auf das eigene Hab und Gut beschäftigt, das Botschaftshotel zu retten. Seine Habfcligkeiien wurden vollständig vernichtet. Lady Elliot verließ beinahe erstickt mit knapper Noth das Palais. Die Archive und alle Aktenstücke der Kanzleien sind gerettet. Das Journal Levant Herald konnte mit Mühe erscheinen, die Turquie und der Conrrier d'Orient konnten wegen Arbeitermangel nicht erscheinen. Die Mehrzahl ihrer Arbeiter verloren Hab und Gut. Das Hospital und Gebäude der deutschen Wshlthätigkcitsgcsell- schafr sind vollständig zerstört. Die Kranken wurden durch den Mnih einiger deutschen Herren, von welchen zwei an ihren Verwundungen starben, gerettet. Die armenische Kirche zur unbefleckten Empfängnis; wurde stark beschädigt, doch ist der von der Kaiserin Engenie ihr im verflossenen Jahre verehrte Gobelin gerettet worden. Es hat sich ein Konnte gebildet zur raschen Hilfeleistung, große Summen wurden bereits gezeichnet. Die Gesandten aller Nationen haben an ihre Nationalen Unterstützungen vertheilt. Nach dem Levant Herald, welcher diese Mittheilung von der Polizei erhält, beträgt die Zahl der zerstörten Häuser 7000.
Die Deutschen im Ausland. Die „Leipziger Nachrichten" theilen Folgendes mit: Einem am 16. Mai in Newyork ausge gebeneu, an unseren Mitbürger, Herrn Nauchwaarenhändler Th., gesendeten Briese entnehmen wir mit Erlaubnis des Empfängers nachstehende interessante Notiz: „Heute ist in Newyork ein großes Fest. Das erste deutsche Kriegsschiff ist vor einigen Tagen hier angckommen und wurde dessen Mannschaft heute mit Musik und Fahnen von hiesigen deutschen Schützen festlich eingeholt. Pickenick während des Tages und Ball heute Abend. Alles ohne Unterschied, Schwabe, Sachse, Bayer, Preuße, Alles freut sich. Hier gibt es nur Deutsche, wer noch ans Anderes sich etwas einbildcn wollte, würde ausgelacht."
Eine Nacht auf einer algerischen Niederlassung.
(Fortsetzung.)
Zwei Stunden später hatte auch Obigny seine Unterredung mit dem Statthalter bereits vollendet und traf in der Cavalleric- Kaserne ein, wohin er sein Pferd führte.
Da hörte er, daß ihn jemand ganz vertraulich anrief.
Erstaunt blickte er um und sah eine ganz wunderliche Gestalt ihm gegenüberstehen.
Es war der Jäger Jean Casse-Tete, von dem der Pariser zuvor gesprochen.
Er trug ein halb europäisches, halb orientalisches Costüm, das ihm ein überaus befremdliches, beinahe wiederwärtiges Aussehen verlieh. Seine röthlichen weiten Hosen, nach türkischer Art, reichten ihm bis an die prallen Waden, welche lederne mit Pelz ausgeschlagene Gamaschen bedeckten. Die Blouse aus weißer Leinwand reichte kaum bis an die Huste, so daß der Gürtel aus schwarzem Leder noch sichtbar wurde, an dem sich ein ganzes Arsenal von Pistolen und Dolchen befand. Seine Kopfbedeckung bestand aus einem ungeheuren Strohhute, auf dem eine breite Straußenfeder schwenkte und unter dessen unermeßlich breiter Krempe sich nur der rothe, ungekämmte Bart hcrvordrängte.
Der Hund des Jägers streckte sich unter dem Schatten des unverhältnißmäßig breiten Hutes hin und betrachtete dabei unver« wandt seinen Herrn, der, auf seinen Carabiner gestützt, Obigny's Antwort abwartcte.
— Gottes Donner, Du bist cs. Jean? Mir ganz lieb, daß ich Dich sehe. Was machst Dn? fragte der Löwentödtcr.
— Ich fühle mich wohl wie der Johannesbaum im fruchtbaren Boden, antwortete Casse-Tete. Und wie geht es Dir?
— Bin gleichfalls zufrieden; aber ich bin müde wie ein Pferd, das von der Gazellenjagd zurückkommt.
Das thut mir leid! meinte Casse-Tete.
— Wie so?
— Weil ich morgen nach der Sahara abgche. Die Zeit der Straußenjagd ist da, und da muß ich hinter ihnen drein. Ich hoffe ein gutes Geschäft zu machen. Dennoch aber kam ich nach Nemours herüber, um Dich zu fragen, ob Du Lust hast zu einem Ausfluge, den ich heute Nacht vorhabe. Ich bin einem Panther ans die Spur gekommen, der in dem Graben Djemmar lagern dürste ; ich will ihn heute Nacht aufstöbern.
Der Jäger hatte diese Worte wie ein Mann gespkochen, der seiner Sprache gewiß ist, zog dann seine Pfeife aus Feigenwurzel aus der Tasche und schlug Feuer, denn er bediente sich noch des Steines und des Stahls.
' Als die Pfeife brannte, schüttelte Casse-Tete den Schwamm ! aus derselben, der glimmend dem zu seinen Füßen liegenden ! .vmnde aus den Rücken fiel. !
Die .Haare des Thieres brannten, dennoch aber heulte dieses , nicht und begnügte sich damit, sich im Sande zu wälzen. !
— Du verbrennst ja Deinen Hund, Jean! sagte Obigny. '
— Es geschieht absichtlich! entgegnete der Jäger gelassen. ! So muß er sich daran gewöhnen, nicht zu heulen und stille zu ! bleiben, was auch geschehe. An jenem Tage eben, an welchem ! Du mich gerettet, war icb von den Beni-Snassem nur in Folge ! des Geheuls gefangen genommen worden, welches solch ein ver- i dammter Kelb (Hund) ansgestoßen, weil ich ihm aus die Pfote i
getreten. Seit dieser Stunde richte ich meine Hunde so ab, daß sie ruhig bleiben, was ihnen auch begegne. Ich versenge sie oft; anfänglich heulen sie. Ich breche ihnen ein Glied des Rückgrats, und nach kurzer Zeit sind sie stumm wie ein Fisch. Dieser da zu meinen Füßen gäbe keinen Laut ans, und läge er auf glühenden Kohlen. Sprich aber, gehst Dn auf meinen Antrag ein?
— Ich kann nicht bestimmt zusagen, möchte aber auch nicht gerne ablehnen. Ich habe etwas vor, was abgelhan sein will, und komme ich zeitig genug damit zu Stande, so findest Dn mich Schlag zehn Uhr an dem Stadtthorc, das nach Nedromah führt. Findest Du mich nicht dort, so gehe ohne mich.
Der Jäger schien einen Augenblick zu überlegen, that einige kräftige Züge aus seiner Pfeife und gelangte endlich zu einem Entschlüsse.
— Wenn Du nicht kommst, Obigny, sagte er, so sehen wir uns ein volles Jahr nicht wieder. Im Falle Du nicht kämest und wir uns folglich nicht mehr sehen würden, wünschte ich jedoch zu wissen, auf welchem Fuße wir fortan stehen sollen.
— Je »un, ans dem freundschaftlichsten, wie früher.
— Früher waren wir nicht Freunde.
— Du scherzest doch!
— Nicht im geringsten; Freundschaft gibt cs nur zwischen Gleichen. Da Du mir aber das Leben gerettet hattest, so gehört mein Leben Dir; ich war in gewissem Sinne Dein Sklave. Wenn Du willst, daß wir uns auch künftighin gleich und gleich gegenüberstchen sollen, so trage ich Dir jetzt den „Blutbund" an.
— Ich gehe daraus um so bereitwilliger ein, da ich nicht absehe, was uns trennen könnte.
— Eine Kleinigkeit, ein wahres nichts.
— Und das wäre?
— Ein Gespräch über Jagd.
Der Spahi lächelte.
— Ein Streit über die Thcilung der Beute.
Der Spahi lächelte wieder.
— Ein Weib!
Jetzt lächelte der Spahi nicht mehr; dennoch reichte er Jean Casse-Tete die Hand und sprach:
— Jean, Männer, die so oft mit einander gejag! haben, dürfen sich nicht als Fremde betrachten! Seien wir Brüder und hoffen wir zuversichtlich, daß unsere Liebcssachcn unserer Freundschaft keinen Abbruch thun werden.
— Gut, hoffen wir das! entgegnete der Jäger.
Sie reichten sich daraus die Hand, schüttelten diese herzlich und trennten sich.
Jean Casse-Tete schlug den Weg nach dem Wirthschaflshofe des alten Morales ein.
Der Jäger war eines jener verlorenen Kinder der Colonie, die weder über die Eltern, denen sie das Leben verdanken, noch über die Nation, welcher sie angehören, Auskunft zu geben wissen. So viel er sich erinnerte, wurde er, fünf Jahre alt, am Strande bei Algier als elternlose Waise gefunden. Sechs Jahre hütete er das Vieh in der Ebene von Mitidscha, mit elf Jahren war er Schiffsjunge, mit vierzehn Jahren befand er sich in der Gefangenschaft der Riffpiraten und hatte sich zuletzt auf ein umher- schweisendcs Leben als Jäger verlegt.
Auch er wagte zuweilen den Angriff auf Löwen, doch einzig in der Absicht, die Prämie von fünfzig Francs zu erlangen, welche die Regierung für die Erlegung eines reißenden Thieres bezahlt, womit gewöhnlich auch gewisse Geschenke verbunden sind, welche die Shells der Dörfer dem kühnen Jäger gewähren, der sie von so gefährlicher Nachbarschaft befreit. Auch reichte sein Ruf in dieser Beziehung an den seines Freundes Obigny nicht hinan, da letzterer zu jeder Stunde der Nacht wie am Hellen Tage bereit war, denen zu Hilfe zu kommen, die ihm die Spur eines Raub- thieres nachwiescn.
Jean Casse-Tete brachte zwei Stunden auf dem Wege nach den „Feigenpflanzungcn," so hieß der Wirthschaftshof des Spaniers Morales, zu.
Gleich allen übrigen Bauten, welche in die Zeit nach der Eroberung fallen, bot auch dieser Hof den Anblick eines gemischten Baustyles dar.
Die Mauern waren von Stein, Fensterkreuze und Fensterbalken aus Holz mit grünem Anstrich; die Flügelthüren waren von Eichenholz, und insoferne unterschieden sich diese Häuser wenig von französischen Landhäusern. Aber vergebens forschte der Blick nach einem Ziegel- oder Schieferdache. Mit Blumen und Schlingpflanzen überwucherte Terrassen, die den Anblick eines grünen Domes darboten, ersetzten überall das Dachwerk. Ein mit einer Ringmauer umgebener Hof, dessen Seitenwände sich an die Flügel des Gebäudes lehnen, bildet allenthalben den Eingang in das Wohnhaus.
(Fortsetzung folgt.)
Auflösung des Räthsels in Nr. 66: Bergmann.
Redaktion, Druck und Verlag der G. 2N Z a i s e r 'scheu Buchhandlung.