenen Strike berichtet ein ungarisches Blatt: „In Klausenburg haben die Lehrer der römisch-katholischen Elemen- tar-Hanptschule erklärt, nicht eher den Unterricht wieder aufnehmen zu wollen, als bis man ihnen den Gehalt aufbessert."
Lausanne, 25. Sept. Eytel eröffnete in einer begeisterten Präsidialrede den Kongreß der Friedensliga. Ueber den Gang der Liga berichteten Gögg und Frau Gögg. Der Kongreß wurde von Sonneinann aus Frankfurt Namens der deutschen Demokraten begrüßt. Die Mittel zur Ausdehnung des Vereins wurden besprochen und das Wiedererscheinen des Vereinsblattes beschlossen. Anwesend waren Lemmonier und Bellanger ans Paris, Sonncmann aus Frankfurt, Gögg aus Baden, Simon aus Trier, Mauromacchi aus Italien. Mazzini, Louis Blanc und Edgar Quinet billigen brieflich das Kongreßprogramm, entschuldigen ihre Abwesenheit. Gambetta sandte gleichfalls ein Schreiben, hebt hervor, Frankreich müsse zuerst wieder zu nationaler Kraft (wahrscheinlich auch zur Gewinnung von Elsaß und Lothringen) und Einfluß kommen, ehe es sich an kosmopolitischen Bestrebungen betheiligen könne. (Gambetta, Friedensmann!)
Paris,- 24. Sept. Alle Journale melden, daß die Negierung die demnächstige Zahlung der vierten halben Milliarde der Kriegskontribntion vorbereite. „Moniteur" bemerkt dießbe- züglich: Wenn die Operation gelingt, so wird die Räumung der sechs Departements nicht auf sich warten lassen und das Berliner Kabinet, falls es darauf beharren sollte, Zollbestimmungen zu Gunsten der elsäßisch-lothringischen Manufaktur-Erzeugnisse zu fordern, sich in die Nothwendigkcit versetzt sehen, uns andere Zugeständnisse anzubieten.
Die Franzosen schätzen ihre Todten, welche sie in den vielen blutigen Kämpfen gegen die Deutschen verloren haben, auf 89,000 Mann. Die Zahl der Verwundeten soll noch einmal so groß sein.
Washington, 25. Sept. Nach den offiziellen Berichten über die Getreideernte in den Vereinigten Staaten ist die Weizenernte günstiger, die Roggencrnte weniger befriedigend ausgefallen, die Ernte in Gerste ist mittelmäßig.
Friedrich Hecker will dem Pfluge auf einige Zeit Valet sagen und Vorlesungen halten, mit denen er ein besseres Auskommen sich zu verschaffen hofft als bisher mit der Pflugschaar.
Die chinesische Post bringt die Nachricht, daß der Respekt, welchen der siegreiche Krieg Deutschlands gegen Frankreich selbst den Chinesen eingeflößt hat, einen besonders bemerkenswcrthen Ausdruck darin finde, daß dem deutschen Kaiser jetzt in officiellen chinesischen Actenstücken derselbe Titel beigelegt ist, welchen einzig und allein der chinesische Kaiser führt, nämlich: HwanA-ti. Oesterreich habe es nur durchsetzen können, für seinen Kaiser den Titel Uvaug-siiMA zu erhalten.
Erne Prise Schnupftabak.
(Fortsetzung.)
Als er eines Tages von seinen Lectionen zuruckkehrte, traf er an der Hausthüre Aloys bei dem Briefträger, der einen Brief in der Hand hielt. Der junge Manit betrachtete diesen mit thränenfenchten Blicken, ohne ihn jedoch zu nehmen. Der Briefträger schien unschlüssig.
Der Ritter stand stille, indem er Barker laut mit einer wohl--' wollenden Miene begrüßte, die deutlich genug um Aufschluß über
die Gcmüthsbewegung bat, in welcher er ihn sah. Aloys schien ihn nicht zu verstehen, der Briefträger jedoch wandte sich gegen Roquincourt um, dem Deutschen die Bemerkung machend: „Da dieser Herr Ihnen bekannt ist, so kann er sie vielleicht aus der Verlegenheit ziehen."
„Was gibts?" fragte der Ritter theilnehmend.
„Eine kleine Verlegenheit," antwortete der Briefträger zögernd; „dieser Brief an den Herrn da kommt von Neuwied; das Porto ist vier Silbergroschen und nun hat der Herr .... kein Geld bei sich."
„Warum sagten Sie's nicht?" versetzte der Franzose schnell in die Tasche langend.
Aloys aber hielt ihn mit einer Handbewegung zurück und sagte stockend:
„Nein, ich habe diesen Betrag weder bei mir ... . noch anderswo; ich könnte Ihnen denselben nicht zuückgeben, mein Herr."
„Das will ich auch nicht, denn ich bin Ihnen denselben schuldig," entgegnete Roquincourt ganz einfach; „nehmen Sie, mein Herr, da der Brief von Neuwied kommt, so muß er von Ihrer Schwester oder ihrer Mutter sein."
Der bezahlte Briefträger entfernte sich, nachdem er Barker das Schreiben eingehändigt hatte.
Dieser vermochte nicht, dem Edelmann zu danken, sondern erbrach den Brief und durchlief ihn hastig. Je weiter er las, desto mehr veränderten sich seine Züge, bis er endlich mit einem schmerzlichen Ausruf inne hielt.
„Haben Sie schlechte Nachrichten bekommen?" fragte der Ritter, welcher die Treppe Hinaufstieg, bei dem Schrei des jungen Mannes aber stillstand.
„Ach, dieses Unglück fehlte uns noch!" stammelte Aloys, indem er verzweiflungsvoll den Brief an seine Stirne drückte.
„Bitte, was gibt es? Was theilt man Ihnen mit?" versetzte Roquincourt, indem er schnell drei Stufen hinabsprang und wieder zu Barker hintrat.
„Wenn sie wüßten, mein Herr!" rief dieser mit von Thränen erstickter Stimme; „sie haben daheim noch alles verkaufen lassen, was meiner Mutter und Schwester blieb, und beide befinden sich jetzt ohne Obdach und Brod."
Der Ritter machte eine Geberde wehmüthigen Erstaunens.
„Und nun rufen Sie mich zur Hülfe herbei," fuhr Aloys ! fort „mich, der ich nicht einmal das Porto dieses Briefes bezahlen ^ konnte! Zu ihrer Hülfe, während ich, wie sie, ohne Hülfsquelleu und ohne Hoffnung bin."
Der Ritter suchte Barker durch einige liebreiche Worte zu beruhigen und hieß ihn in sein Zimmer kommen, um das Nähere von ihm zu vernehmen. Die Aufregung des jungen Mannes machte ihn mittheilender, als er je gewesen war. Er setzte Roquincourt auseinander, wie der kleine Laden, den er mit seiner Mutter betrieben hatte, plötzlich mit allen Maaren ein Raub der Flammen geworden sei. Der Verlust belief sich auf zwölfhundert Thaler, die ihr ganzes Vermögen ausmachten und nimmer wieder eingebracht werden konnten, da ihm die Mittel dazu fehlten.
Je mehr sich Barker auf alle Einzelheiten eiuließ, desto größer schien seine Verzweiflung zu werden. Indem er dem Ritter die furchtbare Lage seiner Schwester und seiner Mutter schilderte, trat sie ihm selbst deutlicher vor Augen; er bejammerte seine Unfähigkeit, ihnen zu helfen; er klagte den Himmel an und versank immer mehr in jenen Rausch des Schmerzes, welcher das größte Unglück der Unglücklichen ist. Roquincourt sah ein, daß alles Trösten unnütz sei! in diesem Augenblick bedurfte es klingender Hülfe und keiner Hoffnungen, um Aloysens gedrückte Seele aufzurichten.
Der Ritter war zu arm, um selbst dem jungen Menschen wirksame Hülfe gewähren zu können. Die Bedürfnisse einiger Genossen seines Exils hatte seine Einkünfte schon geschwächt; was i er thun konnte, war viel zu wenig, um Barker der furchtbaren ! Verzweiflung zu entreißen, in die er versunken war. Man mußte daher zu einer reicheren Großmuth Zuflucht nehmen. !
Roquincourt faßte augenblicklich seinen Entschluß. Da er nie etwas für sich selbst zu verlangen hatte, so war er kühn genug, es für Andere zu thun, eine abschlägige Antwort betrübte ihn nur, ohne ihn zu demüthigen. Er richtete noch einige er- muthigende Worte an den jungen Mann, versprach ihm, sich seiner anzunehmen und begab sich in das von dem Vicomte von
Roullac bewohnte Hotel.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— (Neue Briefkasten.) Wie von Newyork berichtet wird, sind die dortigen Straßen-Briefkasten durch Röhren mit dem General-Postamt verbunden. Durch eine pneumatische ^ Vorrichtung werden alle in den Kasten geworfene Briefe mit > einer Geschwindigkeit von 65 Meilen per Stunde dem Postamte zugeführt. ^
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Z a i s e r 'scheu Buchhandlung.