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Petersburg, 26. Aug. Man erzählt sich im Vertrauen, daß der Kaiser nur den Bericht seiner Brüder über die Juspec« tion der kaukasischen Armee erwartet, um eiiieu entscheide,,de» Ent sch W mit Bezug auf die Fortdauer der Kämpsc im Kaukasus zu fassen. Wenn man die ganze Suiuuie des bis jetzt vergossenen Blutes und der anSgegcbeueu Mittioiien mit dem vergleicht, was kenn eigentlich bis jetzt gewonnen ist, so steht dieses in gar keinem Verhältnisse zu den,, was selbst im glücklichsten Falle überhaupt jemals dort erreicht werden kann. Wäre die militärische Ehre des Landes nicht engagirt, so würde wahrscheinlich schon Kaiser Nikolaus den Kampf dort anfgegebeu haben. Aber auch die militärische Ehre muß denn doch irgend ein Gränze haben! Hätte das Land eine Hauptstadt, deren Besitz entscheidet, oder wäre der Widerstand in irgend einer fürstlichen Familie concentrirt und zu brechen, so ließe sich ein greifbarer und überzeugender Erfolg hoffen. So aber ist jeder Streich, den unsere braven Truppen thun, ein Streich ins Wasser. Nach jedem Siege ist es genau eben so, wie am Tage vor demselben. ES gibt nur Leichen, aber keine Erfolge. Somit ist es denn gar nicht unwahrscheinlich, was man sich hier vertraulich erzählt, daß Kaiser Alexander II. der Sacke ein- für allemal ein Ende machen will und deßbalb seine Brüder mit dieser Inspektion beauftragt hat. (N. Pr. Z.)
Kein Humbngh, sondern Thatsache ist eS, daß ein dir. Francis in Philadelphia die Erfindung gemacht hat, mit Hülfe des Galvanismus Zahne schmerzlos ausznziehen. In Frankfurt und Wien haben Aerzte die Versuche mit großem Glücke und verbessert wiederholt.
Die Treibhaus-Blumen.
(Fortsetzung.)
Der Jagdjunker zeigte sich nun in der That als ein sorgsamer Blumenfreund, und obschon die für sich selbst eingekauften Stöcke mit dem Angebinde für die Baronesse gcvßten- theilS von gleicher Gattung waren, so hielten sie sich doch vortrefflich. Natürlich war dadurch der Julianen insgeheim gemachte Vorwurf so gut, als erwiesen, und nach und nach hatte sich die unter den Verlobten schon vorhcr eingctretene Lauigkeit sogar in Kälte verwandelt. Dagegen schalt Heinrich das Gärtncr- mädchen gar bald schnippisch und voruehmlhnig; der Jagdjunker stellte sich zuweilen, um cinzukanfen, bei dem alten Fabian ein, und man will sogar behaupten, daß sich nickt selten gegen Abend aus dem Gärtnermarktc uud in der zu Fabians Garten führenden Allee ein langer Grünmantel herum getrieben habe.
Wie dem auch sei, so ist dock gewiß, daß Bvdv'S Zerstreuung und Tiefsinn, so oft er Julianen besuchte, täglich ans- fallender ward, und ihr selbst so wenig, als ihren Anverwandten, länger entgehen konnte. Man nahm daher zu einem gemeinschaftlichen Freunde, zu einem von den sehr gewöhnlichen Menschen seine Zuflucht, die, größtentheils nicht ohne eigcn- liebige Absichten überall so gern Vermittler zum Frieden abgcben.
Bodo stutzte über die so genannte gutgemeinte Warnung und wurde etwas empfindlich, erklärte aber zugleich nicht ohne Heftigkeit, daß er sein, als Mann von Ehre gegebenes Wort auch als solcher halten werde, daß er nie aufgehört habe, die Verbindung mit Julianen zu wünschen, und daß er zu jeder Zeit, deren Bestimmung einzig und allein von ihr selbst abhänge, ihr seine Hand zu geben bereit sei.
Der geschäftige Unterhändler stutzte ein wenig, umarmte jedoch den Kammerjunker mit verstellter Freude und floh mit dieser Antwort zu Julianens Familie.
Gern hätte Arlheim ihn zurück gerufen; denn schon — und leider jetzt erst — fiel es ihm ein, wie sehr er sich übereilt habe.
„Ja, ich werde, ich muß sie heirathen" — sagte er tiefsinnig und stützte die heiße Stirn mit der Hand — „aber bei Gott! Sie weiß nicht, was Licbe.ist; sie liebt mich nicht, wie ich sie lieben könnte, sie liebt mich nicht, wie — kaum wagte er dieß auszudenken, — „wie mich an ihrer Stelle eine Andere, wie das reizende Dorchen mich lieben würde!"
Er gicng unruhig auf und ab, und trat an das Fenster. Diese waren durchgängig mit Blumenäschen besetzt, und Blumen
dienten jetzt am allerwenigsten dazu, ihn zu berubigen.
„So soll ich dich denn aufgebcn, du holdes Kind der Natur?" — fuhr er in seinem Selbstgespräche fort — „du, die ohne es zu wisse», mit ganzem, glühendem Herzen an mir hängt? So soll ich dich fliehen, du, die ohne eö zu wissen, so schön, so über alles liebenswürdig ist?"
„Sie aufgebeil? sie fliehen? und warum das?" — flü- sterte jetzt ein böser Dömon ihm zu, und bald hatte sich in seiner Seele ein Gedanke ausgebildet, den eingesogene Begriffe seines Standes und seine ganz eigene Lage allenfalls in etwas entschuldigen, aber nichts in der Welt rechtfertigen kann.
Das der Baronesse gegebene Verspreche» unerfüllt zu las. sen, sie und ihre ganze Sippschaft so empfindlich zu beleidigen, war gar kein Gedanke; aber zweifeln konnte er ja doch auch nicht, das er Dorchen auf das zärtlichste liebe. Bei alle dem, und selbst wenn Juliane ihm sein Versprechen zurück gäbe, hei- rathc», nein! heirathen konnte er das Gärtnermädchcn ja doch nicht! Himmel! was würde der Hof, wo er in Gunst stand, was seine reiche adelstolze Familie, was die ganze feine Welt von ihm urthcilcn? Wem könnte er das gute, aber wenig gebildete Mädchen vorstellen, ohne beschämt zu werden? und müßte er nicht vor sich selbst erröthen, ein Mädchen zur Gattin zu wählen, bei welcher sogar sein Bedienter einen Nebenbuhler abgegeben hatte? —
„Heirathen könnte ich sie ja doch nicht!" — daö war der Ausschlag seines Nachdenkens — „aber was hat die Liebe mit der bürgerlichen Verfassung zu schaffen? Meine Hand reiche ich Julianen: aber kann ich dafür, wenn mein Herz einer Andern angehört? Ist dieß nicht immer das Loos unseres Standes, und findet man cs nicht sogar lächerlich, wenn Mann und Frau noch nach den Flitterwochen ernstlich in einander verliebt sind? -- Wird nur der äußere Anstand nicht vernächlässigt — und so weit werde ich mich nie vergessen — so »erstattet man ja allgemein gar gern eine Nebengeliebtc! — Nebengeliebte? das gute, unschuldige Dorchen? Pfui! — und was soll am Ende
aus ihr werden?-Ack, wer wird so weit in die Zukunft
hinaus denken? Leben und Lieben ist eins, und nur die Gegenwart ist unser; leben wir denn für die Gegenwart — für die Zukunft mögen die Götter sorgen!" —>
Aus diese Art suchte Bodo sein widersprechendes besseres Gefühl durch Sophistereien zu betäuben und dem kalten Verstände zu unterjochen. Da dich jedoch nicht vollständig gelingen wollte, beschloß er gar weislich, durchaus über diese Sache nicht mehr nachzudcnken, sondern alles gehen zu lassen, wie es wolle.
'Noch an dem nämlichen Tage führte ihn der tückische Zufall an Torchens Marktstande vorüber, und da ihre blitzenden Augen schon von fern ihm freundlich zuwinkten, konnte er unmöglich, ohne sie zu sprechen, vorüber gehen.
„Wie thener ist diese gefüllte fleischfarbene Hyacinte und hier das dunkelblaue Sammet-Aurikel, mein liebes Dorchen?" — fragte er lachend und der Kauf war sogleich unter der Ne- bendedinguug abgeschlossen, daß Dorchen selbst ihm die Blumen überbringen solle. „Es hat Zeit damit, dis auf den Abend, schönes Kind!" — meinte Bodo bei dem Weggehen — Kommen sie nur, wenn sie nach Hause gehen. Ich werde dann zuverlässig in meiner Wohnung sein!" (Forts, folgt.)
Allerlei.
— Bauernregel für den September. Wie Aegidius (1. Sept.) sich verhält, ist der ganze Herbst bestellt. Sep- temberregen kommt dem Bauer gelegen. Mariä Geburt (8. Sept.) zichn die Schwalben furt. Um Michaeli die Saat, ist nicht zu früh und zu spat. Wenn zu Michaeli der Wind von Norden oder Osten weht, ein harter Winter zn erwarten steht. Gibts zu Michaelis viel Eicheln, so soll um Weihnachten viel Schnee fallen.
Truck und Verlag der s>. W. Z a! se r'schen Buchhandlung. Redalt,Ull: Hutzle.