fernt, seine Beschießung mit gezogenen 24-Psünbern und den neuen Mörsern wäre daher nicht möglich, deßhalb hat man die Riesenkanonen, welche nunmehr in den Seefestungen entbehrt werden können, herbeigeholt. Es sind dies gezogene 72- und 95pfünder von 14—17 Fuß Rohrlänge und MO Ctr. Gewicht, die 210 resp. 300 Pfund schwere Spitzgranatcn ca. 1 Meile weit schießen, wenn man ihnen die nöthige Elevation gibt. Im Seekriege wäre das Schießen auf solche Entfernung etwas unsicher, beim Bombardement des Pariser Häuscrmeercs hätte man jedoch nicht auf Fehlschüsse Rücksicht zu nehmen und die Wirkung gegen Gebäude muß eine furchtbare werden.
Bei den Verhandlungen wegen der künftigen Gestaltung Deutschlands im großen Hauptquartier wird Baiern durch die Herren Minister v. Bray und v. Pranckh, und Baden durch die Herren v. Jreydorf und v. Jolly vertreten sein.
Frankfurt, 17. Okt. Nach der Franks. Pr. werden die Kosten für die Jnternirung Napoleons auf Wilhelmshöhe „bis auf den letzten Heller" aus der Privatchatouille des Königs bestritten. — Auch neuerdings wieder sind starke, für Paris bestimmte Munitionskolonnen hier durchgekommen. (S. M.)
Aus Oderösterreich meldet die N F. Pr. vom 16. Oktober: Eine stark besuchte liberale Versammlung in Neumarkt bei Salzburg fand heute statt. 400—SM Vercinsmitglieder aus Oberösterreich, Salzburg und Niederösterreich hatten sich eingesunken. Major Hohenegg prästdirte. Göllerich sprach unter donnerndem Beifall und lebhafter Zustimmung über die Lage Oesterreichs. Der Abgeordnete Frhr. v. Weichs, lebhaft empfangen, beantragte nach kurzer Motivirung und im Hinblicke auf seine stets befürwortete deutsche Politik folgende Resolution: Die Versammlung freisinniger deutscher Männer Oberösterreichs und Salzburg zu Neumarkt bei Salzburg erklärt: Zur Erhaltung und Kräftigung Oesterreichs ist ein staatsrechtlicher oder mindestens inniger völkerrechtlicher Anschluß an das geeinigte Deutschland eine unabweisbare Noth- wendigkeit. Eine solche Verbindung ist auch vollständig in der Entstehung und Entwicklung Oesterreichs geschichtlich begründet. Das gegenwärtige Ministerium aber, welches weder bas Vertrauen der Deulsch- Oesterreicher auch nur im geringsten Maße genießt, noch überhaupt die Befähigung besitzt, einer großen politischen Ausgabe gerecht zu werden, ist außer Stande, diese einzig und allein den Interessen Oesterreichs heilsame Politik durchzuführen."
Tours, 18. Okt. Ein neues diplomatisches Rundschreiben des Hr». v. Chaudordy vom 14. Oktober beantwortet das Rundschreiben Bismarcks vom 10. Okt., weist die Verantwortung für das Unglück, das aus der Fortsetzung des Kampfes entspringe, zurück, widerlegt die Behauptungen bezüglich der Lage von Paris, und schließt mit dem Wunsche nach Frieden, sofern derselbe ein dauerhafter sei.
Der Erzbischof von Tours hat an den Minister des Innern einen Protest wegen der gegen die religiösen Korporationen in Marseille und Lyon verübten Gcwaltthätigkeiten gerichtet.
Ein Leitartikel der Liberia kommt zu dem Resultate, das ge- sammte Frankreich lege allerwärts im höchsten Grade Zeugnisse seiner Ohnmacht ab; cs mögen endlich doch wahre Patrioten die Wahrheit sagen. Schließlich erhebt die Liberia den Vorwurf, die ganze Regierung in Tours tauge nichts.
Victor Hugo ist mit einem neuen Manifest gegen die deutschen Truppen in'» Feld gerückt. Hören wir einige seiner Phrasen: „Wir sind nur noch ein einziger Franzose, ein einziger Pariser, ein einziges Herz, es gibt nur noch einen einzigen Bürger, der seid Ihr, der bin ich, der sind wir Alle. Wo die Bresche sein wird, da werden unsere sämmtlichen Brüste sein." „Widerstand heute; Befreiung morgen. Darin liegt Alles. Wir sind nicht mehr von Fleisch, sondern von Stein. — Ich kenne meinen Namen nicht mehr, ich heiße Vaterland! Front gegen den Feind! Wir alle heißen Frankreich, Paris, Mauer!"
Gambetta hat den Gemeinderath in Dreux in Masse festnehmen und in Tours einkerkern lasten, um die Leute vor das Kriegsgericht zu stellen. „Diese Elenden", meidet das Si-cle, „hatten nicht blos den Beschluß gefaßt, ihre Stadt nicht vertheidigen zu wollen, sondern noch dazu Sendlinge an die Preußen abgcschickt, um diesen ihren Beschluß mitzuthcilen."
Wie der „Daily Telegraph" hört, bestätigt sich das vor einigen Tagen erwähnte Gerücht, daß drei Franzosen von Distinktion in Paris erschossen werden. Gerichtsweise verlautet, daß sie an der Spitze einer Clique standen, welche die Uebergabe von Paris beabsichtigte. General Trochu soll die Jntrigue entdeckt und die kriegsrechtliche Erschießung deren Urheber anbcsohlen haben.
Die Streitkräfte, welche unter Garibaldi's Kommando ope- riren werden, bestehen nach Berichten von Tours aus italienischen, spanischen, amerikanischen, polnischen und ungarischen Freiwilligen, nebst einem Theile der päbstlichen Zuaveu.
Der Plan der Kaiserin Eugenie ging im Einverständnis! mit dem Kaiser dahin, den Prinzen Lulu nach Metz zu Bazaine zu bringen und dann mit Preußen und Deutschland Frieden zu schließen gegen Abtretung von Elsaß und Deutsch-Lothringen. Lulu sollte alsdann unter dem Namen Napoleon IV. Kaiser werden, unter der Vormundschast der Kaiserin Eugenie. Deßhalb wurde General. Bvurbaki aus Meß heraus zur Kaiserin eitirt. Bourbaki lehnte es aber entschieden ab, hiefür thä- tig. zu sein, da die Franzosen sich nicht dazu hergeben würden. Namentlich würde keine franz. Truppe den Prinzen unter sich dulden. Bour- baki. will sich jetzt nach Tour begeben und der provisorischen Regierung von'diesem Plane Kenntniß geben. Auch Marschall Bazaine sei keineswegs mit dem Plane der Kaiserin einverstanden.
Die unterirdischen Militärstationen von Paris. Paris ist eine große Festung, welche namentlich Napoleon mit aller Berechnung ausgebaut hat, um vor Ucberraschung seiner lieben Pariser gesichert zu sein. Sie umfaßt 30 Caserncn und 16 detachirte Forts, hie iammt dem Mont Valerien unter sich durch unterirdische Telegraphen in Verbindung stehen. Ter Centralpunkt dieses militärischen Netzes ist die Seine-Insel Ei!? mit ihrer riesigen Kaserne Municipal. Paris hat aber einen Doppel
boden, einen aus der Erdoberfläche und 18 Fuß tiefer genau denselben, Straße für Straße, unterirdisch. Das sind die neuen Cloakcn von Paris, die «inen Raum von 60 Lieues umfassen und nur Wenigen gezeigt werde». Beim Gaslicht steigen wir 18 Stufen einer Treppe hinab und befinden uns in einem hohen Gange von 8 Fuß Breite, besten Wände aus riithli- chen Mühlsteinquadern bestehen, in der Mitte läuft ein schmaler, tiefer Canal mit geruchlosem Wasser, zu beiden Seiten zieht sich ein Trottoir hin, auf weichem Schienensträngc lausen, von oben fällt alle 20 Schritt durch runde Löcher Dämmerlicht herein. In den Schienen suhl ein kleiner Waggon, in den wir uns setzen und der von vier Männern blitzschnell geschoben wird. Hunderte von andern Gängen münden in unsern Hauptweg, in denen allen auch schienen laufen und an deren Ecken auf Schildern die Namen der Straße» angegeben.sind, welche an gleicher Stelle über uns auf der Oberfläche von Paris sich dahinziebcn. Wir höre» dumpf und fernher das Rollen der Wagen in den Straßen über uns, das aber übertäubt wird von dem monotonen Geräusch der Cloaken und ihren Wasserfällen. An der Wand gegenüber läuft eine gußeiserne Röhre, die neue Wasserleitung. Spränge diese Röhre zufällig, so müßten wir ertrinken. Aort geht es in rollender Eile von Stollen zu Stollen, von Straße zu Straße, die Luft wird immer eisiger und feuchter, die Männer, die uns schieben, stehen zuletzt bis an die Knöchel im Master, die Wände werden modrig und rinnend. Hier beginnen die alten Cloaken. Einmal passiren wir eine Stelle, die mit seucktem, warmen Qualm erfüllt ist: wir befinden uns unterhalb eines stark besuchten Dampfbades. Dann wieder plötzlich, welche milden seifigen Wohlgerüche? Heber uns wird in einer Parfümeriefabrik gearbeitet. Nirgends eine Spur von Ratten. So durchfahren wir halb Paris unterirdisch. Endlich gerathen wir in eine neue Serie graber und gewundener Wege. Wir entsteigen dem Waggon und gelangen nach einigen Schritten'in einen weiten, hohen Kuppelbau, a» das Ufer einer breiten Canalisiruug. Es ist der Haupt- siuß. Und nun die Hauptsache: Diese zahllosen schmalen Schienenwege durchfahrend, waren wir schon wiederholt, breit ausmündend, in ungeheure runde und hohe Kuppelbauten gelangt, — dies sind die unterirdischen Militärstationen zur geheimen Concentriruug der Truppen Massen, entsprechendundingeheimerVerbindung mit den überirdischen Befestigungen — Caserncn und Forts — von Paris. Sie sind von Napoleon gebaut und ausgedaur gegen seine inneren Feinde, die Revolutionäre, — ob sie auch gegen einen äußern mächtigen Feind Dienste leiste», werden wir bald erfahren. Moltke sind sie nichls weniger als ein Geheimniß.
Aus Straßburg wird geschrieben: Nicht genug kann man in den gebildeten Kreisen Slraßburgs die Herzensgülc Uhrichs rühmen, der während der Belagerung Alles ausbol, das Elend erträglich zu machen. Einer armen, nothdürflig gekleidete» Frau, die mit ihrem kranke» Kinde genöthigl war, ans der Slraße zu kampircn, ließ er seine eigene wollene Decke aus seiner Wohnung holen, wofür er von den Umstehenden mit Hochrufen belohnt ward. Und wenige Tage hernach beschuldigten ihn dieselben des Verraths und behaupteten, die Festung sei mit preußischem Gelde erkauft worden."
Marseille, 13. Okt. Ein Beschluß Esquiro's suspendirt bis aus weitern Beseht die „Gazette du Midi", löst die Kongregationen der Jesuiten auf, welche das Land binnen drei Tagen zu verlassen haben, und sequestrirt ihre Güter.
Brüssel, 16. Okt. Der hier cingetroffeue „Siöcle" vom Donnerstag bringt von einem sich nennenden Eingeweihten (Max Pol) ein sehr detaillirtes Verzeichnis; aller vom Exkaiser seil 1854 gemachten ausländischen Kapitalsanlagcn unter der Anführung des Namens aller vermittelnden Bankiers. Der Totalbetrag des Kapitals beläuft sich auf 66 Millionen.
Brüssel, 19. Okt. Mac Mahon ist hier eingetroffen. „Etoile belge" erfährt aus Paris, daß Txochu und andere Re- gierungsmitglicder nicht abgeneigt wären, in Friedensunterhand- lungen einzutreten; Gambetta hingegen wolle keinerlei Concession machen und den Widerstand bis zum Acußersten treiben.
Der König der Belgier hat sein Schloß Ciergnon, das einige Meilen von Bouillon entfernt ist, also in der Nähe von Sedan liegt, zum Lazareth bestimmt, welches er selbst besucht. Außerdem hat König Leopold dem Berliner Ceutralkomite die Summe von 12,000 Thalern für die deutschen Lcrwundelcn übergeben lassen.
Rom, 17. Oktbr. Lamarmora hat den Papst rücksichtsvollst zu befragen, was er zu thun gedenke, damit die Regierung wegen des inoäus vivenäi und der Verlegung der Hauptstadt definitiv beschließen könne. Der Papst soll Nom nicht verlassen wollen.
In Rom beginnt es zu tagen. Wie der „A. Z." gemeldet wird, ist der durch Zwangsmaßregeln zum Christenthum bekehrte Judenknabe Cohen auf Befehl der Regierung seinen Eltern zurückgegeben worden.
Nom, 20. Okt. Der „Osservatore Romano" bestätigt, daß der Pabst gesonnen sei, nach Innsbruck zu gehen. Der Gesundheitszustand des Pabstes sei vortrefflich.
Florenz, 17. Okt. Mazzini und Cadorna sind hier ein- getroffcn. Der Herzog v. Aosta hat die spanische Krone definitiv angenommen. Thiers konserirte lange mit Cialdini über die spanische Frage.
S>t. Petersburg, 18. Okt. Das Journal de St. Petersburg bestätigt, daß Burside, amerik. Gesandte, Favre deutsche Waffenstillstandsbedingungen mitgetheilt habe, welche Burnside für annehmbar erklärt habe; sie werden jedoch verworfen. (S- M.)
New-Aork, 17. Okt. Ein furchtbarer Sturm hat auf Cuba gewüthct. Es geht das Gerücht, 2000 Personen seien dabei nmgekommen. __ ,
Redaktion, Truck und Verlag der G. W. Zaiser'sch'cn Buchhandlung.