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strengsten Jncognito abgereist. Der Kaiser begibt sich auf ei­nige Tage nach Compicgne, wo große Jagden stattfinden werden.

Wie viel Uebles den Engländern auch nachgeredet wird, praktische Leute find sie doch. Die Londoner z. B. habe» ihren Lordmayor« (spr. Lordmayer) Schmaus niemals abgeschafft, sondern halten ihn jährlich gewissenhaft ab und fördern de» Frieden Europas. Freunde und Feinde, Pardel und Lämmer sitzen in der Tafelrunde, fördern die gemeinschaftliche Arbeit durch muntere Reden und bellen das Wetter auf. Dem jüng­sten vor ein paar Tagen abgehaltenen Schmaus verdankt ganz Europa gutes Wetter. Zum Nachlisch erhob sich Napoleons Gesandter, Graf Perflgny, das Glas in der Hand, sah sich

rings in der Tafelrunde nnd in der Welt um und fand, daß

alles gut sei und stehe. Frankreich und England und ziemlich aste Welt im Frieden, sein Gebieter der größte Friedcnsfürst, nirgends ein Wölklein zu erkennen oder ein heranziehender Sturm, versicherte er. Wer anderer Meinung ist, nehme nnr eine Schildkrötensuppe zu sich und betrachte die Welt durch die Cham­pagnerflasche von Hochheim, so wird er bekehrt werden. Es

kommt alles auf die Brille an und der Schaumwein ist eine

vortreffliche Brille für de» Menschenfreund.

DieMalta-Times" meint:Es ist vor Kurzem abermals ein Mordversuch gegen Garibaldi vereitelt worden. Ein in sei­nem Stad aufgenommener neapolitanischer Offizier feuerte in des Generals eigener Stube ein Pistol auf ihn ab. Der Schuß wurde durch einen anderen zufällig anwesenden Offizier noch rechtzeitig abgewandt und die Kugel flog gegen die Decke der Stube. Garibaldi befahl, ohne vom Stuhl aufzustehen, dem Offizier den Degen abzunehmen und ihn sofort laufen zu lasten. Der Mörder gestand, daß er dem General schon seit zwei Mo­naten nach dem Leben trachte. Ein ähnlicher Mordversuch war gegen General Essenz gemacht worden. (Fr. Pstz.)

Rußland schickt jährlich 910,000 Leute in die Verban­nung nach Sibirien.

Newyork, 24. Okt. Aus Britisch-Columbia wird ge­meldet, daß die Schlangen-Jndianer eine 46 Personen starke Auswandererschaar ermordet haben.

Aus dem Leben der Kaiserin Josephiue.

(Fortsetzung.)

Es war einige Tage nach diesem Vorfall, als ein Cou­rier von Schönbrunn in Saint-Cloud eintraf und der Kaiserin einen Brief des Kaisers Napoleon überbrachte, worin er ihr seine nahe Ankunft meldete. Sie sollte am 30- Oktober in Fontainebleau sich einfinden. Aber Napoleon reiste nach seiner Gewohnheit mit solcher Schnelligkeit, daß er schon vier Tage vorher, nämlich am 26., um 1 Uhr Nachmittags ankam.

Als der Kaiser aus dem Wagen stieg, war Niemand zu­gegen, der ihn empfangen konnte. Bestürzt eilte der Schloß­beamte herbei. Der Kaiser befahl, auf der Stelle den Courier nach Saini-Eloud zu schicken, der seinem Wagen vorausgeeilt war, um der Kaiserin seine Ankunft in Fontainebleau zu melden. Dann ging er mir dem Großmarschall Duroc, mit welchem er gereist war, in das Schloß. Er besah den neuen Flügel des Palastes, welcher auf seinen Befehl vergrößert und mit einer zauberischen Pracht möblirt wurde, die die hochfliegendsten Träume beschämte. Aber kein Wort kam über seine Lippen. Verdrießlich über die Abwesenheit der Kaiserin Josephine. blieb er finster und fing auf eine Weise zu pfeifen an, in welcher der Großmarschall seine übelste Laune erkannte.

Plötzlich fuhr ein Wagen mit großem Geräusch vor das Schloß. Es waren einige Civilbeamte des kaiserlichen Hauses. Als Napoleon ihren Wagen bemerkte, stieg er die Treppe hinab, ging ihnen entgegen, und während ein Kammerdiener die Thüre öffnete, herrschte er ihnen entgegen, ehe sie noch aus dem Wa­gen gestiegen waren:Und die Kaiserin?"

Sire," antwortete schnell gefaßt ein Palastbeamter,wir haben die Ehre, zehn Minuten Ihrer Majestät der Kaiserin voraus zu sein; vielleicht wird fi« selbst auf der Stelle ein- treffen."

Napoleon kehrte ihnen den Rücken, ohne eine Antwort zu geben, und schritt irr das Innere des Palastes zurück, in­

dem er einige Worte zwischen den Zähnen murmelte. Scheu zogen sich die Leute zurück, Niemand wagte sich in seine Nähe.

Endlich traf die Kaiserin ein. Es war bereits sieben Uhr vorbei. Beunruhigt, daß der Kaiser vor ihr in Fontaine­bleau angekomme» war, eilte Josephine die Treppen hinauf; sie traf ihn nickt in dem Vorsaal, wo er ihr gewöhnlich entge­genkam. In höckstcr Bestürzung snckte sie ihn in allen Gemä­chern und fand ihn endlich in der kleinen Bibliothek.

Ha! Madame," rief er ihr entgegen,sind Sie endlich da! Es ist hohe Zeit; ich wollte eben nach Saint-Clonö reisen!"

Beklommen erwiderte Josephine:Lieber tbenrer Frennst, die Schuld liegt an dir. Ich bitte, sei nicht nngereckk. S)n hast mir deine Ankunft zum 30. gemeldet und kommst schon heute an. Warum kehrst du denn so früh zurück?"

,,Ha freilich, es ist wieder mein Fehler, daß Sie nicht dagewesen sind," rief Napoleon, indem er heftig auf- und ab­ging.Habe ich Sie nickt schon vor vierzehn Tagen von mei­ner Ankunft benachrichtigt? Ich hätte mehr Aufmerksamkeit von Ihnen erwartet, Madame."

Scheu näherte sich ihm Josephine und wollte ihn umar­men, indem sie liebreich sagte:Nach einer so laugen Abwesen­heit empfängst Du mich so kalt, theurer Freund. Wie betrübst du mich durch deine harten Worte." Und ein Strom von Thränen benetzte ihre Wangen.

Aber der Kaiser schonte nickt das fanfte, weiche Herz Jo­sephinens: er entzog sich ihre» Umarmungen und fuhr fort, sie mit bitteren Worten zu kränken. Gereizt durch ein Benehmen, das Josephuie an ihrem Gemahl nickt gewöhnt war, antwortete sie ihm nun in demselben Tone. Der Kaiser wurde nur im­mer heftiger und sprach endlich das WortScheidung" aus. Da sank die unglückliche Josephine auf die Kniee und faltete die Hände, indem sie mit einem schmerzlich rührenden Ausdruck den Kaiser anblickre.

O nein, »ein, mein Freund," rief sie voll Verzweiflung, es ist unmöglich! Bonaparte! Großer Gott, ich bitte dich, laß mich sterben, ehe das geschieht!"

Als Napoleon die Verzweiflung Josephinens sah, erwachte alle Liebe und Zärtlichkeit wieder, die er stets für seine anmü- thige liebreiche Gemahlin gefühlt hatte. Rasch hob er sie auf, zog sie sanft an sein Herz und sagte voll Innigkeit:Nein, nem, es wird nicht geschehen, theure Josephine; ich werde dich nie verlassen. Komm, trockne deine Thränen und verzeihe mir,"

Ein sanftes, verklärende, Lächeln schwebte um den Mund Josephinens; indem sie sich liebewarm an die Brust des Kai­sers schmiegte, sagte sie:Ach, Bonaparte, du weißt es ja, wie gern ich mich allen deinen Wünschen unterwerfe und jed« Minute zähle, bis ich an deinem süßen Anblick mich wieder er­freuen darf. Wenn du daran zweifelst, so kennst du die Liebe nicht, die ich für dich empfinde."

Du bist immer meine liebe gute Josephine," sagte der Kaiser und küßte sic.Sei mir nicht böse, ich bin heute nicht bei guter Laune. Es thut mir weh, dich gekränkt zu habe», aber ein andermal beeile dich auch mehr. Nun gehe und wech­sele deine Kleider zur Tafel."

Er machte sich sanft von Josephinen los. Aber die Kai­serin ergriff seine Hände, schloß sie innig warm in die ihrigen, und ihren Lippen entschlüpften die Worte:So hat Fouchst nicht wahr gesprochen; du willst mich nicht verlassen, meist Freund?"

Fouchö!" rief der Kaiser, und seine Stimme bebte vov Zorn,Fouche hat zu schweigen, bis ich ihm befehle! Was hat er dir gesagt?"

Die Kaiserin erzählte und Napoleon gerieth in heftige» Zorn über die Kühnheit Fouchö's, der ohne seinen Auftrag der Kaiserin diese Mittheilnng gemacht hatte. Er beruhigte Jose­phine mit den zärtlichsten Worten und mit der Versicherung, daß er mit Fouchv nie ein Wort von einer beabsichtigten Tren­nung gesprochen habe. Josephine verließ den Kaiser trotz sei­ner liebevollen Aeußerung mit der bangen Ahnung, daß sie früh oder spät dennoch das Opfer sein müsse. (Forts- folg t.)

Truck und ri-rrlag-rrÄ.W'.äu is-r'schtu-Such-audlun,. ^»coatli«,: Hitjlc.