muthung steigt auf, daß die Priester ihn zum zweiten Male geraubt haben konnten. Man Hai die Quästur von dem unheimlichen Vorgang benachrichtigt und erwartet mit Spannung den Erfolg ihrer Nachforschungen. Die Eltern, die mit zärtlicher Liebe an ihrem Sohne hingen, sind in Verzweiflung.
Zwei Stunden Frist.
(Fortsetzung.)
Wenige Minuten später befand sich die Braut Babanosfs in einem höchst elegant, möblirten, salonartigen Zimmer, das mit allem Luxus und Comfort der bevorzugten Stände versehen war. Selbst ei» mit den auserlesensten Blumen geschmückter Tisch, welcher mitten im kältesten Winter das Gemach mit balsamischen Frühlingsdüften durchwürzte, fehlte es nicht. Die Fenster aber waren, damit der rauhe Hauch des eisigen Nordens den schönen Frieden dieses stillen Raumes nicht störe, außer mit doppelten Läden, auch noch mit sehr schweren, dunkeln Gardinen verschlossen. Ebenso führten mit Portiören verhängte, doppelte Thüren in das Gemach.
Nach abermaligem militärischem Gruße entfernten sich die treuen Diener ihres Herrn, und Kathinka war allein.
Beim Fortgehen ward die Thür, durch welche sie das so ansprechend eingerichtete Zimmer betreten hatte, von Außen verriegelt.
Kathinka hatte jetzt Zeit, einen flüchtigen Blick auf die sie umgebenden Gegenstände zu werfen. Bei ruhigem Gcmüth würde sie diesem große Aufmerksamkeit geschenkt haben, denn es gab Vieles, was ganz besonders ein für das Schöne empfängliches weibliches Auge fesseln mußte. In der ungeheuren Aufregung aber, in welcher Kathinka Eliander sich befand, ging all ihr Streben nur dahin, sich möglichst gegen den furchtbaren Unbekannten zu schützen, der sich so beispiellos frech an ihrer persönlichen Freiheit vergriffen hatte, und zu dem sie sich des Entsetzlichsten versehen mußte.
Wohin aber ihr Auge drang, nirgends entdeckte sie etwas, das ihr dienen konnte, das ihr möglicherweise als Waffe gegen einen auf sie versuchten Angriff hätte gebrauchen können.
In diesem ruhelosen und hastigen Suchen ward sie durch ein Geräusch gestört, das von Oben herabzukommen schien. Die Blicke des geängstigten, aber entschlossenen Mädchens wendeten sich dem Plafond zu. Sie glitten zugleich längs der Wand hin, an welcher keine Thüre sichtbar war. Aber die mytologischen Figuren auf der Tapete schienen sich zu bewegen, sich zu verschieben, und che Kathinka sich noch Rechenschaft ablegen konnte, ob das, was sie sah, Wirklichkeit sei oder Augentäuschung, zerrannen ein paar Figuren vollständig, und ans ihnen entwickelte sich die Gestalt eines hohen kräftigen Mannes, der mit siegesgewissem Lächeln auf sie zutrat und sie mit leichter Verbeugung begrüßte.
Kathinka stand regungslos, wie eine Statue. Mit ihren großen, funkelnden Augen betrachtete sie lautlos den Unbekannten, in dem sie ihren Todfeind sah.
„Wie gefällt ihnen diese Einrichtung, schönes Fräulein?" redete der Fremde Kathinka an, während seine Augen sich an ihrer schlanken Gestalt, wie an ihrer Angst, die sie verstummen ließ, weideten. „Es hat Mühe und Anstrengung gekostet, um Sie diesen Anblickes theilhaftig werden zu lassen. Aber ich hoffe, Sie werden sich jetzt auch dafür erkenntlich beweisen. Ein Wort Ihres Mundes, ein Wink Ihrer göttlich schönen Augen, die mich zu Ihrem gehorsamsten Sclaven machen, genügt, Sie in den Besitz aller dieser Herrlichkeiten zu setzen. Lassen Sie mich nicht länger harren, nicht mehr bitten. Ich habe, seit mir das Glück zu Theil wurde, Ihnen im Qpernhause zuerst zu begegnen, unglaublich gelitten. Träufeln Sie jetzt Balsam in die Wunden, die Sie meinem Herzen geschlagen haben, und empfangen Sie die Huldigung Ihres Sclaven."
Graf Oginskoi — denn er war es — trat schnell ein paar Schritte näher und wollte, sich auf ein Knie niederlassend, Ka- thinka's schlaff herabhängende Hand erfassen.
Diese Bewegung schon gab ihr die volle Kraft ihres nur momentan befangenen Geistes wieder. Sie wich zurück und ries, ihre zarte Hand gegen den Fremdling ballend, aus:
„Elender! — Ich verachte Sie!"
Durch die halb geöffneten Lippen des erzürnten Mädchens, dessen bisher bleiche Wangen ein frisches Rosenroth überhauchte, blickten wie Perlen die tadellos weißen Zähne.
Oginskoi lächelte. Der Anblick der schönen Widerspänstigen entzückte ihn und fachte die Gluth seiner Leidenschaft nur noch stärker an. Er erhob sich und kreuzte gelassen die Hände über der Brust.
„Du bist göttlich, schönes Kind!" fuhr er fort, sein blitzendes, von wildem Feuer glänzendes Auge, wie die Klapperschlange, die an dem Anblick des ihr verfallenen Opfers sich labt, auf Kathinka heftend. „Sprödigkeit führt nicht zum Ziele, doch gönne ich Dir gerne Zeit zur Besinnung. Du findest tn mir Deinen zärtlichsten, Deinen ausopferungssähigen Freund, wenn Du mir liebevoll entgegenkommst und meine Wünsche erfüllst. Bleibst
Du aber starrsinnig, kalt, lieblos, dann werde ich Dich meine Macht fühlen lassen. — Du lebst in meiner Gnade, das bedenke wohl, ehe Du zu thörichtem Widerstande Dich fortreißen läst".
Wieder näherte er sich der Unbeschützten.
Kathinka wich instinktartig zurück, jede seiner Bewegungen beobachtend. Das Blut strömte mit solcher Gewalt durch ihre Adern, daß sie pfeifend die einzelnen Schläge ihres Herzens hören konnte.
„Wer sind Sie?" stammelte sie, nach einem Ausweg suchend, der doch nirgends sich darbot.
„Du sollst es erfahren, wenn Du mich liebend umfängst," lautete die höhnische Antwort des Grafen.
Kathinka beschrieb, dem schrecklichen Verfolger sich gewandt entziehend, einen Halbkreis in dem geräumigen Gemache. Dadurch näherte sie sich den dicht verhüllten Fenstern. Im Vorübergleiten schlug das schwere Gewebe des einen zurück. Kathinka's Blick fiel auf den geschlossenen Fensterladen, und ein Ton, der ihr neue Lebenskraft verlieh, erreichte ihr Ohr. Es konnte keine Täuschung sein. Sie vernahm ihn zwei-, dreimal hinter einander. Er glich genau dem Knirschen des Schnees unter dem Druck schwerer Tritte.
Oginskoi, der sich vollkommen sicher wußte, und nur mit dem Gedanken beschäftigt war, das schöne Mädchen an sich zu fesseln, hörte nichts. Desto mehr entsetzte er sich vor dem gellenden Hilferufe, den jetzt ganz unerwartet Kathinka mit so übermenschlicher Kraft ausstieß, daß die Fenster davon klirrten.
Der Graf stutzte, und seine Muskeln zitterten vor Begierde und Wuth.
„Unglückliche^ Du bist des Todes, wenn Du mir widerstrebst," raunte er Kathinka zu, indem er sie mit beiden Armen an den Schultern faßte, sie gegen die Wand drängte und ihren Mund durch Küsse zu schließen suchte.
Derbe Schläge der kleinen Faust des entschlossenen Mädchens trafen als Strafe für diesen Angriff in die Augen des frechen Räubers, während sie noch einmal aus voller Brust ihren Hilferuf erschallen ließ.
Von Schmerz überwältigt und momentan geblendet, taumelte Oginskoi zurück.
Vor derselben Thüre, durch welche Kathinka das Zimmer betreten hatte, wurden jetzt Stimmen laut.
Ein Schlüssel klirrte im Schlöffe, die Thüre gab nach, und mit dem Iubelrufe:
„Mein Bruder! — Meiu Babanoff!" stürzte Kathinka besinnungslos in den Armen Beider zusammen.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— Bon Tag zu Tag steigt die Unverschämtheit der Diebe unseres civilisirten Zeitalters, wovon folgende vor längerer Zeit passirte Geschichte ein vollgültiges Zeugniß ablegt. In Wien kam zu einem Lehrer ein etwas verwildert aussehender Mensch, der den überraschten Lehrer folgendermaßen ansprach: „Geb'n Sö mer mei Parapluie, was i vor'n Jahr bei Jhna stehn lassen hob'." Der Lehrer erwiderte befremdet: „Ich kenne Sie nicht, und weiß gar nichts von Ihrem Parapluie." Der Fremde darauf: „Denken's a bißl nach. Ich bin der, der vor'm Jahr bei Jhna einbrochen is. Sö hab'n mir ja no selber verwischt. — In der Verwirrung Hab' i damals mein Parapluie vergessen, aber jetzt bin i da und hol' mers wieder." — Lehrer (den Fremden zu einem Kasten führend): Da schauen Sie her, Sie niederträchtiger Mensch, wie Sie mir den Kasten zugerichtet haben, und nun machen Sie und scheeren sie sich weiter." Der Fremde: „Darüber können Sö mer nix mehr sag'n, dafür Hab' i mei
Straf' ausg'halt'n, nehmen's nur: acht Monat und fünfundsiebzig-
für nix und wieder nix, denn i Hab' ja bei Ihnen nur Fleißzettel g'sunden. Kinder Hab' i ta, also was thu i mit dö Fleißzetteln, und da soll i mei Parapluie a no hinterlassen? Na, das gibt's net, da geh'i zur Polizei." In der That kam der Fremde einige Zeit darauf in Begleitung eines Polizeidieners wieder, um sein Parapluie zu requirircn, was ihm denn auch ausgehändigt wurde.
— (DieOrdrezurHinrichtung Christi.) In der Sammlung von Manuskripten unv Dokumenten, welche bei dem Brande deA erzbischöflichen Palastes in Bourges vernichtet wurden, war wohl eines der interessantesten ein Aktenstück, welches persönliches Eigenthum der Familie de Latour d'Auvergne war und nichts Geringeres als die angebliche Exe- cutions-Ordre zur Kreuzigung Jesu Christi enthielt. Das Actenstück lautete folgendermaßen: „Jesus von Nazareth, vom jüdischen Stamme Juda, des Betruges und der Rebellion gegen die göttliche Autorität Tiberius Augustus, des Kaisers der Römer, überführt und wegen dieses Sacrilegi- ums über Verfolgung unseres Herrn, Herodes, Stellvertreters des Kaisers in Judqa, durch Spruch des Richters Pontius Pilatus zum Tode am Kreuz verurtheilt, soll morgen Früh, am 23. des Jdus des März unter Escorte einer Abtheilung der Prätorianer-Garde zum gewöhnlichen Hinrichtungsplatze geführt werden. Der sogenannte König der Huden soll durch das Struneanische (?) Thor hinausgeführt werden. Alle öffentlichen Beamten und Unterthanen des Kaisers sind angewiesen, der Ausführung dieses Urtheilspruches ihre Unterstützung zu leihen. — Jerusalem, 22. des Jdus des März. A. U. 783. Capel."
— (Das Land der Millionäre.) Es ist erstaunlich, schreibt ein Feuilletonist der „Prager Börsen-Zeitung", wie viele Millionäre die Schweiz hat — man kann sie ohne Uebertreibung das Land der Millionäre nennen. Winterthur allein, das kleine Winterthur mit seinen zehntausend Einwohnern, zählt zwanzig Millionäre, Genf hat deren über hundert, Zürich wohl eine gleiche Anzahl, der anderen Schweizer-Städte nicht zu gedenken.
Redaktion, Druck und Verlag der G-W- Z a is er'schen Buchhandlung.