bedarf der Ruhe, die Einwirkung de» vorige» Turnens muß groß- tenthcilS beendigt sein, wenn das nächste beginnt. Jeden Tag lebhabft turnen, würde den Körper aufreiben; ein Uebermaß ist überall schädlich. Wer zum erstenmale tüchtig geturnt hat, der fühlt sich am nächsten Tage wie zerschlagen, Schmerzen in allen Gliedern, wenn er sie dehnt, und streckt. Das ist daS Turnfieber, das wie das Kanoneusteber den Rekruten in der Schlacht, so den Neuling im Turnen befällt. Das muß aber nicht abschrecken; in regelmäßiger Wiederkehr wacker geturnt, dann läßt das Turnfie- ber nach, und nach einigen Wochen ist cs für immer verschwun­den. Wie viel aber soll man jedesmal turnen? Soll man sich bis zum Niedersinken ermüden, oder sich nur so viel bewegen, daß eine leichte Erregung den ganzen Leib durchzieht? Das ist nach den Umständen verschieden. Dem Knaben und Jüngling darf man in dieser Beziehung viel bieten. Das überwallende Le­ben, der tobende Drang deS Blutes erheischt ein großes Maß der Bewegung, um Befriedigung zu haben. Ruhige, sanfte Be­wegung genügt hier Nicht, der Junge muß schnell warm werden, sonst ist ihm nicht wohl. Laufen, Springen, Ringen passen für ihn. Hier sind auch die Uebungen, die Muth erfordern, an ihrer Stelle. Selbst solche, die unvorsichtig betrieben, gefährlich wer­den können, sind hier unter der schützenden Anfsicbt des Lehrers vorzunehmen. Wenn der Geist sich entwickelt, w ist die Gefabr, durch die er hindurch gehen muß, ein Kühlbad, ui bei» er sich stählt und Härtel. Jungen, die keck und lollkübu der Gefahr eui- gegeugeheu, das werden die reckten Männer; der Knabe, der still bei Seile liill und furchtsam sich in die Ecken drückt, wird nie ein Manu. So sind die Schleicher und Heuckler. Das Ueber- maß des Jugendmuthes sinkt schon unter dem Druck des Lebens, der Mann wird ruhig, wenn es auch in der Brust des Jüng­lings noch stürmisch wogte. Der Lehrer begeht ein Verbrechen an der Jugend, der das Leben in ihr unterdrückt, der den Ueber- muth härter straft als Falschheit und Hinterlist. Für den Kna­ben, der dem Jünglingsalter sich nähert, und für den Jüngling ist auch aus andern Gründen anstrengende, ermüdende Bewegung heilsam. Tie Entwickelung des Geschlechtslebens, die in dieser Zeit vor sich geht, bewirkt einen Säftezuschuß zu den Geschlechts- theilen. Dadurch wird eine erhöhte Reizbarkeit dieser hervorge- bracht, die auf das ganze Wesen des jungen Menschen ihren Einfluß ausübt. Ueberall sucht jene Reizbarkeit Befriedigung, wollüstige Gedanken beschäftigen die Seele und führen nur zu oft auf traurige Abwege, zu geheimen Sünden, die Leib und Seele verderben. Da lhut eine Ableitung Noth. Und diese findet sich in dem Turnen. Die anstrengende Bewegung setzt alle Muskeln in Thätigkeit, und der Verbrauch der Muskelkraft fordert nnd nimmt reichlichen Ersatz aus den Säften des Körpers. So wird das Uebermaß der Strömung zu den Gcschlechtstheilen abgeleitet nach den Muskeln, das Uebergewicht des Geschlechtstriebes wird ausgeglichen, der junge Mensch, der eifrig turnt, bleibt rein und keusch.

So anstrengend wie für den Knaben und Jüngling darf das Turnen für Mädchen nicht sein. Der zartere Körberbau, die ge­ringere Muskelkraft erfordern hier Schonung. Auch für schwäch­liche Männer, besonders ältere, und für Frauen ist eine ruhige, sanfte Bewegung^ nützlicher als große Anstrengung. Vollsaftige Männer können eher wie Jünglinge turnen.

Auch über Männerturnvcreine, Freund, habe ich Dir noch meine Ansichten mitzutheilen. I» ihnen gedeiht das Turnen Er­wachsener am besten. Die Leute vereinigten sich nach freier Selbst­bestimmung zu einem Ganzen, bas nach felbstgeschaffenen Satzun­gen von sclbftgewählten Führern geleitet wird. Jeder ist gleich­berechtigt und gleichvcrpflichtet. So hat die Vereinigung für Jeden Werth, weil er selbst dabei betheiligt ist. Jeder strebt, de» Verein zu halten und zu heben; dadurch gewinnt die Turnern im Ganzen und der Einzelne. In Turnanstalten, wo Jeder an den Vorsteher sein Turngeld zahlt, und dafür dessen Unterweisung genießt, geht die Theilnahme an der Turnsache nie über den selbstischen Vortheil hinaus, dem einzelnen Turner ist der Nutzen für seinen Körper die einzige Triebfeder, dem Vorsteher gewöhn­lich der Vortheil, den er aus zahlreichem Besuch seiner Anstalt zieht. Das Zusammenwirken Aller zur Hebung der Turnerei fehlt, und damit gebt der hohe Nutzen verloren, der in dem gemeinsa­men Streben Vieler für eine edle Sache liegt, der belebende und veredelnde Einfluß des Gedankens, Mitarbeiter an einem großen Werke zu sein, das die Menschheit heben und veredeln soll. Bei solcher Gemeinsamkeit hilft der Eine dem Andern, der Eifrige

treibt den Lässigen an, der Bedächtige hält den Voreiligen zurück, der an Bildung und Kenntnissen Reiche theilt dem Dürftigen mit. So sind die Turnvereine Anstalten zur Hebung und Ver­edelung des Volkes.

Hier ist auch die Stelle, an Manches zu erinnern, was nicht unmittelbar zur Leibcsübung gehört, aber doch, seit alter Zeit mit dem Turnen eng verwachsen, dieses gefördert hat und durch das­selbe .befördert worden ist. Das Turnen soll ein Mittel zur Ausbildung und Veredelung des Menschen sein. Hierzu genügt aber die bloße Leibesübnng an sich nickt vollständig, sonst wäre Rekrutendrillen auch Turnunterricht. Zum Menschen veredelnden Turnen werden die Leibesübungen erst durch die Art ihres Be­triebes, durch wichtige begleitende Umstände. Sie werde» es, wenn man dem Turner Sittlichkeit, Edelmuih, Vaterlandsliebe und andere große Eigenschaften als solche hinstellt, die ein Tur­ner auch erwerben müsse, weit es seine Aufgabe sei, möglichst vollkommen als Mensch zu sein. Sie werden es, wenn man ihm sagt: Du sollst den Leib abhäcten und kräftigen, um gesund an Leib und Seele zu sein; nur so kannst Du Deine Stelle als Mensch ausfüllen. Jeder hat Pflichten nicht nur gegen sich selbst, sondern auch gegen die Mitlebenden, besonders gegen die Brü­der, welche von der einen großen Mutter, dem Vaterlaude ent­stammt sind. Ein Allerweltsmensch kann Keiner sein, Erziehung, Sprache und Sitte ketten uns an die Gemeinschaft, in der wir ausgewachsen sind. Dieser nützlich zu sein, sei unser Streben, wer mehr will, nützt Keinem. Weltdürgerthum ist Unsinn, so lauge noch Volkerscheiden bestehen, so lange wir nicht Alle eine Sprache reden und einen Trieb fühlen, so lange mau auf den ersten Blick noch den Britten vom Franzmann und beide vom Deut­schen unterscheiden kann. So lauge muß man noch mahne» :Kj

An's Vaterland, an's theure, schließ' Dick an;

Das halte fest mit Deinem ganzen Herzen!

Hier sind die starken Wurzeln Deiner Kraft!"

Unser deutsches Turnen ist von deutschen Männern in einer Zeit, wo das Vaterland bedrängt war, zu dessen Rettung versucht worden und hat sich herrlich bewährt. Kraft, Mannheit und Be­geisterung für Recht, Freiheit und Vaterland hat es damals den deutschen Jünglingen gegeben, und das kann es noch und soll es noch. Und die Turnvereine haben als Vereinigungen deutscher Männer die Ausgabe, dahin zu wirken, daß er dieß tbue. Sitt-> lichkeit, Männlichkeit, Vaterlandsliebe sind die Preise, deren Er­ringung sie ihren Mitgliedern zur Pflicht machen müssen. Und wie sollen sie die Erfüllung dieser Pflicht erleichtern? Das bloße , Turnen schon hebt die Sitten. Wer einmal Genuß gefunden hat an der Ausbildung der eigenen Kräste (und das geschieht bald, bei jedem Anfänger im Turnen), den hält bas Turnen ab von) anderen unedleren Genüssen, von Schwelgerei und Spiel und von Manchem, was noch schlimmer ist. (Schluß folgt.)

Das letzte Pfand.

Es ist der Tag vor Ostern,

Warm treibt der Frühling schon. Geendet hat nun Sang und Predigt VonKreuz uns Dornenkron".

Im Auferstehn zur Freude Regt Alles draußen sich hold.

Still breitet auf Berge und Thäler Das Leben sein Ostergold.

Da beugt sich die Wittwe zur Truhe Im durft'gen Kämmerlein,

Ihr ists nicht wie Ostern und Freude, Sie weint in die Truhe hinein.

Mit zitternder Hand dann hebt sie Ein Kreüzlein mit Kette hervor,

Das einst als Braut sie empfangen Vom Manne, den sie verlor.

Dann küßt sie das Kreuz und herzet Zugleich ihr fieberndes Kind Geht hin zum Pfändcverleiher,

Der forscht und bietet geschwind.

Druck und Verlag

Und draußen klingen die Glocken, Der Tag vor Ostern ists ,a,

Und tief in der Seele der Wittwe SindKreuz und Dornen" noch da.

Und Kreuz und Dornen, sic bleiben.

Ob Ostern kommt oder geht.

Doch hat sic.ist Alles verpfändet - Ihr Kindlcin und Ostcrgebet.

(Gartenlaube 1861, Nro.

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«. W. Zaiserstaitii «uchh»Ndt»»L. Rktanio»: Pötzik.