auf Ströh, stumpfsinnig und furchtbar abgezehrt. Die Kammer war mit Modergeruch angefüllt, das Fenster mit Brettern ver­nagelt; in einer Kanne wurde Wasser mit Brodrinde gefunden, die tägliche Nahrung der Unglücklichen, daneben ein cisener Topf mit Koth und Brod. Zn diesem Loche hatte die Frau mehrere Jahre zugebracht. Die Unglückliche hatte zwar früher zeitweiligen Irrsinn gezeigt, war ihrem Manne lästig und von ihm ans diese Weise beseitigt worden. Demme wohnt im eigenen Hause und seine Frau war nicht unbemittelt; er ist verhaftet. (Hier wäre die Anwendung des bibl. Spruches. Auge um Auge, Zahn um Zahn wohl die gerechteste Strafe.)

Wien, 8. April. Graf Beust hat, dem Pesther Lloyd zu­folge, eine Weisung an die Vertreter Oesterreich-Ungarns im Aus­lande erlassen, um dieselben in den Stand zu sehen, etwa noth- wendige Aufklärungen über die Bedeutung der gegenwärtigen Krisis zu geben. Das Schriftstück soll zu der Schlußfolgerung gelangen, daß es sich jetzt nicht entfernt um einen Systemwechsel handle in dem Sinne, als wenn das constilntionelle und parlamen­tarische System irgendwie bedroht wäre, wohl aber um die endliche Inangriffnahme des unausweichlich gewordenen Versuchs zur Ver­söhnung aller Nationalitäten.

Oesterr eich gleicht einer alten Burg, aufgebaut durch Erb­schaften, Kriege und Heirathen, ein mächtiges Gebäude, das seit 20 Jahren alle paar Jahre umgebaut werden muß. Dieser Um­bau ist aber sehr schwierig und bedenklich; denn die Bausteine find lebendige Völker verschiedener Race, Sitte und Sprache, die sich nicht in einander fügen wollen, sondern auseinander streben. Der alte Mörtel der List und Gewalt, der sie ehedem zusammen- gehalten, bindet nicht mehr, nicht einmal der neue Cement, den man Verfassung nennt. Graf Beust glaubte vor ein paar Jahren den Stein der Weisen gesunden zu haben, als er das Reich in zwei Hälften diesseits und jenseits der Leiiha trennte, er zwei- thcilte das Reich in Deutsche und Ungarn und jetzt muß es ge­viertheilt werden in Deutsche, Ungarn, Czeche» und Polen. Die zweijährige Verfassung hat sich nicht als ein Eckstein erwiesen, sie muß geändert werden. Aus dem Reichsrath schieden die Czcchen, Polen und Slowenen ans und den allein zurückgebliebe­nen Deutschen kams zuletzt in dem öden Haus ganz unheimlich vor, sie hörten nur ihre Worte und Tritte schallen und wider- hallen. Jetzt sind auch sie vertagt, die alten Minister abgetreten, neue noch nicht gefunden. Ein Pole, Graf Potocky, bemüht sich, eine neue Regierung und ein neues Programm zu finden, er ist nach beiden ausgezogen, wie Saul »ach seinen Eseln und hat noch nichts gefunden. Es ist eine schwere Krisis, es handelt sich um Krone und Reich selbst, sagt ein guter Oestcrreicher.

Wer Lust hat, auf den neuerbantcn ungarischen Eisen­bahnen zu reisen, mag zuvor sein Leben versichern, denn sic sollen sehr unsolid gebaut sein. So eben ist wieder eine Eisen­bahnbrücke cingcstürzt und es sind dabei mehre Menschen zu Grunde gegangen.

Paderborn, 4. April. Soeben wurde hier folgende tele­graphische Depesche ausgegeben -.Den mnthvollen und tapfcrn Vertheidiger des Glaubens unserer Väier, den hochwürdigsten Bischof Stroßmayer, begrüßen wir mit dem Horazischen: 0 et praasickim» et clulee «leoie HO, Du L-chntz und süße Zierde), fünfzig Katholiken der Stadt Paderborn."

Paderborn, 7. April. Gestern Abend empfingen die 50 Katholiken, welche eine Depesche an den hochw. Bischof Stroß- maycr gesandt hatten, folgendes Telegramm :Rom, 0. April, Morgens 9 Nhr. Danke herzlichst für Ihren und Ihrer Ge­fährten Gruß, empfehle mich Ihrem Andenken und Gebeten, Stroß­mayer, Bischof.

In Frankreich ist ein Ministerkrissis zum Ausbruch gekommen wegen des Plcbiscits über die Verfassungsänderung. Ein Theil des Cabinets, Dar», Buffet und Talsouöt stimmten dem Verlangen von Thiers bei, daß in Zukunft ein Plebiscit noch beantragt werden könnte, wenn cs in beiden Kammern dis- kutirt worden sei. Ollivicr und die Mehrheit des Cabinets stimmten dem Kaiser bei, der für die allgemeine und unbedingte Vorlegung von Plcbiscits gestimmt ist nnd darin nicht nachgibt. Buffet der Finanzminister hat in Wirklichkeit seine Entlassung eingereicht.

Der Prinz Peter Bonaparte hat am letzten Montag die 25,000 Franken Schadenersatz an den Vater von Viktor Noir bezahlt. Außerdem hat der Prinz noch zu bezahlen: 20,000 Franken an seine beiden Vertheidiger, 20,000 Franken an die Armen von Tours, 10,000 Franken für die Reise nach Tours nnd ungefähr 110,000 Franken für Gerichtskosten.

Klärchen.

(Fortsetzung.)

Sie setzte sich auf einen großen glatten Kieselstein, der zwischen dem Wege und dem Bache lag.

Friedrich stand erstaunt vor ihr.

Ein reizenderes Bild, als jetzt sich ihm bot, konnte es nicht geben. Klärchen lehnte mehr an dem Steine als sie darauf saß. Sie hatte die Füßchen mit den schneeweißen Strümpfchen gekreuzt und die Hände in den Schooß gelegt. Der Strohhut bedeckte

schalkhaft ihr erhitztes Köpfchen. Ein voller Strauch bildete den Hintergrund dieses pikanten Bildes, das die Tochter des Meisters erschaffen, ohne es zu wollen und zu wissen.

Hier pflege ich stets einige Augenblicke zu ruhen, meinte sie.

Das Plätzchen eignet sich dazu.

Und ist gerade die Hälfte des Wegs zwischen der Mühle und dem Dorfe.

Wohin führt jener Weg?

Der Vater hat ihn angelegt.

Zn welchem Zwecke?

.. 2^3, der sich am jenseitigen Ufer des Baches hin-

schlüngelt,^ist näher und angenehmer als die Fahrstraße.

<Lie haben diesen Morgen doch die Straße gewählt . . .

Natürlich, weil das Gras vom Thane naß war; jetzt kann ich dort schon gehen, die Sonne har getrocknet. O, die nächste Umgebung unserer Mühle ist wirklich schön ... ich möchte sie sogar romantisch nenne».

Der Knappe war erstaunt über die Bildung des einfachen Mädchens.

Gestatten Sie mir, fragte er, daß ich Sie auch auf dem Fußwege begleite ?

-- Warum denn nicht? der Fußpfad ist für Jedermann . . . Er wurde auch viel benutzt werden, wenn er nicht in nnsern Obst­garten ausmundete, der wie mit einem Schlage die Passage sperrt.

Das ist freilich ein Hinderniß.

Folgen Sie mir getrost, ich werde Sie führen.

Klärchen sprang auf und eilte über den schwankenden Steg. Da stand sie wieder an dem gegenüberliegenden Ufer.

Kommen Sie nur, rief sie, das Bret bricht nicht.

Der Muhlknappe empfand nicht etwa Furcht vor dem leichten Pfade, er wollte das reizende Mädchen noch einige Augenblicke betrachten, darum blieb er stehen.

Kommen Sie doch, ries sie lachend. Der Steg trägt den Vater, er wird auch Sie tragen. Ich bürge dafür, daß auch Sie glückl'ch herübcrkommen.

^ Um seinen Muth zu zeigen, ging Friedrich langsam hinüber; er blieb sogar in der Milte, wo das Bret sich tief bog, stehen und rief:

Meister Göpel hat leicht, aber gut gebaut! Im nächsten Augenblicke stand er neben Klärchen, die ihm scherzend die Hand reichte.

Friedrich Winter küßte ihre Hand.

Was thun Sie? rief sie erschreckt.

Ich bezeige Ihnen meine Hochachtung.

Auf diese Weise?

Da Sie in der Stadt gewesen sind, müssen Sie wissen, daß ein Handkuß nicht nur erlaubt, daß er unter gewissen Ver­hältnissen sogar eine Pflicht ist . . .

Ihn anzunehmen? fragte sie lächelnd, ohne ihre Hand znrückzuziehen.

Der Knappe neigte sich wiederum und drückte seine Lippen auf die Hand. Dann trat er zurück. Klärchen senkte erröthend die Blicke und ging weiter; sie mnßic sich eingesiehen, daß der Knappe ein tactvolles Benehmen beobachtete. Er hatte sich auf die Bildung berufen, die sie in der Stadt genossen . . . Dies schmeichelte ihrem Stolze. Demnach behandelte er sie nicht wie ein gewöhnliches Landmädchen, dem die Städter Sand in die Airgen zu streuen suchen, um zu bethörcn und ein loses Spiel zu treiben. Der junge Mann sah überhaupt gar nicht aus, als ob er sich Kurzweil verschaffen wollte, cs lag ein melancholischer Zug in seinem ernsten Wesen, der ihm nicht nur vortrefflich an- stand, sondern auch das Interesse an seine Person erhöhte. Klär­chen hatte viel Stoff nachzudenken.

Der Weg ward wirklich recht amuuthig; links murmelte der Bach, rechts stand dichtes Gesträuch, aus dem hier und dort hohe Bäume emporragten, die Schatten verbreiteten. Oie Haselnuß zeigte sich in reicher Fülle. Hinter den Bäumen erhob sich eine Hügelkette, die theils kahl, theils mit Nadelholz bewachsen war. Von der Landstraße ließ sich keine Spur mehr enteecken, da sie durch Baumanpflauzungcn von der Landstraße geschieden ward. Der Fußpfad zeigte sich breit genug, daß die jungen Leute neben einander gehen konnten. Den Mühlknappen durchrieselte es kalt, wenn seine Hand zufällig das Kleid des reizenden Mädchens berührte. Wie schlank war ihre jugendliche Gestalt, wie leicht und natürlich graziös ihr Schritt! Friedrich wollte die kurz zu- gcmessene Zeit benutzen, um so viel als möglich mit Klärchen zu plaudern und sie näher kennen zu lernen; er rühmte den romanti­schen Weg, machte auf einzelne Schönheiten aufmerksam und bat um Auskunft über diesen oder jenen Punkt, der bemerkbar her­vortrat. Die Tochter des Meisters war schon unbefangener ge­worden, sie sprach so fließend und folgerichtig^ )v>e nur ein Mäd­chen von guter Erziehung sich zu äußern veHnyg.. Und doch lag eine gewisse Naivetät in ihrer Unterhaltung, die den Knappen mit Entzücken erfüllte.

(Fortsetzung folgt.)

Redaction, Druck und Vertag der G. W Zaifer'i -r . ? inniung-