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niß erbeten und erhalten, sich nach Gaeta zu begeben und dem Könige von Neapel seine Dienste anzutragen. Der General soll sich, wie inan hier wissen will, bereits in Konstantinopet cingesctnfft haben. (Oest. Z>

Sr. Petersburg, 1. Nov., Bormittags. Die Kai­ser! n-M » tke r ist heute früh 8',/z Uhr gestorben. (Alex­andra Feodoro w n a, Ka iserin - Multer von R >i si l a n d, geborene Prinzessin von Preußen, erblickte bas Licht der Welt am 13. Juli 1798 und erbielt in der Taufe die Namen Cbar- lotte Friederike Luise Wilhelmine. Am 13. Juli 1817 wurde sie mit dem damaligen Großfürsten Nikolaus vermählt, nachdem sie zur gneckisch-katholischen Religion übergetretcn war und den Namen Alexandra angenommen hatte Am 1. Dezember 1825 bestieg, nach der Abdankung seines altern Bruders, des Groß­fürsten Konstantin, Nikolaus den russischen Kaiserlhion. Tie Krönung fand am 3. September 1826 zu Moskau statt. Seit 2- Marz 1855 war die Kaiserin Witlwe. Ihre Kinder sind: Kaiser Alexander II. von Rußland, geb. 29. April 1818, die Großfürstin Maria, verebelichte Herzogin von Lencbkenberg, geb. 18. August 1819, die Großfürstin Olga, Kronprinzessin von Württemberg, geb. 11. September 1822, der Großfürst Kon­stantin, geb. 21. September 1827, der Großfürst Nikolaus, geb. 8. August 1831, und der Großfürst Michael, ged. 25. Oktober 1832.1 (T. d. S. M.)

Das Mädchen von San Steffanv.

(Fortsetzung.)

Von jetzt ab fand Fiamina öfter Gelegenheit, die Gefan­genenzellen zu betreten, da zufällig ein leichtes Unwohlsein ihren Baker noch mißgestimmter und träger machte. Immer mehr be­festigte sich ihr inniges Berhältniß zu Lorcdano, aber auch im­mer banger blickte sie ans die erblassenden Wangen des in dem Mangel der altgewöhnten Freiheit bitter Leidenden und auf die trüben Auge», die nur noch in ihrer Gegenwart Heller auf- leuchteten.

Endlich gestand Loredano, wogegen sein Stolz sich bisher gesträubt hatte, dem angstvoll forschenden Mädchen, daß er sich nicht allein geistig, sondern auch körperlich sehr elend fühle. Wer begreift nicht die Pein für ein fühlendes, weiches Herz, das, was man auf der Welt am höchste» schätzt und am lieb­sten hat, langsam aber sicher der Vernichtung, der Auflösung entgegen schreiten zu sehen? Fiamina fühlte sie im höch­sten Grade.

Auf ihre dringenden, oft wiederholten Bitten hatte er end­lich an seine so hoch und einflußreich dastehende» Verwandten geschrieben, und dieser Brief war heimlich durch ihre Vermitte­lung an die letzteren gelangt.

Wochen vergingen und keine Antwort traf ein. Es un­terlag keinem Zweifel mehr, Loredano war wirklich von seiner Fam.iie verstoßen worden; diese Uebcrzeugung griff ihn noch Mehr au. als das entbehrungs« und demülhigungsoolle Leben im Kerker. Bo» Tage zu Tage wurde sein Aussehen leiden­der, und als der Spätherbst eintrat, erschien der kraftvolle Jüngling, der dieses Gebäude im Frühjahr betreten hatte, um mehrere Jahre schon gealtert und drohte in unheilbarer Melan­cholie zu vergeben. Selbst Fiamina hatte einen großen Theil ihres wohltbätlgcn Einflusses auf ihn bereits oerloren, und weh- mükhlg, aber auch bitter gegen sich selbst, hatte er ihr schon ge- rathen, ibr Schicksal uicht länger an das eines hoffnungslosen Unglücklichen zu knüpfen.

Das war zu viel für das Herz Fiamiiia's; wirre Pläne von höchster Wichtigkeit durchkreuzten ihr Gehirn. Da, als wieder einmal eine so entsetzliche Verzweiflung sich ihrer in der Gegenwart des Geliebten bemächtigt hatte, stürzte sie ihm plötz­lich unter einem Strome von Thränen leidenschaftlich zn Füßen.

Ich will, ich werde dich retten, Loredano! rief sie außer sich. Wir werden zusammen San Steffano verlassen in we­nigen Tagen aber ich beschwöre Dich bei allen Heiligen, gib Dick nicht länger dieser maßlosen Verzweiflung hin.

Die Angen des Marchese blitzten in einem ihnen schon lange fremd geworbenen Glanze auf, aber eben so schnell senk­en sie sich wieder düster zu Boden.

Das ist unmöglich, Fiamina, erwiederte er mit schwacher Stimme es gibt keinen Ausweg aus diesem schrecklich.» Ge- fängniß. Ich werde ine zngeben. daß Du Dein Leben an einen solchen hoffnungslosen Versuch setzist.

Das Leben? rief bas Mädchen beinahe zürnend. WaS ist es mir ohne Dich? Wenn Du stirbst, werde auch ich wel­ken, wie eine Blume auf dem Steinboden dieses Kerkers. Du wirst frei sein. Loredano a- cs muß geschehen, was mir schon lange im Sinne liegt, ich fühle jetzt die Kraft dazu, bin ich auch nur ein schwaches Weib. Die Liebe gibt sie mir, und diese Liebe allein ist mein Heiligthnm.

Vergebens waren alle Einwendungen des Marchese, die ebensowohl aus seiner Schwäche, als der Besorguiß um Fia- mina's Schicksal entsprangen; bas junge Mädchen führte ihm Bilder einer künftigen Glückseligkeit, fei sic auch nur unter den allerbescheidensten Umständen möglich, vor die Seele, denen er nicht länger widerstehen konnte. Die Sehnsucht nach Freiheit ist vielleicht das gewaltigste Gefühl >7, der Menschenbrust; welche Racksichten und Hindernisse bat cs nicht schon zu allen Zeiten zn besiegen vermocht!

Als er das Mädchen so fest entschlossen fand, richtete sich auch Loredano, der Mann, der früher oft einer Laune halber so mancher Gefahr getrotzt hatte, an ihrer Stärke wieder auf und die leise geröthelcn Wangen bewiesen, daß neues Feuer durch s.nie Adern zu strömen beginne. Im Fluge verabredeten die Liebenden einen von Fiamina schon längst vorbedachte« Plan; man konnte und wollte um keinen Preis zögern, ein so wichtiges Ziel zn sichern.

Drei Tage später hatte das entschlossene Mädchen bereits Alles gelbau, was sich tvnu ließ. Sie halte unter einem drin­genden Vorwände dem Vater die Erlaubniß abgcdrungen, nach Gaeta hinüber zu fahren, von dort unter dem Vorgeben, cs ge­schehe im Aufträge des alten Mario, ein unbedeutendes klei­nes Fahrzeug mitgebracht, den» einem der wenigen armen Fischer auf San Steffano durfte sie sich nicht anvertraue», da er sie ohne Zweifel dem Gouverneur verralhen haben würde, und dieses Boot vertraute sie der Obhut jenes Mannes an.

Ihre Ersparnisse, ihr ganzer Staat und 'Schmuck war zn diesem Behufe i« Gaeta versetzt worden; wenn der Vcrrath jetzt nicht wachte, waren sie und Loredano gerettet, denn letzterer hatte nahe bei Terracina im Kirchenstaate einen reichbegüterten Freund, der sie bis zu ihrer Uebersiedcluug nach Frankreich auf­nehme» und unterstützen sollte.

Um den ganzen Handel wußte nur jener Fischer, ei» be­schränkter Manu, der dem alten Mario eine Gefälligkeit erwie­sen zu haben meinte, und es kam nur darauf an, daß die bei­den Männer nicht zusammenkämen, und dafür sorgte Fiamina mit Geschicklichkeit, aber auch mit innerer Herzensangst.

Die Flucht aus dem Gefängnisse war voraussichtlich leich­ter, als von der Insel selbst zu entkommen, die sowohl zu Lande durch Patrouillen, als durch ein kleines Wachtscbiff scharf bewacht wurde. Fiamina hatte zu jeder Tageszeit freien AuS- »nd Eingang in bas Gebäude, da sie der kleinen Anzahl von l Officiercn, Soldaten »ud Wächtern hinlänglich bekannt war, ----- darauf gründete sich der gewagte Fluchtplan.

Es hatte sie einen schweren Kampf gekostet, ihren Vater zn täusch-n, sogar zu verlassen, denn sie wußte, daß sie ih» nie wieder unter die Augen treten dürfe; aber die Liebe über­wand auch dieses schwere Bedenken, und die immer zunehmende Härte des alten Mannes erleichterten es ihr wenigstens. Fia­miiia's Entschluß stand fest und sie erwartete mit fieberhafter Ungeduld seine Ausführung.

Man hatte die dritte Nacht nach der beiderseitigen Ver­abredung dazu bestimmt, falls sie finster und unfreundlich genug war, um die Wachen täuschen zu können. Solche Nächte wa­ren in dieser Jahreszeit nicht selten; auch dieses Mal begünstigte das Glück die Liebenden.

Es war kurz nach Mitternacht, als Fiamina sich vorsichtig von ihrem Lager erhob, auf dem sie bisher kein Auge geschlos­sen hatte und leise an der Thüre horchte, die zn dem Schlas- cabinet ihres VaterS führte. (Forts, folgt.)

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