in diesem Klubb kein Wort*gesprochen we,dc». Man darf essen, ! Iriüken, rauchen und lesen, aber die Stille, die in dem Lokal ! 'herrschen muß, mit keinem Laut unterbrechen. Die Aufwärtcr ^ erhalten ihre Befehle schriftlich. Spaßhaft ist es, daß an der j Spitze dieses KlnbbS der größte Schwätzer Frankreichs steyt, nämlich der Senator Marquis des Boifsy. !
London. In den Fabrikbeurken der Grafschaft Lanca- shirc sind jetzt wieder 170,000 Menschen gänzlich außer Arbeit ! und 125,000 nur nolhdürstig beschäftigt. (D. V.) i
Die Stimmung der Deutschen in London nsar in Folge der i Müller'schcn Angelegenheiten eine sehr gereizte geworden; in White- ! Chapel kam cs zu einer blutigen Schlägerei zwischen ihnen und ! Stock-Engländern; ein Deutscher, welcher auf Mnller's Freispre« ! chung auf die Jury schriftlich geweitet, schnitt sich wegen Man- > gelS der verwetteten Summe die Kehle ab. j
Warschau, 21. Nov. Es wird versichert, daß das Klo- ^ steraufhebnngSdekret die Sanktion des Kaisers erhalten habe. Alle beim Aufstande bctheiligteu Klöster werbe» vollständig unier- drnckt und die wenigen Uebrigbleibenden unter Regicrnngsaufsicht , gestellt. ' (T.d.St-A.)i
New-Aork, 10. Nov. Lincoln ist mit Mehrheit in allen Staaten gewählt, ausgenommen Kentncky, Ncw-Jersev und Delaware. Die Mehrheit der Stimmen für ihn ist 400,000. — Es geht das Gerücht, Sherman» habe Atlanta zerstöri und geräumt; er marschire auf Charleslo».
Das Salzfaß.
Nach einer wahren Begebenheit.
Die Gäste waren alle schon fort. Eine dicke Schneewolke sauste von dem Ettersberge hinter ihnen her und geisterhaft tanzendes Schneegestöber nahm die leeren Plätze bei der Linde ein. Der Wirth zur Scböndorfer Schenke bei Weimar hatte sich mit dem Kopf an den Rahmen des Eckfensters gelehnt und schrieb Zahlen und Buchstaben in de» Hauch der angelanfenen Fenster. Die Wirthin aber stand vor dem Milchschrank am Ose» und sum- mirte die eingegangene» Pfennige, Dreier und Groschen auf der Schiefertafel. Dabei guckte sie manchmal nach der Thür, als wollte sie jemand rufen. Walnscheiniich sollte Leuchen, die Tockker vom Hause, die einzelnen Posten mit bestimmen und rechnen helfe». Leuchen aber war binausgcgangen und hatte dem einen Gast das Geleite nach der Stabt hinunter gegeben. Dieser Gast war in>- mer der erste und letzte unter der Linde, weil die Tochter vom Hanse mit ihrer Hand und was daran hing die Zeche bezahlen sollte und auch wollte, denn sie liebte ihn. Er hatte eben nun erst Zeit gesunden, ihr seine besondere Noch zu klagrn, denn des Rufes: „Leuchen! eine Flasche Bier! eine Portion Essen!" war heute kein Ende gewesen. Diese Noch bestand kürzlich darin, daß er sich den ander» Morgen zur Retrnteuloosnng gehörigen Orts cinfinden sollte. Gegen die Montur aber hatten Vater, Mutter und Leuchen gar mancherlei einzuwenden. Man durfte nur die Zahl sieben nennen, um sie sogleich an den siebenjährigen Krieg zu erinnern und ihre Klagelieder über die schlechten Zeiten zu erwecken. Sie vergliche» dann sehr beredt die sieben bösen Jahre mit den sieben mageren Kühen des Pharaonischen Traums in der Auslegung des Joseph, von welchen die sieben fetten verschlungen worden waren, und das Ende vom Liede war dann gewöhnlich: „Nur kein Krieg! Nur keine Soldalen!" Bei dieser Jdeen- verbindung von kriegerisch und mager und dem daraus entstandenen Widerwillen gegen den Militärstand, konnte man mit ziemlicher Gewißheit annehme», daß die beiden Wirthsleute nun und nimmermehr einem Rekruten ihre einzige Tochter zur Frau geben würben; zum Loskaufen von der Verbindlichkeit, dem Vaterlande zu dienen, fehlte cs an Geld. Das war es, was dem verliebten schonen Fritz heute so schwer auf der Seele lag. Leuchen hatte alle Mühe nölhig, ihn einigermaßen ^nit der Ungewißheit des drohenden Unglücks, auf der andern Seile aber mit der Gewißheit ihrer ewigen Liebe zu trösten. Darüber hatte sie das Znrück- gehen vergessen und es war schon ganz dunkel geworden, als sie den fraglichen Rekruten mit einer Löhnung entließ, die ihn auf's Neue und unauflöslich an ihren Dienst fesselte und jeden andern unerträglich machte. „Niemand kann zwcen Heri^k dienen!" rief sie ihm beim Weggehen noch schäckernd zu, „so^tt nicht für den andern Morgen, was ihr anziehen werdet!" Sie konnte vor Lachen nicht mehr. Kichernd lief sie zurück. Er aber schlich lang-
am der Stadt zu, seinem dunkeln Berhängniß entgegen.
Oben i» der Schenkstnbe hatte man Lenchen während dem gar sehr vermißt. ES hatte sich »och spät ein Gast eingesnnden. Die Mutter war um so unwilliger über ihr langes Anßenbleiben, je verdrießlicher ihr die Erscheinung des Fremden war, der, alt und schwach, Miene machte, z» übernachten.
,,Na, wo bleibst Du den» nur so lange?" rief sie ihr schon entgegen, als die Ziirückkehreiide noch »ichj einmal eingetreken war, „Du km nkest Deinen Goldschmied-wohl auch einmal allein gehen lassen! Da liegt nix Alles über dem Halse!"
Die fehlenden Schlüssel überreichend, vernahm Lenchen »nn die Veranlassung des Unwillens und ging der Alten hilfreich zur Hand
In der Unlerstnbc hatte der Fremde sei» Bündelchen bereits abgelegt und hinter dem blankgescheuerten Tisch am Fenster Platz genommen. Es war ein alles, heiser redendes Männchen, das der Wirth des dürftigen Aussehens halber für einen Bettler zu Hallen geneigt war; besonders als Lenchen mit dem Lichte herein- lrat und cs vor den Alten hinsetzke. Ein schmutzig grauer Kittel bedeckte die kleine, hagere Gestatt, und eine Pelzmütze, die er bei Lenchens Erscheinen grüßend rückte, schütte den tahlen, nur an der Seite mit dünnen, eisgrauen Haaren besetzten Scheitel.
„Ihr seid wohl weit her?" eröffueke der Wirth das Gespräch mit ihm.
„Menu ich sage, ich bin nicht weil her, erwiderte der Kleine fast schelmisch, so gebt Zhr mir am Ende kein Nachtquartier. Also, weit her! Ans dem Reich."
„Und reiset so allein in Euren Jahren?" setzte Lenchen theilnehmend hinzu. ,
„Ja, wer sollte mich den» begleiten? Ich habe niemand mehr. Wolltest Du vielleicht, mein Schätzchen?" scherzte der Alte und kämmte die paar grauen Härchen, die jmrcb das Rücken der Mütze in Unordnung gekommen zu sein schienen.
„Nun, warum nicht gar?" warf Lenchen schnippisch hin und trällerte zur Thür hmans.
„Ein hübsches Kind, Eure Tochter, Herr Wirth!" fuhr der Fremde fort.
„Woher wißt Ihr denn, daß eS meine Tochter ist?" fragte lächelnd der Wirth.
„Ei nun, für eine M >gd ill sie zu gut und für ein Pflegekind sind die Zeilen zu schlecht!"
„Ja, da sprecht Ihr wahr! versicherte jener ans vollster Uebrrzcngnng und rückte seinen Stuhl vertraulich näher. Ja wohl, ja wohl sind die Zeilen schlecht, so schlecht, daß man jetzt nicht mehr weiß, wo man Steuer» und Gaben her nehmen soll. Ach der Krieg! der Krieg! die verwünschten Soldaten! Die sieben magern Kühe, welche die sieben fetten verschlungen haben! O, der Joseph hatte wohl recht! Krieg und Theuernng! Liegt nicht Alles darnieder, Handel und Gewerbe? Kein Mensch getränt sich, einen Dreier zu verzehren und sieht dabei ans. als hält' er des lieben Lrods nicht satt. Du lieber Gott! je thenrer das Brod, desto besser schmeckt's und gedeiht nicht einmal. Wie ich sage, die sieben mageren Kühe . .. ."
„Ist denn Euer Wirthshaus nicht stark besucht?" unterbrach der Alle das Jammer».
„Das geht noch an, meinte der Gastwirth, aber eben, daß es i» jetzigen Zeiten stärker besucht wird, als manches andere, beweist ja nur, daß ich mich mit dem allergeringsten Vortheil dabei begnüge."
„Wird schon besser werden," tröstete jener.
„Ja, Du lieber Gott! stoßsenfzerte der Gerufene noch im Hinausgehen, das erleben wir nicht mehr!"
„Der Mensch braucht gar wenig, um glücklich z» leben!" fuhr der Alte fort und wandte sich an Lenchen, die eben wieder hereingetreten war und das Dünnbier aus der hochgehaltenen Kanne in den Krug des Fremden schäumen ließ. ,,Nicht wahr, Lenchen?"
„Wenig! seufzte diese, aber doch Etwas. Wenn man aber auch das nicht einmal hat, so ist man übel dran!"
(Fortsetzung folgt.)
Auflösung der Charade in Nro. 93:
Vogelbauer._
Druck und Verlag der G. W. Zaiser -scheu Buchhandlung. R eda-rion - HöIzle.