man in einer schweren Kirchennoth hier. Darauf erfolgte keine Aulworl ans dein Munde des Königs. Au der folgende» Woche aber kan, ei» hoher Finanzbeamter hieher, um in unserer Kirchen- fache eine gütliche Nedereiuknufl mit dem Slislungsiaihe zu Stande zu dringen. Die unabänderliche Forderung des Abgesendete» war: die Gemeinde solle die Baustelle erwerben, dann wolle der Staat nichts von der Stiftung und werde eine schöne Kirche auf seine Kosten Herstellen. Um endlich znm ersehnten Ziele zu kom­me», willigten die Gemeindecollcgien ein und es kam am 10. November 1865 folgende Uebereinknnft zu Stande:

1) Die Finanzverwaltung anerkennt, das; die Stifiungspflege zu dem bevorstehenden Kirchenbau keine verwendbaren Mittel hat; sie verpflichtet sich au anderer Stelle eine neue Kirche in würdigem Stil nebst Thurm und heiz­barer Sakristei herzustelle». Die Kirche, deren Plan das Cousistoriul» zu genehmigen habe, soll e i n e Empore und Sitzraum für 2000 Personen erhallen. Die Finauzver- wnltung schafft auch Kanzel, Altar und Taufstein an.

2) Die Gemeinde Nagold aber hat für die Erwerbung der Baustelle, nebst Werkplah, sowie für die Anschaffung der Kirchenstühle, Orgel, Glocken und Uhr zu sorgen, sie bezahlt für das bisherige Kirchengebändc und dessen Grundfläche »ach Einweihung der neue» Kirche 5000 fl. und bestreitet die gesetzliche Frohnpflichl in Hand- und Fuhrarbeiten an der neuen Kirche.

Nun war es am Stislnugsrath in Nagold, einen tauglichen Bauplatz zu bestimmen. Unter fünf voraeschlagenen Stellen wurde diese, auf der wir stehen und. die Grundmauern aus der Erde hervorragen sehen, vom Sliftungs und Pfarrgemeindcrath ein­stimmig gewählt. Die Gründe für die Wahl waren: weil dieser Platz auf einem Bergrücken, zwischen zwei Thäleru, frei, sonnig, etwa 60' über der Nagold, der Mitte der Stadt am nächsten gelegen ist, in seiner erhabenen Lage von alle» vier gegen die Stadt ausmündenden Thäleru und auch von der Eisenbahn aus überraschend ins Auge fällt. Die 'Wahl wurde auch von der Oberkirchen- und Finanzbehorde gut geheißen.

Allein die Eisenbahn, eine der Gemeinde willkommene Sache, die mit der Schnelligkeit des Windes die Dinge befördert, sic sollte zuerst verzögernd unserem Kircheuban sich in den Weg stellen. Ihre Richtung stand noch nicht fest und drohte an oder über den Kirchenbauplatz zu führen. Diese Ungewißheit führte abermal einen Stillstand in der Kirchenfrage herbei und erst nach 20 Monaten wurde festgestellt, daß die Bahn ihren Zug etwa 400' oberhalb der Kirche nehmen werde. Damit war endlich unserer neuen Kirche die Stätte gesichert, aus welche sie zu stehen kommen sollte, eine geweihte Stätte, auf der früher die Kapelle des Set. Leonhard stand, was man »och ans aufgcdecken Maucrresten beim Ebnen der Baustelle ersehen konnte. Möge unser Herr und Heiland seinem Evangelium und unserer evangelischen Kirche eine längere Dauer verleihen!

Nun wurde ohne Verzug im August 1867 die Balistätte vom Ttiftungsrath erworben im Umfang von über einem Morgen Ackerfeld. Gleichzeitig war man darauf bedacht, den Bauplan der Kirche sestzustellen,. um schließlich genau zu wissen, welche weitere Flächenränme man zur Kirche und ihrer freien Umgebung noch bedürfe. Auch dieser letztere Punkt kostete Zeit und Geduld. Es wurden mehrere Bauplan-Entwürfe ausgearbeitet und von den kirchlichen und Finanzbehörden geprüft, bis endlich ein von Hrn. Baurath Landauer entworfener Plan allseitig genehmigt wurde, der nun mit Gottes Hilfe zur Ausführung kommt. Dieser Plan ist gestern hier öffentlich ausgestellt gewesen und wird nun auch in den Grundstein niedergelegt. Er zeichnet ein Gebäude vor in einfachem gothischen Schl von schönen Verhältnissen, mit einem Thurm von 215' Höhe gegen Abend gelegen. Gegen Morgen liegt der Chor in achteckigem Abschluß mit 3 Fenstern, 34' lang und breit. Neben dem Langschiff gehen zwei Seiten­schiffe her, die zusammen 58' lang und 65' breit sind. Zwischen die Langschiffe und den Chor fügt sich ein Querschiff ei» von 44' Tiefe und 99' Breite, so daß die Kirche die Gestalt des Kreuzes erhält. Die Länge des ganzen Gebäudes mit Thurm und Vorhallen mißt 150'. Das stattliche Gebäude wird gegen die Stadt einen terrassenförmigen Zugang erhalten und ans den übrigen Seiten eine freie Umgebung von wenigstens 40' haben.

So erfreut man über das geräumige, massive, einen erha­benen Eindruck machende Kirchengebäude war, so hatte es dennoch die Folge, daß die Kirchengemeinde noch einen birtern Kelch trinken mußte. Für die stattliche Kirche bot die erkaufte Grundfläche nicht genug Raum, die Baubehörde forderte einen freien Zugang und eine freie Umgebung, würdig der heiligen Bestimmung des Gotteshauses. Nach der 1867 getroffenen Uebereinknnft konnte sich die Gemeinde dieser Forderung nicht entziehen, und der Stis- tungsrath entschloß sich nach vielen Verhandlungen, noch weitere Räume zu erwerben durch Ankauf von vier Häusern, von denen zwei zum Abbruch kommen, zwei nach Abschneidung von den erforderlichen Flächen aus den ihnen zugehörigen Gärten dem Wiederverkauf ausgesetzt werden sollten. Dadurch erwuchs der Gemeinde eine sehr große Ausgabe, so bedeutend, daß auf Bitte des Stiftungsraths das Kön. Finanzministerium die sehr dankens- werthe Billigkeit hatte, an dem Kaufschilling der allen Kirche mir 5000 fl. 4000 fl. nachzulassen und eines der Häuser, das Dr. Schüz'sche Haus, um den Ankauf übernahm und es zu einer

Dekanatswohnung bestimmte. Der Gemeinde verblieb sonach noch ein Aufwand von etwas aber 16,000 fl. Die Genehmigung der Fiiianzbehörde in Betreff des Bauplatzes erfolgte am 17. März 1870.

Noch erübrigte, daß auch die Frage wegen der Hand- und Fnhrfrohnen, die der Gemeinde landrechtlich zukommen und im Vertrag von 1861 zugestanden sind, gelöst wurde. Mit einer Abordnung der K. Baubehörde verständigten sich die Gemeinden Nagold und Jselshausen am 7. April 1870 dahin, daß diese Frohnen nicht in Natur geleistet, sondern in eine Geldentschädi­gung verwandelt werden sollen. Von der urspriuglichen Forderung von 25,200 fl. vereinigte man sich beiderseits auf 24,000 fl. in drei Baujahren zu bezahlen.

Nun war man, Gott sei Dank, zu dem Ziele gelangt, daß die ganze Kirchenbausache, die Bauplane, die Leistungen des Staats, die im Ganzen gegen 150,000 fl., und die der Gemeinde, die gegen 50,000 fl. betragen werden, Sr. Majestät dem König Karl zur Genehmigung vorgelegt werden konnten. Es traf sich, daß der König eben vom Sterbebette seines Vetters, des Kön. Prinzen Friedrich, kam und während er in dieser Bewegung seines Herzens den Bauplan besichtigte, den erhabenen, von uns freudigst aufgenommenen Entschluß faßte, die drei Fenster im Chor der Kirche mit Glasgemälden auf seine Kosten zu schmücken. So konnte nun nach schnell vollbrachter Akkordsverhandlung in diesem Jahre der Tag anbrecheu, an welchem die Bauarbeit be­gonnen wurde. Es war der 9. Juni d. I., an welchem sich in der Frühe die Schaar der Arbeiter nebst StistungS- und Pfarrgemeinde- rath auf der Baustelle versammelte und nach Gesang und Gebet zum obersten Bauherren um seinen göttlichen Segen zur Grab­arbeit schritt. Das Werk ging ruhig, ohne Schaden seinen Gang, die Unternehmer mit ihren Arbeitern bauten in Fleiß und schöner Ausführung, der Bauaufseher richtete sein Auge auf das Große und Kleine, so daß heute die Grundmauern 68' über die Erde sich erheben und uns die Freude geworden, in herzlichem Danke vor Gott den Grundstein zu legen Auch der Krieg, in welchem die Franzosen über unser theures deutsches Vaterland herfallen wollten, und welcher die Banarbeit mit Einstellung bedrohte, durste nach Gottes Willen nicht hinderlich werden, ja er wurde zum Se­gen, indem er manchem sonst feiernden Arbeiter lohnende Beschäf­tigung gab, selbst zum unberechenbaren Segen, indem er nach den wunderbaren, nie erhörten Siegen unserer vaterländischen Krieger unserem Volk Errettung vom französiscken Joch, wahr­hafte Einheit und edle Freiheit verschaffte, Güter, die auch dem Reiche (flottes unter uns einen großen Gewinn, wie wir hoffen, bringen werden.

So durften wir uns heule versammeln, vor Gott den Grund­stein an der neue» Kirche ;u lege», mit der Hoffnung, daß auf demselben das würdige Gebäude in Frieden und ohne Unglück und Unrecht aufeebaut werde. Wir stehen da voll Freude und Dank nach oben blickend zum Herrn, unserem Gott, dem gnädi­gen und weisen Lenker auch der äußerlichen Umstände, daß er bis hieher geholfen; dankbar unserem geliebten Könige, daß unter seiner Regierung Recht Recht bleibt und alles Gute und Schöne gefördert wird; dankbar all den Männern, die an dem schwierigen Werke bis zum heutigen Tag mitgeholsen haben, vor allem dem Rechtsanwalt Dr. Göhrnm in Stuttgart, der mit giner seltenen Treue und Sachkenntniß die Sache unserer Gemeinde vertreten hat; dankbar nicht welliger den Slants-Finanzbehörden, inbeson­dere dem Herrn Finanzminister v. Renner, die zwar mit dem ihnen anvertranlen Landesvermögen sehr sorglich Haushalten, aber doch dem Recht seine Geltung lassen und unserer Gemeinde eine über alles Erwarte» würdige Kirche Herstellen werden; dankbar dem kunstsinnigen Ballmeister des Staats, Banrath Landauer, der keine Mühe scheute, dem Bednrfniß der Gemeinde und der Schönheit seines Werkes gerecht zu werden; dankbar nicht am wenigsten den bürgerlichen, wie auch kirchlichen Gemeinde­behörden, die sich frei erhallen haben von dem herrschenden Sinne nur für irdische Interessen, und auch die schwersten Opfer nicht gescheut, für die geistige und sittliche Bildung der Gemeindegenossen das Ihre zu thnn in der Gegenwart und für die ferne Zukunft. Sie haben die hiesigen Lehranstalten vermehrt und verbessert, zwei Schulhänser, eine Wohnung für drei Lehrer und ein Haus mit sechs schönen Lehrzimmern mit einem Aufwand von nahezu 40,000 fl. erbaut, sie haben beschlossen, ihren Theil an den Kosten der neuen Kirche, die 50,000 fl. vielleicht über­steigen werden, willig zu tragen. Die kommenden Geschlechter werden den geistigen und ewigen Segen davon ernten und es ihnen danken. Dankbar bekenne ich, der Unterzeichnete Stadtpfar­rer , schließlich auch mich mit freudig bewegtem Herzen, daß es unser Herr und Heiland mir hat gelingen lassen, an dem theuren Werke dieser Kirche, dem ich einen beträchtliche» Theil meiner Zeit und Kraft unverdrossen widmen durste, znm unvergänglichen Segen der Gemeinde bis heute sortzuwirken und flehe, der das gute Werk hat angegangen, wolle es uns auch vollende» lassen nach seinem Wohlgefallen.

Der Grundstein, den wir min legen kür unsere Kirche, der soll das sichtbare Fundament sein des unsichtbaren göttlichen Eck­steins, ans welchen, und auf keinen andern, die Gemeinde Gottes unter uns erbaut werde jetzt nnd immerdar. Amen.

(Folgen die Namen der Unterzeichner der Urkunde der staat­lichen Baubehörden, der Bezirks- nnd der Gemeindebehörden rn Nagold und Jselshausen.)