Die sogen. sibirische Pest, welche in Rußland grassirt, ist nach einer Erklärung des Professor Möller in Königsberg nichts anderes als eine unter dem Namen pustul» msIiANi» be­kannte Form des Milchrandes, welche bei der mangelhaften Mc- dicinalpolizei in Rußland sowohl unter den Hansthiercn große Verbreitung erlangt, als auch auf Menschen übergeht.

Zustände in Wasbington. Die Amerikaner sind im Allgemeinen sehr tolerant, selbst gegen die Ritter der Industrie. In Sparta war ja der Diebstahl auch ein Verdienst und wurde nur bestraft, wenn man ertappt wurde. Hier bewundert man, scheint es, ebenfalls die bei der Bestehlung deS Staatsschatzes entwickelteLmsrtnoss", und man hört äußerst selten, daß der­gleichen Staatskünstler zur Rechenschaft gezogen werden. Wird einmal ei» Dieb auf der Thal ertappt, so zuckt man mit einem leichten Lachen die Achsel und fertigt den Fall mit einem mit- leidigenpoor kellorv!" ab. Ob diese 'Nachsicht gegensmarte Leute" ei» von den Vätern ererbter Zug ist, läßt sich nicht mit Bestimmtheit behaupten; allein unmöglich wäre cS nicht, da Be­trüger aller Art, Schwindler, Bankerottirer, Diebe u. s. w. einen nicht unbedeutenden Theil der Einwanderer bildeten, die zu un­serer Großväter und Väter Zeiten vor dem Arm der Gerechtig­keit in Europa mit eben solchem Elser flohen, als in späteren Zeiten ihre Kinder und Enkel vor dem Arm der Ungerechtigkeit.

Gemeine Leute in Europa, besonders Waffermenschcn kar-n Tabak. Hier ist diese Gewohnheit ganz allgemein und fast noch allgemeiner als das Rauchen. Wenn man noch nicht in die Mysterien der amerikanischen Genüsse eingcweiht ist und die Männer betrachtet, glaubt man Zahnschmerzen seien epidemisch, da man so viele mit einer dicke» Backe umherlaufen sieht. Diese Gewohnheit des Tabakkanens ist auch der Grund, weßhalb die schönen Amerikanerinnen keine große Liebhaberinnen von Küssen sind. Küßt man eine der reizenden jungen Amerikanerinnen in europäischer LiebeSrasirei habe ich mir von jungen Leuten erzählen lassen so wundert man sich sehr, schüttelt das Köpf­chen über diese importirlc Neuigkeit und verzieht das Gesicht. DaS ist sehr natürlich, denn ei» gebranntes Kind scheut bas Feuer, und der Dame, die einmal in ihrem Leben bei solcher Veranlassung ein ansgekantes Priemchen in den Mund bekommen hat, ist cs nicht zu verdenken, wenn sie schaudert.

Die Mode des Kaneus ist gräßlich, nicht blos für Frauen, obgleich diese am meisten darunter zu leiden haben. Ueberall ans dem Trottoirs findet man solche abscheulich aussehende Ueber- bleibscl, und die Damen, die dort gehen, müsse» sich sehr vor­sehen, daß sie 'hre Kleiber vor denselben retten, oder daß sie nicht natürlich aus Versehen von einem Vorübergehenden mit einem braunen Strahl überschüttet werden. Der Platz, wo ein Tabakkaucr eine Stunde gesessen hatz. B. im Theater sieht über alle Beschreibung eckelhaft ans. DaS Kauen des Ta­baks erzeugt sehr viel Speichel, der natürlich aus den Fußboden entleert wird. Muß man einen solchen Platz überschreiten, so bar man sich in Acht zu nehmen, daß man nicht auSgleitct. Gewöhnlich ist der Platz, wo ein Amerikaner im Theater gesessen Hai, noch mit Schalen von allerlei Nüsse», besonders ksrmuts (Erbsennüssen) bedeckt, an denen viele Leute fortwährend knuppern und die überall feilgeboten werden.

In großen Städten, wo Bildung schon vorgeschritten ist, treten all' diese ekelhaften Gewohnheiten natürlich nicht so grell ans; der gebildete Mann von guter Erziehung, der Tabak kaut, lhnt hieß mit einiger Rücksicht und benutzt wenigstens die großen Spncknäpfe, die in allen Hallen der Hotels und der öffentlichen Gebäude zu diesem Zweck ansgestellt sind, oder entleert seinen Ueberftnß in das Kaminfeuer. Eine noch nicht erwähnte Eigen- thümlickkeit sinket man jedoch bei den bcsterzogeneu Amerikanern. Es scheint denselben nämlich fast unmöglich, wenn sie ansruhcnd dasitze», die Füße ans dem Boden zn lassen; sie legen sie ans den Tisck, Las Fenstersims, oder doch wenigstens auf einen andern Stuhl. Selbst im Kongreß kann man Herren sehen, die ihre Beine aus dem vor ihnen stehenden Pult haben. Sie sagen, daß man so besser ansrube, und sie haben nicht unrecht.

Washington ist ein Ort, wo Amerikaner aus allen Staaten zusammenkommen, und wer hier beobachtet, lernt daher mehr von dem Volke im Allgemeinen kennen, als wer in der Haupt­stadt irgend eines Staates wohnt. Wen» ma» nun die Ameri­kaner der untern und ober» Mittelklasse betrachtet, so findet man

sie im Allgemeinen sehr unwissend und sehr roh, allein nichts weniger als dumm; dabei sind sie gutmüthig, brav, genügsam, ausdanerd und rechtlich, obwohlsmart", wovon allerdings die­jenige», die aus großen Städten, besonders an der Ostküste, kommen, eine unangenehme Ausnahme machen, und sich durch Gemeinheit, Frechheit und Spitzbüberei auszeichnen. Dem Trünke sind nur zn viele Amerikaner ergeben, und ein betrunkener Ame­rikaner i,t noch hundert Mal gemeiner als ein betrunkener Eng­länder. Jedes Wort in seinem Munde ist durch einen Fluch oder Eid verstärkt. Man Hort gar nichts anders alsllnmnsel, bze ckvsns Olwist!" oderson vk n batest!" Ein bekümmelter Got- teS-Himmel-Donncrwetter-Corporal ist ein zarter Schäfer im Ver­gleich mit einer solche» amerikanischen tabakkanendc» und nach Whiskh stinkenden Bestie. Selbst unter Leuten der höheren Klasse» ist der Trunk sehr gewöhnlich; betrunkene Senatoren und Congreßmitglieder gehören keineswegs z» den Seltenheiten.

Die gebildetere, besser erzvgenene Klasse vo» Männern ist jedoch in Washington reckst zahlreich vertrete». Die Lenke sind ungenirt, aber artig, höflich und oft sehr liebenswürdig. Sie sind in Allem, was sic th»n, direkt nicht zur Mcdisance geneigt. Sie sprechen nicht gern schlecht von Anderen, sind-nickst geschwätzig und zappelig, wie so viele unserer Landsleute, sondern meist schweigsam (weun nüchtern), besonnen und praktisch. Sie sind gefällig und dienstserkig, und ein amerikanischer Freund ist einem Dutzend deutscher Freunde in Amerika vorznzieben. Kommt man zn einem Amerikaner, so sagt er: vvlrnt cnn I cko kor

/vu?" Kommt man zn einem Deutschen, so reibt er sich die Hände, grüßt und gratzsußt, und fragt:Nun mein Lieber, waS bringen sic mir Gutes? Das ist iehr charakteristisch.

Die Einwanderung vo» 1848 und 1841) hat ans die socia- len Zustände der Republik einen entschiedenen, und »,a» kann wohl sagen, segensreichen Einfluß gehabt. Der Amerikaner ist von Natur viel z» praktisch und verständig, als daß er sich die Lumpereien der deutschen Lumpen aneignen sollte; er gebraucht sie wie Nüsse, das heißt, er benutzt de» Kern und wirst die Lchaale weg. Etwas deutschen EivilisationSkern, der auch bei der ärgsten Verkommenheit nicht verholzen konnte, hat aber selbst jeder deutsche Lump ans dem Vaterlande mit hergebracht.

Die deutsche Nation scheint die Aufgabe des Salzes für die Bewohner der Erde zu haben. Wie das Salz fade und selbst ungenießbar macht, so wirkt eine mäßig proportivnirte Beimischung von Deutschen auf jede Bevölkerung eines Landes segensreich, wie cs sich leicht an Beispielen, vo» jedem Punkte des Erdballs entnommen, darthnn ließe.

Warum tragen junge Damen so gerne Ringe an den Fingern? Weil man auf ihre Hand mehr Werth legt als auf ihren Kopf.

Im Leben eines Mädchens gibt es oft zwei wichtige Perioden: in der einen soll sie Niemand haben, und in der andern will sie Nie­mand haben.

Ein aufmerksamer Beobachter thierischcr Instinkte will bemerkt haben, daß die Spinnen ihr Gewebe häufig unter den Deckel und Mund­loch von Armenbiichscn anlcgen, weil sie zu wissen scheinen, daß sie dort am wenigsten gestört werden.

Fünfsilbige Charade.

O Weh dem Armen, der die Erste hat!

Sein Lebenslicht brennt düster, klein und matt!

Mein Zweites folgt sofort dem Nadelstich Der unvermuthet trifft von rückwärts Dich.

Drei, Vier und Fünf, sie werden jeden Tag Geringer, wenn am Schiff das Steuer brach

Und wenn, verschlagen in die weite See,

Sich zur Gefahr gesellt des Mangels Weh.

Im Ganze» warb mein erstes oft verzehrt.

Wenn Drei, Vier, Fünf zu oft und gut begehrt;

Mann seufzt die Zweite schmerzlich vor sich hin.

Wenn dann kein Groschen mehr im Beutel drinn.

Auflösung der Preis-Charade in Nr. 63:

Frohsinn.

Die richtige Lösung wurde eingescndet von A. Scholder, Schulmeister Gauß, L- Hoß, U.L. Jungingcr, Hölzlc, U L. Dölker, sämmtlich von hier, U.L. Jäck von Walddorf, Kam.-Buchhalter Perrenon in Altenstaig und Ac- ciscr Wurster in Mindersbach. Als unrichtige Lösungen find also: Lieb­schaft, Taufbund, Sanftmuth, Blutlaus, Sehnsucht. Die ausgesctzte Prämie fiel durch Verloosung Hrn. U.L. Jungingcr zu.

Druck und Verlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung. Redaktion: Holz»«-