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ihres Vaters vernommen, aber sie hatte vergebens nach Worten der Erwiederung gerungen.
„O mein tbeurer, geliebter Vater," rief sie jetzt, bleich wie eine Marmorstatue, „weßhalb kann ich mir nicht das Herz aus der Brust reißen, damit cs mir möglich sei, bei Dir zu bleiben! Weßhalb muß ich so undankbar gegen all'Deine Liebe erscheinen! Aber mein Herz hat er ganz in seinem Besitz, in ihm liegt mein Geschick, und es muß sich erfüllen. Lebe daher wohl, mein theurer Vater, denn jetzt muß ich Dich verlassen; aber ich kehre zu Dir zurück, und bald stehst du mich wieder!"
Der Mann, der das Pferd am Zügel hielt, senkte, als Margarethe zu ihm trat, ein Knie zur Erde und bot der jungen Frau seine Hand als Steigbügel, eine Huldigung, wie sie nur die höchsten Damen der Ritterzeiten zu empfangen pflegten.
Auf ähnliche Weise kehrte Margarethe von Zeit zu Zeit in das Vaterhaus zurück, doch immer verließ sie cs bald wieder eben so, wie wir es beschrieben, geführr von dem Manne, der gegen sie eine Ehrerbietung zeigte, wie nur ein Stallmeister
einer Königin sie seiner Gebieterin beweisen könnte.
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Seit der Einäscherung des Schlosses Ramsberg wurde Garibaldi, der gegen die Oestreicher in Berg und Wald den rastlosesten und erbittertsten Krieg führte, gehetzt wie ein wildes Thier. Als aber eine Abtheilung Kroaten mit ihrem Leben die Kühnheit bezahlt hatte,, sich ihm allzunaye zu wagen, wurde neuerdings ein Preis auf seinen Kopf gesetzt.
Die Folge davon war, daß man ihn einige Zeit so ziemlich in Ruhe ließ, denn es schien, als hielte sich Niemand persönlich berufen, sich seiner zu bemächtigen, um den ausgesetztcn Preis zu verdienen.
Er stand jetzt an der Spitze einer größeren Anzahl italienischer Patrioten, die regelmäßig orgauisirt waren und den Guerillakrieg mit ziemlicher Ritterlichkeit führten. Den Neichen, besonders denen, die es mit den Ocstreichern hielten, legten sie Kontribution auf, dagegen beschützten sie die Bauern und Pachter gegen jede Art der Tyrannei und Plackerei.
Garrbaldi wurde daher auch in allen Bauernhäusern, auf allen Pachthöfe», deren Bewohner für ihn vortreffliche Verbündete waren, mit wahrer Gastfreundschaft ausgenommen, und dadurch oft vor einem Ueberfalle ge ckützt.
So irrte er, verfolgend und verfolgt, in den Bergen umher. beständig seine Aufenthaltsorte und seine Zufluchtsstätten wechselnd; kühn aber zeigte er sich überall, wohin in seiner Meinung nach irgend eine Pflichterfüllung rief.
Er war von unglaublicher Verwegenheit und bewundernswürdiger Gewandtheit, kannte alle Wege und Stege in dem Gebirge, und überfiel oft unversehens eben die Truppen, die gegen ihn ausgesandt waren. Deßhalb wagten sie sich auch bei feiner Verfolgung nicht leicht tiefer in das Land hinein.
, Seine außerordentliche Körpcrkraft, seine an das Wunderbare grenzende Geschicklichkeit in allen körperlichen Uebungen, die List und Verschlagenheit, mit denen er seine Feinde zu täuschen und ihnen zu entgehen wußte, machten ihn zum Gegenstände des Aberglaubens und tausend unglaublicher Abenteuer.
Die Einen waren der festen Ueberzeugung, er sei unverwundbar; die Andern schrieben ihm die Macht zu, sich an mehreren verschiedenen Orten zugleich zu befinden.
Sein Name allein schon flößte den östreichischen Soldaten einen gewaltigen Schreck ein, den Italienern aber eine unbegrenzte Bewunderung. Das Landvolk besonders betrachtete ihn als ein geheimnißvolles, übernatürliches Wesen, das bald gut, bald aber auch boshaft sei, immer aber unbegreiflich und unerreichbar.
Während er so durch seine Thaten und seinen glühenden Patriotismus sich weit umher einen Ruf erworben hatte, der ihm in gewisser Beziehung als schützender Gürtel diente, machte seine Margarethe, welche ihn mit aufopfernder Liebe, jede weibische Furcht und Schwäche überwindend, auf seinen meisten Zügen begleitete, ihn zum glücklichen Vater, wie er schon der glücklichste Gatte war. Denn trotz aller äußeren Stürme des Lebens, trotz seiner oft blutigen Unternehmungen und Aben
teuer, war seine Liebe zu seiner jungen, reizenden Frau von Tag zu Tage nur gewachsen.
Bei dem unstäten Leben, das er führte, beständig von tausenderlei Gefahren bedroht, hatte er nur einen Kummer: das waren die Entbehrungen und Mühseligkeiten, denen er, seiner liebevollsten Sorgfalt ungeachtet, Margarethe ausgesetzt sehen mußte, seitdem er ihren dringenden Bitten nachgegeben, sein Abenteurerleben theilen zu dürfen.
In den wenigen Stunden der Ruhe und des Stilllebens, die ihnen vergönnt waren, umgab er sie mit der zartsinuigsten Liebe und Aufmerksamkeit, und wenn bei seiner ruhelosen Existenz seine Jugend vor der Zeit geschwunden war, so führte Margarethe ihm die Gefühle derselben zurück und die Liebe zn ihr machte ihn zum Dichter. Ihr zu Ehren verfaßte er viele Gedichte, von denen sich mehrere erhalten haben. Verrathen sie auch eben kein hohes poetisches Talent, so geben doch viele derselben Zeugniß für eine Tiefe, Innigkeit und Zartheit des Gefühls, welche man bei einem Parteigänger, wie Garibaldi, wahrlich nicht für möglich halten sollte.
War aber der Muth groß, und die Ergebung bewundernswürdig, mit der Margarethe, das zarte, verwöhnte Graseukind, ein solches Leben zu ertragen vermochte, so zeigte sich doch ihre Körperkraft den Angriffen nicht gewachsen, welche stete Aufregung auf ihr nervöses Temperament und ihren geschwächten Geist ausüble, und sie starb an einer Brustkraukhcit langsam dahin.
Während der wenigen Tage, die sie noch immer mit län- gern Unterbrechungen bei ihrem Vater znbrachte, sah sie sich endlich gezwungen, das Bett zu hüten, und als der Mann mit dem Handpferde wie gewöhnlich kam, um sie abzuholcn, mußte er ohne sie das Schloß verlassen. Vergebens hatte sie alle ihre Körperkraft anfgebotcn, um ihm zn folgen. Sie vermochte es nicht und war kraftlos auf ihr Lager zurückgesunken.
Wenige Tage darauf entfloh ihre schöne, kräftige Seele dem nicht minder schönen, aber schwachen Körper, und ver- zweiflungsvoll stand der Gras Ramsberg au dem Sterbebette der geliebten Tochter. ' (Schluß folgt.)
Allerlei.
— Ein junger, reicher Schlächtermeister verlobte sich mit einem schönen, aber armen Dienstmädchen. Die Familie der Braut schwamm in Seligkeit und Wonne, und diese selbst war überaus glücklich. Der Hochzeitstag kam und Braut und Bräutigam fuhren, von der Gesellschaft gefolgt, zur Kirche. Der Bräutigam sprang flink aus dem Wagen und schickte sich an, seiner Braut behülflich zu sein. Diese, verwirrt und aufgeregt, trat ihm beim Aussteigen auf den Fuß. „Ochse!" rief der Schlächtermeister in der Empfindlichkeit seines Schmerzes, und man begab sich zur Kirche. Die Traurede begann und der Geistliche fragte den Bräutigam um sein Jawort; er gab es froh und laut. Die Braut aber antwortete zitternd: „Nein!"
— Es entstand ein wahrer Tumult in der Kirche, aber das Mädchen erzählte ruhig und fest die Geschichte mit dem Fußtritt, gab den Ring zurück und meinte: „Ein Mann, der mich an dem heutigen Tage so schimpfen kann, wird mich nach der Hochzeit noch schlimmer behandeln; ich will ihn nickt mehr, denn ich weiß vorher, daß er mich unglücklich machen würde !"
— Der Schlächtermeister weinte und flehte. Umsonst, das Mädchen nahm wieder einen Dienst an, und behauptet dabei glücklich und zufrieden zu sein.
— Ms kürzlich in Berlin in einer mündlichen Verhandlung ein Zeuge von nicht ungefälligem Aeußern von dem Vorsitzenden gefragt wurde: „Wie sind Sie mit dem Angeklagten verwandt!" erwiderte derselbe: „Verwandt? verwandt wohl so eigentlich nicht, aber er hat mir lange gegenüber gewohnt. Ja, gegenüber gewohnt hat er mir, aber verwandt werde ich wohl nicht sein. Ne, verwandt bin ich wohl Nicht, Ich glaube nicht. Nein, verwandt bin ich nicht.
Auflösung des Näthsels in Nro. 88:
Tag und Nacht.
Druck und Verlag der G. W. S a i sc r'schen Buchhandlung. Rcdakti°u 'Halste.