Gesellschaft und Staat. Redner tadelte die falsche Freiheit, wofür das Volk jetzt reich gemacht werden soll durch Entsittlichung deS Volkes, durch die Civilehe, durch Entreißung des kirchlichen Einflusses auf das Volk, durch die Trennung der Kirche von der Schule. Aber Gott wird die Kirche und ihre Rechte schützen. Wir wollen kämpfen mit allen erlaubten Mitteln, insbesondere mit dem Gebete, dann wird der Sieg erfolgen, kein blutiger, sondern ein Sieg der Liebe. Advokat Freitag aus München sprach über die katholische Vereine, die allein Rettung bringen können gegen die Gegner der Kirche. Wenn sich sechs oder sieben zusammeuthun und erklären, daß sie an keinen Gott glauben, so haben auch andere daS Recht, zu sagen, daß sie nach den Regeln des heiligen Ignatius leben wollen. Hierauf folgte eine fulminante Rede des Pfarrers Livar aus Limburg über die Bedeutung des auf den 8. Dez. 1869 verkündeten Konzils zu Rom. Redner schließt: „Niemals ist das Papstthum in größerem Glanze dagescanden, als gerade in unseren Tagen; feine stimme wird vernommen, wie die Stimme eines Riesen, mit Schweigen und Ehrfurcht. Entweder kommt das Heil der Welt vom Konzil oder die Welt ist nicht mehr zu retten." Zum Schluß sprach Metzgermcister Falk aus Mainz von der Freiheit des Willens. Er erntete für seine Rede, welche die Gebrechen der verschiedenen Stände geißelte, stürmischen Beifall. (Bainb. Tagbk.)
Im Annathal lBaiern) streute ein Bauer aus Rache seinem Schwiegersohn Gift auf die Wiese, von welcher des andern Tags Futter geholt wurde; das Gift wirkte so, daß der Schwiegersohn feinen ganzen Vichstand verlor.
In der Nacht vom 29. ans den 30. August brannte der Marktflecken Maltighofen (Niederbaiern) zu einem Drittel ab. Viel Vieh und Futter ging dabei zu Grunde.
Berlin, 31. Aug. Die Sachs. Ztg. drückt ihren Schmerz darüber aus, daß sie Hrn. Mayer als einen Abtrünnigen bezeichnen müsse. Sie schließt aus seinen jüngsten Kundgebungen, daß er mit Garibaldi und Mazzini in Verbindung getreten sei, und das ist ihr ein Beweis, daß er sich zum preußischen Lager gewendet habe, denn Garibaldi und Mazzini sind ihr nichts als preußische Agenten, und Bismarck selbst wahrscheinlich nichts als ein Anhänger der europäischen Republik und radikaler Feind jeder Monarchie. (S. V.)
Berlin, 1. Sept. Nach hier -angegangenen Nachrichten ist von 'Neuem die Rinderpest in den Niederlanden aus- gebrochen. (S. M.)
Berlin, 2. Sept. Indem die Nordd. A. Z. auf die auf 3 Monate hinausgeschobene Einberufung der Rekruten, so wie auf die bevorstehende Entlassung der Reserven hinweist, wodurch die Friedensstärke der Armee um den dritten Theil vermindert wird, koustalirt sie, daß Preußen damit die „Abrüstung" begonnen und einen thatsächlichen Beweis seiner Friedensliebe geliefert habe. (Ebenso die Prov.-Korr.). — Die Berufung des Landtags wird nach der Pstov.-Korr. voraussichtlich in den ersten Tagen des Monats November erfolgen. — Der Kaiser von Rußland wird in der letzten Woche des September zu mehrtägigem Besuche hier eintrefsen. — General v. Wagner, würlt. Kriegsminister, ist zur Beiwohnung bei den hiesigen Truppenübungen Hierselbst eingelroffen. (S. M.)
Der Wiener „ArbeiterbildungTvereiu" veranstaltete am Samstag eine Erinnerungsfeier an den Todestag Ferdinand Lassnlle's. In einer Festrede wurde dieser mit Luther verglichen und als der größere Reformator gefeiert. (St.-A.)
Paris, 31. Aug. Bei einem dem Minister Magne in Perigueux gegebenen Bankette brachte derselbe folgenden Toast aus: „Ich schlage ihnen vor, auf den Frieden zu trinken. Man darf nur diejenigen als stark betrachten, welche es hauptsächlich als ihr Recht und ihre Pflicht anerkennen, friedliebend zu sein. Frankreich ist stark durch seine waffenführenden Männer, seinen Reichihum und Patriotismus. Die ganze Welt ist es sich bewußt, daß es zum Kriege vortrefflich vorbereitet ist. Was mich betrifft, so ziehe ich es vor, Ihnen zu sagen, daß cs auch in vollkommenster Weise für nützliche und friedliche Arbeit gerüstet ist. Der Friede wird ein dauerhaster sein, denn Europa bedarf desselben. Der Kaiser wünscht ihn und Frankreich ist mächtig genug, um ihn ertragen zu können, ohne fürchten zu müssen, der Ohnmacht beschuldigt zu werden. Der beste aller Gründe für den Frieden ist, daß, wie der Kaiser gesagt hat,
niemand ein dem Frieden feindliches Interesse, noch Ursache hat, denselben zu stören." (St.-A.)
Paris. Alle ausgcstreutcn nllarmisiischen Gerüchte entbehren der Begründung, so namentlich die Anzeige, die von hiernach Deutschland telegraphirt wurde, General Menabrea gehe nach Fontainebleau. An dieser Meldung ist auch nicht ein wahres Wort, dagegen ist es sicher, daß über eine NachtragSerklä- rnug zur September-Eonvention zwischen Frankreich und Italien thätig verhandelt wird, durch welche der heilige Stuhl thntsäch- lich sichergestellt, Frankreich aber in den Stand gesetzt werden soll, noch vor Eröffnung der Kammer — im November — seine letzten Truppen aus Civita-Vecchia zu ziehen, um so das Wort der letzten Thronrede Napoleons Hl. zur Wahrheit zu machen: „binnen Kurzem werden die Truppen das päpstliche Gebiet gänzlich geräumt haben!" — Sich mehr und mehr mit der Wahlfrage und den sonstigen inneren Angelegenheiten befassend, deutet der ganze Gang der napoleonischen Politik auf alles andere eher, als auf eure uahe bevorstehende Expansion nach außen hin.
Frankreich kann dafür zeugen, daß Kriege Geld, Geld, Geld kosten. Die französische Anleihe für den Krimkrieg 1834 -56 betrug 250 Millionen, 1855 für denselben Krieg 500 Millionen und 1857 nachträglich 750 Millionen; die Anleihe 1759 für den Krieg in Italien gegen Oestreich 500 Millionen; 1864 für den Krieg in Mexiko 300 Millionen. In nnserm Friedensjahre 1868 hat Frankreich eine Anleihe von 450'/- Millionen gemacht. Zu Summa 2750 h» Milk. Fr. Die AnSgabepreife der Anleihen wechselten zwischen 60'/- (für 100) und 69'/i °»; die Finanz- kaffe hatte nur 1786 Milk, baar erhalten. Der Verlust an Ca- pitalwerth betrug also 964 Mill. oder 33 Proz. schon bei der Ausgabe der Papiere; der Verlust an Jahreszinsen macht zögen 45 Mill. aus, die Frankreich für nicht empfangenes Capital zu zahlen hat.
Auch Italien hat nun feinen Schneider von Ulm, der bekanntlich fliegen wollte, aber dabei kläglich in die Donau fiel. Ein Genie-Offizier in Alessandria hat sich einen Mechanismus mit 2 Flügeln anfertigen lassen, die an den Schultern angebracht sind und durch ein Gestänge, welches von den Fußfersen ausgeht, in schnelle Bewegung gesetzt werden. Bei einem dieser Tage veranstalteten Probefliegen über den seichten, fast was- . seriösen Fluß Bormida schwang sich der mnthige Flieger von dem Wall der Festung in das Reich der Lüfte. Anfangs ging es gut, allein bald stockte der Mechanismus, die Illusion hatte ein Ende, und der moderne Dädalus lag mit einem gebrochenen Bein und gleichfalls gebrochenem Arm auf einer Kiesinsel des Flusses. Bereits auf dem Wege der Besserung will der muthige doch wieder neue Versuche im Fliegen machen!
In Boulogne sind am 21. Aug. gleichzeitig 36 Schiffe, aus Schottland zurückkehrend, stark mit Häringen beladen angelangt. Seit Menschengedenkcn weiß man sich eines solchen Vorkommnisses nicht zu erinnern.
London, 31. Aug. Die Times polemisirt in ihrem heutigen Leitartikel scharf gegen den Gedanken einer französtsch-bel- gifch-holländischen Zolleinigung, den Frankreich zu verfolgen scheine, obgleich es direkte Schritte vermeide. Die Großmächte würden entschieden dagegen opponiren, weil die Unabhängigkeit Belgiens dadurch bedroht würde.
Konstautinopel, 31. Aug. In Teheran wüthet die Cholera mit Heftigkeit; es werden täglich 150 Sterbfälle kon- statirt.
Charade.
Die erste folgt aus deinem Weg dir nimmer, Voran muß sie stets deinen Schritten sein,
Und schmückte dich des Purpurs stolzer Schimmer, War' aller Erdengröße Macht auch dein.
Die letzte Silbe ist in bösen Zeiten Wohl theurer als der kostbarsie Demant,
Wenn gut, sie soll zu gutem Ziele leiten,
Blüht sie nur dem, der in sich selbst sie fand.
Soll seinen Werth das Ganze dir entfalten,
So schaue nur der Biene Weisheit an,
Sie saget dir, durch ihr verständig Walten,
Daß es der Zukunft Sorgen lichten kann.
Redaktion, Truck uud Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung.