Wien, 3l. Juli. Bei dem gestrigen Besuche der Schießhalle redete der Kaiser zuerst zwei Schützen aus Naney an, welche versicherten, die Lothringer würden die Wohlthaten, welche sie unter den Vorfahren des Kaisers genossen hätten, nicht vergessen. — Zu Fabricius (Frankfurt) sagte der Kaiser^: Ich denke gern an Frankfurt zurück, es ist eine gute deutsche L-tadl. Zu dem Präsidenten des CentralkomiteS, Dr. Kopp, sprach der Kaiser beim Fortgehen die Worte: Wien ist Ihnen großen Dank für das Fest schuldig, das beitragen wird zur Anknüpfung von Handelsbeziehungen. — Bei dem heutigen Bankette sprach Dr. Bogct aus Frankfurt: die Devise seiner Partei sei „ohne Oestreich kein Deutschland." Er trinkt auf ein einiges, freies Deutschland. Eckhardt (Wien) brachte ein Hoch auf die Schweiz aus, welche beweise, daß die Freiheit über der Nationalität stehe. Gyr (Schweiz) dankt im Namen der Schweizer für den herzlichen Empfang und trank auf „eine glorreiche Zukunft Deutschlands".
Ferdinand Kürnberger über das Schützenfest. Auf den Schützentagcn zu Frankfurt und Bremen haben ohne Zweifel Schützen mit einander geschossen, welche bald genug auf einander geschossen. Auch der Schützentag in Wien wird das nicht verhindern, wenn cs die deutschen Geschicke so wollen. Es' ist leichter, über Kriege zu weinen, als sie zu entbehren. „Der Krieg ist der Vater alles Guten", sagt Tyrüus, und rauh aber wahr sagt unser Hegel: „Der Krieg läßt die Menschen nicht versumpfen noch verknöchern; er macht Ernst mit der Unsicherheit, Eitelkeit und Unbeständigkeit aller Dinge, und läßt dem, was von der Natur das Zufällige ist, dem Besitze und Leben, das Zufällige widerfahren." Das klingt nicht schmeichelhaft, aber männlich. Aber wie kommen wir heute zu diesen Reflexionen? Wollen wir allen Schüssen voraus einen Schreckschuß in die Welt schicken ? Nein! Aber der Phrase einen Dämpfer wollen wir aufsetzen, der Phrase, wesche eine fürchterliche Ernte halten wird. Und die politische Phrase ist ein gefährliches Spielzeug. Ja, wenn die zwei ersten Schützentage eine Generalprobe des deutschen Pathos genannt werden könnten, so möchten wir das dritte Bundesschießcn geradezu eine Generalprobe des deutschen Verstandes nennen. Nach dem, was geschehen ist und so stark wider den Strom der Gcmüthspolitik geschehen ist, muß es sich zeigen, wie viel von Verstand, Selbstbeherrschung, Selbstüberwindung, Sinn für Wirklichkeit und Möglichkeit unter den dichtenden und träumenden Deutschen vorhanden ist. Wir haben eine bändereiche Literatur unserer Geschichte: aber sollte die Geschichte wirklich nichts anderes hören als — daß Menschen nichts aus ihr lernen? Ueberblicken wir die deutsche Geschichte, so wollen wir uns nicht dabei aufhalten, warum Karl V. zwischen Reformation und Pabstthum sich für das letztere entschied, während er doch die Burg des Pabstes bestürmte. Wir wollen nicht zanken darüber, daß Ferdinand II. sein Schwert für Rom und gegen Deutschland zog, und daß er seinen herrlichen Feldherrn in dem Augenblick ermordete, als er dem blutigen Psaffenhader ein Ende machte, seinen Kaiser mit seinen Ständen aussöhnen und eine wahrhaft großdeutsche Politik anbahnen wollte. Der Cromwell und Washington Deutschlands, der größte Politiker unser Geschichte, Wallenstein, ging unter gemeinen Mörderfäusten zu Grunde, und der sinnlose Zcrfleischungskampf wüthete weiter. Als endlich der Friede zu Münster geschlossen wurde, hätte er eigentlich schon den Effekt des Prager Friedens haben müssen, wäre die Geschichte Deutschlands nicht eine langsame Folterbank. Schon nach dem dreißigjährigen Kriege mußte sich Oestreich auf sich selber zurückziehen, denn cs hatte keinen Sinn mehr in Deutschland. Es war der Kaisermacht nicht gelungen, die oligarchische Adelsmacht zu einem modernen Staat zu centralisiren; es war ihr doppelt mißlungen, weil der Kampf nicht einmal seine richtige Parole hatte, sondern für Rom und die Gesellschaft Jesu lautete. Die oligarchische Adelsherrschaft war nun gesetzlich. 200 Jahre lang war nun Deutschland eine anarchische Adelsrepublik mit schwacher monarchischer Spitze, etwa nach Art des Polenreichs. Es wäre auch, wie dieses, zu Grunde gegangen, hätte sich nicht wenigstens Einer der Reichsbarone, der „Marquis de Brandenburg" langsam, langsam, aber stetig, zu einem National-Centrum zusammen- krysiallisirt. Dieser Markgraf fing nach und nach an, eine Art unsichtbare Kaiserkrone zu tragen, während die offizielle und sichtbare im Jesuitenhorte zu Wien unaufhaltsam zerbröckelte. Sehr spät, schmerzlich spät, gab die Schlacht von Königgrätz und
der Friede von Prag dieser Thatsache ihren natürlichen Ausdruck. Wir sagen „schmerzlich spät", weil die meisten Menschen zweihundert Jahre nicht im Zusammenhang denken, sondern aus eine so lange Frist den Zusammenhang verlieren. Wie viele hat cs gegeben, welche den „Bürgerkrieg von 1860" für ein Unglück gehalten, und wie wenige, welche capirten, daß nach zweihundertjährigem Stillstände jetzt erst die deutsche Uhr wieder normal zu gehen anfing ! Sagen wir das in Wien? am uralten Kaisersitz ? als nächste Betheiligle und, wie die Kurzsichtigen glauben, besiegte und beschädigte Partei? Ja! und tausendmal ja! Besiegt waren wir nur auf dem Prüsidenrenstnhle zu Frankfurt; seit wir auf diesem unseligen Armensünderstuhle nicht mehr sitzen, ist unser Verhältniß zu Deutschland erst recht rein, gesund und politischvernünftig geworden. Dieses Verhältniß kann geschriebener Rechte entbehren, es ruht auf seinem eigenen natürlichen Schwergewicht. Schwach war es nur durch rin unproduktives und künstliches Uebergewicht. Haben wir doch in Oestreich von jeher das Zeug gehabt, eigentlich in einem viel größeren Style großdeulsch zu denken, als manche Großdentsche in Deutschland, welche leider nur allzu oft unter „großdeutsch" ihren Eanton und ihren Kirch- thum, die Souveränetäl von Erbach und Isenburg verstanden! Dort mag es Schmerzen geben; in Oepreich gibt es keine Schmerzen und Wunden über die Thatsache — daß drei Größen, wie Oesterreich, Preußen und Deutschland zur Freude des Auslandes einander von bundesrechtswegen nicht mehr hindern und ausreiben. Damit wollen wir diesem oder jenem unserer Gäste, wenn er Schmerzen har, die dazu gehörigen Schreie nicht vom Munde abschneiden. ' (Presse.)
General Lamarmora in Italien hat den geheimen Feldzugsplan veröffentlicht, den Preußen im Jahr 1806 für das italienische Heer ansgearbeitet hatte. Die Italiener sollten sich au den östreichischen Festungen in Italien nicht aufhalten, sondern so operiren, daß sie zu einer gewissen Zeit mit den Preußen vor Wien einträfen. Lamarmora, der als ein Gegner Preußens und als Schleppträger Napoleons gilt, steckte den Plan damals in die Tasche, ohne seinen Kollegen im Ministerium etwas davon zu sagen, und veröffentlicht ihn jetzt, um die Preußen und Oestrcicher zu verhetzen. Der Plan ist ihm aber mißglückt.
Paris, 30. Juli. In der Revue des deux mondes wird die Bedeutung der Festung Ulm durch folgende geographische Merkwürdigkeit erklärt. In der politischen Kronik (April 1868) heißt es: „Bei Ulm entspringen der Rhein und die Donau, die hier anmuthige Bäche mit klaren, frischen und grünen Wassern sind."
Die neue französische Anleihe beträgt 440 Millionen Franks. Die Deputieren bewilligten sie, riefen: es lebe der Kaiser! und wurden heimgeschickt.
Allerlei.
In der Köln. Z. fügt ein gewisser Louis Fischer der Anzeige von der glücklich erfolgten Entbindung seiner Frau die Worte bei: Bemerke zugleich, daß dies die letzte Mittheilnng dieser Art.
— (Hoftracht.) Du Chaillu schildert die Tracht am Hofe des Königs Diops folgendermaßen: Der König trug einen Irak (sogenannten Schwalbenschwanz) wie sie unsere Großväter trugen, und sonst weiter nichts; sein Premier ein Hemd ohne Aermel und sonst nichts weiter; der zweite Minister trug ein Halstuch und weiter nichts, der dritte Würdenträger einen Hut und nichts weiter, die Königin dagegen einen Regenschirm und nichts weiter.
— Ein Mittel gegenWanzen. Es verdient zur allgemeinen Kenntniß gebracht zu werden, daß Solaröl das sicherste und unschädlichste Mittel gegen Wanzen ist. Man streicht mittelst eines Pinzels alle Ritzen oder Fugen, wo sich dies Ungeziefer aufhält, gut aus und es verschwindet nebst der Brut aus immer. Man kann sich von der Vortresflichkett dieses einfachen Mittels überzeugen, wenn man eine Wanze nur leicht mit Solaröl in Berührung bringt; sie ist sofort rodt und wird nach kurzer Zeit schwarz. Bei der Plage, welche viele Häuser durch dieses Ungeziefer zu erleiden haben, dürfte diese auf Erfahrung gestützte Mittheilung nicht unwillkommen sein.
veerairion, Truck anv Vertag der G. W. Zaijer'jchen Buchhandlung.