freihcit auf alle Kammern und Landtage des norddeutschen Bundes auszudehncn, wird hierauf in Berathung gezogen und mit 119 gegen 15 Stimmen angenommen. — Der Kronprinz empfing am 2. d. die nach Berlin kommandirten königl. württem- bcrgischen Offiziere.
Die „Volkszeitung", das Organ der preuß. Fortschrittspartei , spricht im Hinblick auf das Zollparlament unumwunden aus, „daß sich die preußische Fortschrittspartei (äußerste Linke) mit dem Radikalismus der süddeutschen Volkspartei nicht befreunden wird." Selbst dem hoffnungsvollsten Vaterlandsfreund, sagt sie, erscheinen die durch die Verbindung alter und neuer Gegner in Süddeutschland zusammengebrachten Wahlen bedenklich.
Die Auswanderung nach Amerika nimmt in diesem Jahre riesige Verhältnisse an. Die ganze Gunst scheint sich Bremen zuzuwenden, es können kaum genug Dampf- und Segelschiffe gestellt werden.
Wien, 3. April. In der heutigen Sitzung des Unterhauses legte der Justizministcr den Gesetzesentwurf über die Einführung von Schwurgerichten und Bildung von Geschworenengerichten vor. (S. M.)
Wien, 3. April. Der Volksfreund veröffentlicht eine Zuschrift von 14 Kirchen fürsten an den Ministerpräsidenten Fürst Auersperg, worin die Besorgnis; ausgedrückt ist, daß nach dem ersten Artikel des Staatsgrundgesetzcs die Kirche des Rechtes beraubt würde, in eigenen Angelegenheiten selbstständig zu entscheiden. Ferner meldet der Volksfreund, daß die Kon- tordats-Revisions-Konnnission in Rom ihrerseits ein Antworts- Promemoria abgcfaßt hat, welches mit einer einleitenden Note des Kardinals Antonelli in den letzten Tagen in Wien cinge- troffen ist. (S. M.)
Die neuesten Schilderungen der Hungcrsnoth in Finnland lauten herzzerreißend, nicht minder die Nachrichten aus Simbirsk, wo dem Berichte eines Korrespondenten zufolge die Hunde das den Bauern zur Nahrung dienende Brod nicht fressen wollten. In Odessa erreichten die festen Gerreidepreise eine ungewöhnliche Höhe und die als Saatkorn im Süden eingekauf- len großen Menge Getreide dürften schwerlich auf dem nördlichen Boden ersprießlich gedeihen.
Allerlei.
— Die letzte Stunde des Komikers Wenzel Scholz in Wien. Die Aerzte schüttelten bedenklich die Köpfe, denn cs hatte Zweiundsiebzig geschlagen und die alte kranke Uhr Wenzel Scholz war dem Ablauf nahe. Da saß er in seinem Lehnstuhl, umgeben von seinen Lieben und Getreuen. Die kur- zen<Beine wollten ihn nicht mehr tragen, und die Altersschwäche, die faulste Magd des Todes, hatte ihre schwere Hand auf sein Haupt gelegt.
„Gib mir eine Cigarre, Resi!" sagte er zu seiner Frau Ich Hab' Gusto, ein Bissel zu rauchen. Vielleicht kann der Tod den Tabaksrauch nicht vertragen, und fährt ab, wenn ich ihm einen blauen Dunst vormach'." — Die weinende junge Frau brachte ihm eine Cigarre. Er zog an — aber es ging, nicht — «r hatte die Kraft nicht mehr, dem Todcsengel einen blauen Dunst vorzumachen. — „Ich weiß nicht, hat die Cigarre oder Hab' ich keine Luft", bemerkte der Patient. „Mir scheint all'weil, ich Hab' keinen rechten Zug mehr. Na, warten wir noch ein Bissel. Der Zug wird mit den letzten Zügen kommen." — „Red' nicht so, Wenzel", bat schluchzend die junge Frau. — „Wein' nicht Rest, wein' nicht, sonst könnten die Leut' glauben, daß der Scholz ein trauriger Spaßmacher geworden ist", antwortete der Komiker, indem er die Cigarre wegwarf und die Hand feiner Frau ergriff. „Schau, das hast jetzt davon, daß Du einen alten Invaliden geheirathet hast. Hast mir's aber nicht merken lassen — hast Deinen alten Grauschimmel gern g'habt, als ob er noch ein junges Rapperl wär' — bist mein liebes, gutes, braves Weib gewesen — gib mir ein Busserl, Resi." — „Der.liebe Gott wird uns doch nicht trennen!" sagte die junge Frau, indem sie den Patienten innig in ihre Arme schloß. — „Wenn er's aber doch rhut, müssen wir dem alten Herrn schon seinen Willen lassen. Er hat mich ja lang genug da unten herumwursteln lassen. Dort oben kommen wir schon wieder zusammen. Weiberl — brauchst Dich nicht zu fürchten vor meiner ersten Frau — ich bleib' schon bei Dir." —
Jndeß war es Abend geworden. Die junge Frau zündete die 'Nachtlampe yn. — „Gib mir einen Schluck Medicin, Resi. Kurios, meine Zunge ist mir so schwer geworden, als ob ich mir einen Haarbeutcl getrunken hätte." — „Red' nit so viel und schon' Dich, Wenzel." —„Schonen? Ist nicht nothwendig. Die Roll', die ich jetzt cinstudire, iverd ich doch spielen können,
— aber nicht zur Zufriedenheit, sondern zur Unzufriedenheit des Publikums, hoff' ich. Dreh' die Lampe mehr auf — sie brennt nicht gut — 's ist so finster im Zimmer — mehr Licht, mehr Licht, hat der alte^Gölhe gesagt. Er wird nicht bös sein, wenn es ihm der alte Scholz nachplappert." — Die junge Frau zündete noch ein paar Kerzen an, obgleich das Zimmer schon von der Nachtlampe hell beleuchtet war, — „Wo" bist denu, mein liebes Weiberl?" fuhr Scholz fort, indem er die Augen aufriß.
— „Hier, hier, mein Freund." — „Laß mir Dein Handerl, — es ist dasselbe Handcrl, das den alten Lumpazi treu und redlich auf den Weg der Ordnung zurückgeführt hat. Die Kerzen Rennen schlecht — ich seh' nix — mir scheint, ich bin schläfrig
— bleib da — verlaß mich nicht —„Nein, mein lieber Wenzel." — „Laß uns von den glücklichen Stunden plaudern, die wir mit einander verlebt haben. ' Aber nein — das geht nicht
— ich vergesse ganz, daß ich mein Reisebinderl schon geschnürt habe, und daß mir der geistliche Herr gerathen hat, mehr vorwärts statt rückwärts zu schauen. Aber ich kann weder vorwärts noch rückwärts schauen — meine Augen haben den Contract mit mir gebrochen" — fuhr der Patient mit immer schwächerer, endlich lallender Stimme fort, indem er umhertappte — reicht inir die Händ' — Alle — Alle — ich seh' nix mehr, so schläfrig bin ich — verzcihl's mir, wenn ich ein kleines Schlaferl mach' — gute Nacht — gute Nacht — grüßt nur alle meine Freund' und Collegen — und meinen alten Spezzi Nestrop —
— soll mich bald besuchen — bald — gute Nacht — auf — Wiedersehen." Auf Wiedersehen — dort! Wenzel entschlummerte. Leise weinend sank die junge Wittwe zu den Füßen des Entseelten — die Andern umschlangen seinen Hals — aber kein Kuß der Liebe und der Freundschaft rief ihn wieder ins Leben zurück.
— Der berühmte Wiener Arztvr. Hyrtl erzählte in einer seiner letzten Vorlesungen Folgendes: Obgleich die Untersuchungen, welche hochgestellte Aerzte über die künstliche Verdauung an- stcllten, das Ergebnis; hatten, daß rohes Fleisch die leicht verdaulichste Speise sei, so lehrt uns dennoch die Erfahrung, daß jene Völker, die sich hauptsächlich mit Pflanzenstofien nähren (die Bewohner der Normandie, Bretagne, von Rußland, die Kelten u. s. w.), in der Regel ein sehr hohes Alter erreichen, während jene Nationalitäten, die sich ausschließlich mit Fleisch nähren (die Eskimos, Tataren), selten ein Alter über 50 Jahre erreichen. „Ich selbst, sagte der Arzt, genieße von thierischen Ernährungsstoffen seit einer langen Reihe von Jahren nichts als Suppe, hiezu Reis und Maccaroni — und ich versichere Sic, meine Herren, daß ich jetzt viel ruhiger und klarer denke, daß ich froheren Muthes und arbeitslustiger bin, als in meiner Jugend; ich versuchte sogar in letzterer Zeit, auch die Suppe auszusctzen und mich blos von Zwetschgen zu nähren; ich nahm deren täglich 30 zu mir, doch die Abnahme meiner Kräfte bestimmte mich, von diesem etwas gewagten Experimente abzulaffen."
Thierkalender. Von jetzt an ist mit dem Abklopfen der Obstbäume regelmäßig bis zur Blüthe fortzufahren. Man nehme es in der Morgenfrische vor, da die gestürzten Käfer weniger rasch entkommen. Man sorge dafür, daß noch in der ersten Hälfte dieses Monats alles dürre Holz nicht nur aus den Obstgärten sauber entfernt, sondern auch das Abgeführte verbrannt wird. Die Birkenkäfer entwickeln sich im Holzschuppen ebenso gut, wie am Zweig auf dem Baum und fliegen daun in die Obstgärten hinaus, um neue Neste zu befallen. Bei größeren Stämmen genügt das Verbrennen der abgclösten Rinde. Das Reisach muß ganz verbrannt werden. (St.A.)
Auflösung des Räthsels in Nr. 39: Das Grauen.
Redaktion, Druck und Verlag der W. G. Zaiser'jchen Buchhandlung.