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verjrichnrte in erstgenannter Stadt am 30. v. M. 92 Todesfälle.— Kansas befand sich in allergrößter Aufregung, nachdem sich die Nachricht bestätigt, daß die Goldlager bei Pikes Paek außerordentlich reichhaltig find. Das Gold, welches daselbst gefunden wurde, ähnelt dem von Kalifornien und Columbien. Zwei Leute wuschen in Einer Woche mit febr nothdürstigem Handwerkszeuge aus einem kleinen Bache daselbst für 600 Doll, aus. — Oegon meldet man neue Indianer-Unruhen; am Columbiaflusse fielen bei einer Begegnung mit ihnen 3 Offiziere und 30 Mann. -St-A.)
Die Treibhaus-Blumen.
! Fortsetzung.)
Heinrich konnte sich anfänglich nicht reckt in die Sache finden; aber bald besann er fick, daß ibn sein Herr vor einigen Tagen wegen einer Geringfügigkeit den ganzen Abend verschickt habe. Dieß und überhaupt Bodo's feit Kurzem so starke Neigung zur Blumenzucht gab ihm genügsame Erläuterung. ES verdroß ihn gewisser Maßen, daß Dorcken seiner ernstlichen Bewerbung kein Gehör gegeben habe, und sich nun von seinem Herrn bei der Nase hernmführen lasse, und er wußte sich dafür nicht anders zu rächen, als daß er die ganze, halb nur crra- thene Geschichte, wiewohl unter dem Siegel des Geheimnisses, den Domestiken der Baronesse mitthcilte.
Juliane vernahm natürlich schon am folgenden Morgen aus dem Munde der getreuen Zofe, daß die blutjunge und dabei recht naseweise Jungfer Kohl eine ganze Nackt bei Arlheim zugebracht habe, dieser frechen Aufführung halber sei sie denn auch von ihrem Vater dermaßen abgeprügelt worden, daß die ganze Nachbarschaft in der Meinung, cs sei Feuer, sich um das HauS versammelt habe.
Vielleicht wäre die Baronesse, hätte sich' dieß etwa ein Jahr nach ihrer Perheirathung zugetragen, ziemlich gleichgültig bei dieser Nachricht geblieben; allein jetzt wurde ihr Stolz durch den Sieg einer gemeinen Dirne über ihre eigenen Reize nickt Wenig empört, und sie konnte es nicht erwarten, bis Bodo nach seiner Gewohnheit einmal znsprccken würde, sondern bat ihn in einem ziemlich lakonischen Billet uni einen kurzen Besuch.
So wenig aufgelegt dieser dazu war, so mußte er sich doch einfinden. Juliane machte ihm die bittersten Borwürfe, ließ sich in der Hitze sogar zu den entehrendsten Beschuldigungen gegen ihn und zu Schimpfworten gegen das arme Dorcken herab/und, da der jetzt außerordentlich reizbare Arlheim nack und nach gleichfalls seinen Gleichmut!) ver-lor, io kam cs zuletzt zu einem förmlichen Brücke.
Man sandte sich gegenseitig Geschenke, Briefe und Gemälde zurück, und Bodo erfuhr nach wenig Tagen, daß Juliane dem vorherigen Friedensstifter zwischen ihm und ihr, der schon vor ihm um sic geworben, das Jawort erthcilt habe; daß aber auch durch sie und ihre Leute das Gerücht von seinem Abenteuer mit dem schönen Gärtnermädchen und der darauf erfolgten Züchtigung, mit den boshaftesten Zusätzen verziert, in der ganzen Residenz verbreitet worden sei.
Tiefer Unwille über diese niedrige Verleumdung und ein nicht unangenehmes Gefühl über seine wieder erlangte Freiheit vereinigte sich jetzt in ihm mit der Uebcrzcngnug, daß das gute Torchen durch seine Schuld an ihrer Ebre leide, und daß er deßhalb zu einer Vergütung verpflichtet sei; aber freilich war ihm alles noch zu neu, freilich schienen ihm sein Stand und die Vornrtheile der Welt, ja selbst die Gewißheit von Dorchcns mangelhafter Erziehung, noch viel zu unübersteigliche Hindernisse, als daß er zu irgend einem festen Entschlüsse hätte gelangen können.
Doch mitten in dieser Unruhe erschien ihm, wie ein leitender Schutzgeist, sein ältester und redlichster Freund, und schon bei der ersten Umarmung war cs beschlossen, diesem sich ganz mit- zutheilen.
Hermann— so hieß Bodo's Jugendfreund — war der Sohn des ehemaligen Verwalters auf Bodo's Rittergute, und hatte die Rechte studiert. Als einem Manne von ausgezeichneten Talenten und ausdauerndem Fleißc hatten sich ihm, kurz nach Beendigung seiuer akademischen Laufbahn, die günstigsten Aussichten
gezeigt; aber fast zu gleicher Zeit war er von der Liebenswürdigkeit eines schonen, aber armen Mädchens — einer Pfarrers« tochter, so viel Bodo gehört hatte — gefesselt, und durch eine Vcrheiralhnng mit ihr aller ihn erwartenden Vortheile beraubt worden. So war cs denn gekommen, daß er einige Jahre in einem kleinen Städtchen unter ziemlich drückenden Verhältnissen gelebt batte; doch ganz vor Kurzem war Bodo's Gerichts-Direc- tor gestorben und Bodo batte bei Besetzung dieser sehr einträglichen Stelle natürlich vor allen andern auf seinen Iugendge- spielen Rücksicht genommen. Jetzt war dieser gekommen, um seinem Freunde und künftigen Gerichtsherrn persönlich dafür zu j danken.
Kaum waren'die ersten Fragen zweier nach langer Zeit sich wiedersebendcr Freunde beantwortet, als Bodo seinem Hermann , zu dem er wegen seines fast ähnlichen Schicksals in der Liebe doppeltes Zutrauen gefaßt hatte, zum Vertrauten seines Hcrzensgeheimniffes machte. Er erzählte ihm von dem tiefen Eindrücke, den beinahe vom ersten Augenblicke an ein schönes und unschuldiges Mädchen, aber aus dem niedrigsten Stande, in ihm zurück gelassen habe; er setzte ihm die mit bet Baronesse statt gefundenen Verhältnisse bis zur Trennung auseinander; er war aufrichtig genug, seine Schuld in Hinsicht auf Dorcken zu bekennen, und erwähnte sowohl des Nachtheiles, den der gute Ruf des Mädchens Lurch ihn erleiden könne, als der geringen geistigen Ausbildung, die ihn von einer ernstlichen Verbindung mit ihr abhalte. — „Meine übrige Lage in Hinsicht aus meine Hofstelle und ans eigenes Vermögen" — so schloß er seine Erzählung — „ist dir zur Genüge bekannt; ratbe mir nun als ehrlicher Mann und als aufrichtiger Freund, was ich thnn soll?"
„Zn dem Bruche mit der Baronesse" — versetzte Hermann mit der innigsten Theilnqhme — „wünsche ich ihnen Glück. Tief würbe cs mick geschmerzt haben, ihre künftige Zufriedenheit nicht fester gegründet zu sehen, als bei den Meisten ihres Standes! — Aber glauben sie deßhalb nicht, daß ich, ob ich schon selbst alle bürgerlichen Vortheile aus den Angen gesetzt habe, um durch Liebe glücklich zu werden, ihnen unbedingt zu einer Verbindung mit dem Mädchen ralhen werde. Zwar, wenn es wahr ist, daß die Ehre der Armen durch sie untergraben worden, wenn das schuldlose Mädchen sich künftig vielleicht nirgends zeigen darf, ohne daß man mit Fingern auf sie zeiget; so wissen sie als Mann von gelauterten Begriffen selbst, daß sic zu jeder möglichen Entschädigung verpflichtet find. — Ob dieses aber durch ihre Hand, oder durch die Hand eines andern braven Mannes, den das Mädchen leiden könnte, geschehen müsse, darüber enthalte ich mich vor der Hand alles Ürthcils. Denn sollte sie vielleicht nicht fähig sein, dem höhern Kreise, in den sie versetzt werben müßte, sich anznbilden; sollte sie nicht Verstand, Talent, Feuer — kurz nicht Gehalt genug haben, um einem gebildeten Manne in der Länge genügen zu können; so wäre das ihr dargebrachte Opfer ans einer Seite zu groß, auf der andern nur dem Scheine nach genngthucnd. Ob also das Glück meines Freundes und des Mädchens durch eine Verbindung zu gründen sei, darüber enthalte ich mich alles Urtheiles, bis ich das Mädchen gesehen!"
„Tu hast, ohne es zu wollen, das Urtheil gesprochen," — antwortete Arlheim — „das Mädchen ist die Unschuld und Liebe selbst, aber cs fehlt ihr auch nickt an natürlichem Verstände, ja selbst nicht an jener binreißenden Schalkhaftigkeit, die eine schöne Gestalt, wie der Dorn die Rose nur noch liebenswürdiger und begehrenewerther macht. Mein bisheriger Umgang mit ihr und die Zartheit ihres Benehmens dabei hat mich völlig überzeugt, daß sie die Fähigkeit, sich in jeden, selbst in den höchsten Stand zu finden, in reichem Maaße besitzt; sie ist ein köstlicher, nur noch ungeschliffener, Diamant! — Doch du wirst nur den Liebhaber in mir zu hören glauben; aber du sollst sie selbst sehen, sollst ein Zeuge sein, Daß ich thue, wozu die Pflicht und mein Herz mich auffordert! Komm lieber Hermann!"
(Fortsetzung folgt.)
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