2. Seite — Nr. 89
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter'
solle, in voller Freiheit und Gleichberechtigung mit diesem Lande und mit anderen Dominien nach einer Verfassung, die von den Indern nach vergehender llebereinstimmung unter sich selbst zusammengestellt würde und die den Hauptelementen des indischen nationalen Lebens entsprechen würde.
W'r hatten zuerst daran gedacht, sofort die Bedingungen für einen solchen Versuch durch einen konstruktiven Beitrag, Indien bei der Verwirklichung einer vollen Selbstregierung be- kanntzugeben. Wir fürchten jedoch, daß eine öffentliche Ankündigung in einem Augenblick wie jetzt eher ungünstig als günstig wirken wücd-e. Wir müssen uns erst selbst davon überzeugen, daß unser Plan in genügendem Matze Annahme findet und daß so alle Gedanken und Energien der Inder auf die Verteidigung des Heimatbodens konzentriert werden (!). Wir dürfen nicht vergessen, datz Indien «ine große Rolle in dem Weltkamps um die Freiheit zu spielen hat und datz seine helfende Hand in treuer Kameradschaft dem tapferen chinesischen Volk hingestreckt werden muh, das den Kamps schon so lange Zeit allein führte."
In diesem Zusammenhang ist auch ein Artikel des Amsterdamer „Allgemeen Handelsblad" zu diesem Thema äußerst aufschlußreich. in dem es u. a. heißt:
„Seit über einer Woche werden im Kriegskabinett Verhandlungen über das indische Statut geführt. Sie scheinen sich jetzt einem Punkt zu nähern, der der Krise zusteuert, wenn nicht im letzten Augenblick ein Kompromiß gefunden werden kann. Staf- ford Lripps, der Vertreter „sowjetischer Methoden", der für die bevorstehende Regierungserklärung die Verkündung entschiedener Maßnahmen fordert, durch Indiens Gleichberechtigung in inehr oder weniger greifbarer Form schon jetzt festgelegt werden soll, um die indische Verteidigungsbereitschaft sicherzustellen, stößt auf den erbitterten Wider st and Churchills, der Verfas- sungsexperimente im Kriege ablehnt und die Politik der Zusicherungen vertritt, die erst nach dem Kriege eingelöst werden sollen.
Um zu einem praktischen Ergebnis zu kommen, das zwar die inneren Gegensätze im Kabinett nicht zu überbrücken vermag, aber nach außen etwas Bestechendes hat, hat Churchill — wie man zuverlässig erfährt — in den Besprechungen am letzten Samstag einen Plan vorgelegt, der die Einschaltung des amerikanischen Präsidenten vorsieht, und in dem Roosevelt ein nicht unbedeutende Nolle der Einwirkung auf Indien zugedacht ist. Ehurchillbringt in Vorschlag, datz Indien an Stelle effektiver, sofort zu gewährender Freiheiten eine gewisse Garantie für di« Zukunft nach dem Krieg bieten soll.
Churchill hofft, daß, wenn der Präsident der Vereinigten Staaten sein Wort verpfändet, eine solche Garantie ausreichen würde, um die Inder zunächst auf Kriegsdauer zu befriedigen. Mit einer solchen Garantieerklärung Roosevelts, wenn sie von den Indern im Vertrauen auf das Wort des Präsidenten der Vereinigten Staaten akzeptiert wird — so argumentiert Churchill —, sei den Forderungen von Cripps Genüge getan, gleichzeitig aber die britische Regierung der Notwendigkeit enthoben, jetzt während des Krieges übereilte und nie wieder gutzumachende Regelungen zu treffen. Dieser Plan wird seit Samstag in den maßgebenden Kreisen in London stark diskutiert.
So soll nun ein neuer Betrug am indischen Volk verübt werden, aber die Inder sind erwacht und werden das Londoner Kompromiß und Roosevelts Garantie ablehnen.
Der deutsche Wedrmachtsbericht
Feindliche Massenangriffe im Südabschnitt abgeschlagen — Die brandenburgische 76. Infanteriedivision in unausgesetzt schweren Abwehrkämpfen besonders bewährt — 68 britische Flugzeuge vom 1. bis S. März vernichtet DNB. Aus dem Führerhauptquartier, 11. März.
Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt:
Im südlichen Abschnitt der Ostfront wurden feindliche Massenangriffe unter hohen blutigen Verlusten für den Gegner abgeschlagen. Auch an einzelnen Stellen des mittleren und nördlichen Frontabschnitts führten die Sowjets erfolglose Angriffe.
In unausgesetzten schweren Abwehrkämpfen hat sich die brandenburgische 76. Infanteriedivision besonders bewährt.
In Nordafrika wurden im Gebiet von Mechili britische Spähtrupps znrückgeworfen und motorisierte Kolonnen des Feindes bombardiert.
Bei Luftangriffen auf Flugstützpunkte der Insel Malta wurden Bombentreffer in Hallen und auf Abstellplätzen erzielt. Der Feind verlor in Luftkämpfen fünf und durch Zerstörung am Boden sechs Flugzeuge.
In den Gewässssern der Shetlands versenkten Kampfflugzeuge Lei Tag ein Handelsschiff von 2666 BRT. und belegten Flugplatzanlagen der Inselgruppe mit Bomben schwerster Kaliber.
In der Zeit vom 1. bis S. März verlor die britische Luftwaffe 68 Flugzeuge, davon 43 über dem Mittelmeer und in Nordasrika. Während der gleichen Zeit gingen im Kampf gegen Großbritannien 19 eigene Flugzeuge verloren.
Der Feind flog in der vergangenen Nacht nach Westdeutschland ein und warf Bomben vorwiegend auf Wohnviertel. Einige Zivilpersonen wurden getötet oder verletzt. Nachtjäger und Flakartillerie schossen drei der angreifenden Bomber ab.
In den Kämpfen des 5. März zeichnete sich der Oberleutnant Cabanis» Kompaniechef im Infanterieregiment Eroßdeutschland, durch besondere Tapferkeit aus.
Der italienische Wehrmachtsbericht
Erfolgreiche Tag- und Nachtangriffe gegen Malta Zwei feindliche ll-Boote versenkt — Italienische U-Boote versenkten an den Küsten der USA. weitere 23 566 BRT. feindlichen Schiffsraums — Der Feind verlor 13 Flugzeuge.
DNB Rom, 11. März. Der italienische Wehrmachtsbericht hat folgenden Wortlaut:
Feindliche Spähtrupps, die im Gebiet von Mechili auf einen unserer Spähtrupps stießen, wurden unter Verlusten in die Flucht geschlagen. Unsere Luftwaffenabteilungen griffen Panzerkampfmittel mit Erfolg an und beschädigten eine große Anzahl.
Bei einem Natchteinflug englischer Flugzeuge auf Bengasi entstand weder Gebäude- noch Personenschaden.
Die Tag- und Nachtangriffe gegen Malta gingen weiter. Flugplätze, Lager und Magazine wurden mit Bomben jeden Kalibers getroffen. Ausgedehnte und lang anhaltende Brände brachen in den zu wiederholten Malen getroffenen Zielen aus.
Der Feind verlor elf Flugzeuge, davon fünf im Lustkampf mit deutschen Jägern. Sechs Flugzeuge wurden am Boden zerstört.
Einer unserer von Flotten- und, Luftwaffenverbänden ge
schützter Eeleitzug wurde auf der Rückfahrt von Libyen von Torpedoflugzeugen angegriffen. Durch geschicktes Manövrieren und wirksames Feuer wurde der feindliche Angriff abgewiesen. Der Geleitzug gelangte an seinen Bestimmungsort, ohne irgendwie Schaden genommen zu haben. Im Verlauf der Kampfhandlung wurden zwei englische Flugzeuge getroffen, die ins Meer stürzten.
Die Torpedoboote „San Martina" und „Solferino" haben unter ihren Kommandanten, Kapitänleutnant Angela Pieva- tolo bzw. Mirko Ved-ovato zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Punkten je ein feindliches Unterseeboot versenkt. In den letzten vier Wochen verloren die Engländer mit Sicherheit sechs Unterseeboote im Mittelmeer.
Unsere an den Küsten der USA. tätigen Unterseeboot? haben 23 500 BRT. feindlichen Schiffsraums versenkt. Im Ver- laufe einer Woche haben damit die Versenkungen in diesem Gebiet 5 0 000 BRT. erreicht Bei diesen Unternehmungen zeichneten sich besonders die unter dem Befehl der Korvettenkapitäne Longanesi Cattani, de Eiacomo, Eiudice und Fecia di Cossato stehenden Unterseeboote aus.
So hausten die Bolschewist:» in Estland 266 666 Buchwerte gestohlen — 15 Apotheken zerstört
Reval, 11. März. Nach den nunmehr vorliegenden Festste!- - lungen sind während der Bolschewistenherrschast aus den estnischen Bücherbeständen mindestens 200 000 Werke beseitigt worden. Besonders hat Dorpat gelitten, jedoch ist die Bibliothek der Dorpater Hochschule erhalten geblieben. In Estland sind ferner während der Kommunistenherrschaft IS Apotheken und pharmazeutische Anstalten zerstört und eine erhebliche Anzahl Apotheker und deren Angestellte verschleppt worden.
Letzte Kachvtchte«
Zwei Flaksoldaten für heldenhafte Tapferkeit mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet
DNB. Berlin. 12. März. Der Führer verlieh das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes an Unterofsz, Erich Heiutze. Geschützführer in einer Flakbatterie und an den Gefreiten Arnold Hübner. Richtkanonier in einer Flakbatterie. Beide haben zahlreiche Panzer in Nordafrika vernichtet.
Das Ritterkreuz für einen kaltblütigen und tapferen Offizier
DNB. Berlin. 12. März. Der Führer verlieh das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes an Major Mar Hecht, Kommandeur eines Flakregiments für die heldenmütigen Taten seines Flakregiments.
Bedrohung der englisch-amerikanischen Versorgungslinien im Indischen Ozean
DNB. Berlin, 12. März. Im Zuge der Bekämpfung des nordaustralischen Seeverkehrs beschoß ein japanischer Flotten- verband am 7. März die Wcihnachtsinsel im südlichen Indischen Ozean. Es wurde schwerer Schaden an militärischen Einrichtungen verursacht.
Die Weihnachtsinsel sChristmas Islands liegt südlich Java und ist seit 1889 in britischem Besitz. Es befindet sich dort eine Funkstation. Durch diesen erfolgreichen Angriff bewahrheitet sich die Prophezeiung der „New Pork Times", die nach dem Fall von Java bemerkte: Der indische Ozean liegt nun frei und offen vor den japanischen Schlachtschiffen, welche die englisch-amerikanischen Bersorgungslinien nach China, nach Suez zum Persischen Golf bedrohen.
_ Donnerstag, den 12. März iz zz
Wie der USA.-Kreuzex „Marblehead" versenkt wurde
DNB. Tokio. 12. März. sOstasiendienst des DNV.s ^ Versenkung des USA.-Kreuzers „Marblehead" sagen maßgebend, Kreise, daß die „Marblehead" durch japanisch, Seestreitkriistr am 4. Februar vor Java und dann wieder am 27 Februar bei den Operationen vor Batavia und Surabaja beschädigt wurde. Trotz ihrer verzweifelten Anstrengungen, zu entkommen sank die „Marblehead" unter betäubenden Detonationen nur sieben Minuten, nachdem die Japaner den Angriff begonnen hatten.
Burmesische Aufständische unterstellen sich japanischem Oberbefehl
DNB. Berlin 12. März. Die japanischen Truppen habe« die Umgegend von Tharawadady erreicht. In diesem Gebiet konnten sie mit burmesischen Aufständischen Fühlung aufnehme,, die sich bereit erklärten, unter japanischem Oberbefehl gegen die ihne verhaßten Engländer zu kämpsen.
Englands tägliche Kriegskosten. Amtlich wird laut Reuter erklärt, daß der Krieg augenblicklich 12 PL Millionen Pfund Stelling täglich kostet.
Das neue Kabinett in Thailand. Nachdem am 7. März der Eesamtriicktritt des thailändischen Kabinetts stattfand, ist es dem Ministerpräsidenten Luang Pibul Songgram laut Domei gelungen, ein neues Kabinett aufzustellen. Der thailändische Ministerpräsident Songgram vereinigt in seiner Hand die Aemter des Verteidigungsministers und des Außenministers. Das neue Kabinett hat acht Minister mit Geschäftsbereich und 14 Minister ohne Portefeuille. Es sind also neun Minister weniger als im vorigen Kabinett. Vor allem ist zu verzeichnen, daß die meisten Minister des neuen Kabinetts ehemalige Soldaten sind.
Der Ausverkauf an USA. geht weiter. Aus London wird amtlich die Errichtung eines gemeinschaftlichen englisch-amerikanischen karibischen Ausschusses durch die amerikanische und britische Regierung bekanntgegeben. Das Arbeitsfeld der neuen Kommission erstreckt sich, wie es in der Meldung heißt, auf den gesamten britischen und amerikanischen Besitz im Karibischen Meer.
Ein jüdischer Rabbiner kam aus Neuyork in London au, um „dem britischen Volk die Grüße des amerikanischen Volkes" zu überbringen. Der Rabbiner soll gleichzeitig für den Eintritt in eine Judenarmee werben. Damit wird er freilich bei den „tapferen" Juden wenig Glück haben.
In Budapest wurden alle jüdischen Eemeinderüte auf Grund des Judengcsetzes aus dem Stadtrat entfernt.
In der Slowakei wird der Judenstern durch eine Verfügung des Innenministers eingcsührt. Die Juden sind "ere .i-.-itech ihn g'-ü; aus der linken Brustscite zu tragen.
Araberverhaftungen i« Syrien. Britische Geheimpolizei und Eaullisten nehmen in den letzten Tagen in Damaskus, Aleppo und Lattakije zahlreiche Verhaftungen von Arabern vor. Nach einer Mitteilung der gaullistischen Gesandtschaft in Damaskus handle es sich bei diesen Verhaftungen um Repressalien, weil in den syrischen Städten letzthin zahlreiche Protestversammlungen de.r Araber gegen die englisch-gaullistischen Zwingherrn veranstaltet wurden.
Gewohnheitsverbrecher erschossen. Der Reichsführer ^ und Chef der deutschen Polizei teilt mit: Am 5. März wurde der Gewohnheitsverbrecher Andreas Lochner erschossen.
Indiens „englische Krankheit"
DxZ wahre Gesicht der britischen Kulturpolitik am Indus und Ganges
Hinter der Prunkfassade der englischen Kolonialpolitik in Indien verbirgt sich e-n grauenvolles Elend der Eingeborenenbevölkerung, das bis zum heutigen Tage nicht behoben wurde.
Unter hundert Indern sind es ganze fünf, die lesen und schreiben können. Als diese Tatsache kürzlich von den indischen Nationalisten erneut verkündet wurde, um die Schuld Englands an diesem Tiefstand zu brandmarken, ließ Churchill bekanntmachen, daß sich die Zahl der Analphabeten nach den letzten statistischen Erhebung nicht auf 98 Prozent, sondern auf 88 Prozent beläuft. Die Briten sind auf allen Gebieten der Lüge, also auch auf dem Gebiet der statistischen Lüge, wohl bewandert und daraus ergibt sich der Unterschied zwischen den indischen und englischen Feststellungen. Die indischen Elementarschulen werden von rund vier Prozent der Bevölkerung besucht; mehr Schu- lungs- und Unterrichtsmöglichkeiten sind einfach nicht vorhanden, weil die Engländer das Geld der Inder für ganz andere Zwecke nötig haben. Wohl kein Beispiel beweist trefflicher die koloniale Mißwirtschaft, die England seit der Eroberung Indiens getrieben hat. Der große britische Historiker Thomas Va- Lington Macaulay hat festgestellt, daß das Volk Indiens, als es unterworfen wurde, ebenso „hoch zivilisiert" war wie die englischen Sieger, „Die Inder hatten Städte errichtet — so schreibt er —, die größer und schöner waren als Saragossa und Toledo, und Bauwerke von größerer Schönheit und Kostbarkeit als die Kathedrale von Sevilla; die Inder besaßen Banken, reicher als die reichsten Häuser von Barcelona und Cadiz, und sie hatten Vizekönige, deren Pracht diejenige des Kaisers Ferdinand bei weitem überstrahlte." Aus diesem Land des Reichtums haben die Briten ein Land des Elends, der Hungersnöte und der Seuchen gemacht.
Wie überall, wo sich der englische Einfluß durchsetzt, begann man auch in Indien mit Verhandlungen und Verträgen. Die einzelnen Völkerstämme und Fürsten wurden gegeneinander gehetzt und die Geschichte aller dieser Verhandlungen und Verträge war eine endlose Kette von Treubruch und Verrat. Von allem Anfang an war die Unterdrückung Indiens bis zum heutigen Tag nichts als brutale Willkür, Hinterlist und Betrug. Die Engländer rühmten sich sogar ihrer Erfolge, die sie mit dem System der „politischen Heucheleien" erreicht hatten, denn nach der Niederwerfung eines bewaffneten Aufstandes der Inder bereiste eine englische Parlamentskommission das „wieder befriedete Land", um die Gründe für die Unzufriedenheit der Inder zu erforschen. In dem Bericht dieser Untersuchungskommission vom Jahre 1879 wurde das Wesen der britisch-indischen Politik mit folgendem Satz gekennzeichnet: „Das erste Ziel unserer Herrschaft mußte notwendig die Unterwerfung des indischen Volkes sein, und wir haben ein darauf gerichtetes Regierungssystem eingeführt."
Dies Regierungssystem ist auch heute noch in Indien gültig. Das ganze Land ist in fünfzehn Provinzen und 695 Eingeborenenstaaten aufgeteilt. Die Provinzen werden von britischen Gouverneuren regiert. Die Eingeborenenstaaten haben zwar formell eigene Herrscher, Radschas, Maharadschas, Nabobs usro., aber
ihre Macht beschränkt sich auf das, was die Engländer „Innenpolitik" nennen. Sie haben nur Steuern auszuschreiben und einzuziehen, aber sie haben nicht einmal das Recht, mit irgend einem benachbarten Maharadscha irgendwelche Beziehungen zu unterhalten. An ihrer Seite steht nämlich der „Ratgeber", der immer ein Engländer ist und der in Wahrheit als der eigentliche Herr im Lande gilt. Alljährlich werden diese indischen Fürsten ein einzigesmal zum britischen Vizekönig eingeladen, und dort nehmen sie dann die Weisungen für die Durchführung ihrer „Innenpolitik" der nächsten 12 Monate in Empfang.
Jeder dieser eingeborenen Herrscher darf auch eine winzig kleine Parade-Armee unterhalten. Die Führung liegt in der Hand der Engländer; sämtliche ausschlaggebenden Offiziersposten sind den Indern versperrt. Sie dürfen nur ganz untergeordnete Stellungen bekleiden. Ein indischer Offizier ist ein Paria unter seinen Kollegen, und das äußert sich schon in seiner Entlohnung. So erhält beispielsweise ein indischer Leutnant 130 Rupien im Monat, während der bei der gleichen Truppe stehende englische Leutnant mehr als den vierfachen Betrag an Rupien bekommt.
Für die Volksgesundheit ist überhaupt nichts getan worden. Cholera, Pest und Typhus raffen alljährlich Hunderttausende hinweg. Die Epidemien müssen sich, wie die Briten sagen, von allein „totlaufen". In einem der letzten „Indischen Jahrbücher" wird von einem englischen Sachverständigen die Zahl der bei der Grippeepidemie vom Jahre 1918 gestorbenen Inder aus 13 Millionen beziffert, während die Zahl der Erkrankten 125 Millionen betrug. Ganze Landstriche wurden bis auf den letzten Mann ausgemerzt. Die Widerstandsfähigkeit der Inder gegen Krankheiten ist durch die schlechten sanitären und sozialen Verhältnisse soweit herabgemindert, daß — ebenfalls nach englischen Berechnungen — die mittlere Lebensdauer 24 Jahre betrügt, während sie für die englische Insel auf 46 Jahre geschätzt wurde.
Die brutalen Wirtschaftsmethoden, die bis auf den heutigen Tag in Indien angewandt werden, haben die Gesundheit des Volkes unterhöhlt. Zwar sind in den letzten Jahren Bestimmungen herausgegeben worden, nach denen Kinder unter ^Jahren nicht in der Industrie beschäftigt werden dürfen, aber selbst in den Berichten englischer Kommissionen wird zugestanden, daß diese Anordnungen nur auf dem Papier stehen. Sie sind übrigens nur erlassen worden, um die Ansätze der indischen Industrie niederzuhalten und um der englischen Exportindustrie die Absatzmöglichkeiten zu gewährleisten. Für Rohstoffbetriebe, also sür Minen und Bergwerke, gelten diese Kinderarbeitsverbote überhaupt nicht; dort werden acht- und zehnjährige Kinder sogar untertage beschäftigt. Der Erlaß des Kinderarbeitsverbots in der Textilindustrie hing mit dem Willen der Engländer zusammen, die indische Baumwolle restlos nach England zu übernehmen, sie dort verarbeiten zu lassen und die Fertigwarenprodukte dann wieder auf dem indischen Markt abzusetzen.
Es ging immer nur um den Profit. Der englische Staat hat in Indien über 14 Milliarden Goldmark investiert; dazu kommen die Privatinvestitionen in Höhe von rund 10 Milliarden. Die Dividende wäre gefährdet, wenn der Lebensstandard der Inder gehoben würde. Der englische Historiker Williams Digby erklärte: „Der britische Wohlstand auf Kosten der armen Inder wird sich fortsetzen, bis eines Tages eine Katastrophe von- beispielloser Furchtbarkeit eintritt; welcher Gestalt sie sein wird, kann niemand mit Gewißheit sagen...".