408
k-
mir den Weg und bald befand ick mich am Thore des Schloß- Hose-. Mehrere Trauer-Equipagen mit adeligen Wappen waren bereits vorgefahren. Schwarzgekleidete Herren und Damen, von Dienerschaft umgeben, stiegen aus und ginge» den Vor- Hof entlang. Unfern des einen Thors wandelte eine schwarze Gestalt, eine florumwundene Hellebarde schwingend, auf und ab.
Der schwarze Kerl, sprach ich zu mir selbst, wird dir wahrscheinlich ein Qucu stellen mit seiner verwünschten Stange, aber ich riskirte es und trat in den aristokratischen Vorbof. Richtig, die vor mir wandelnde Noblesse ließ der schwarze Moloch ruhig passiren, in mir erkannte er sogleich den illegitimen Eindringling und kam so hastig, als es seine Gravität zuließ, auf mich zu.
Sollte hier nächst der Menschenwürde auch das Metall seinen Werth verloren haben? dachte ich, und drückte dem Ankömmling ein Geldstück in die Hand, worauf er sich abwendcte, als ob er nichts gesehen habe. So gelangte ich in die sogenannte Tod- tenhalle. Es war dieß ein gewölbter, ziemlich geräumiger Saal, überall mit schwarzem Tuch ansgcschlagen. Die dicht umhangenen Fenster ließen nicht das geringste Licht herein, dagegen brannten unzählige weiße Wachskerzen. Inmitten aber von Blumen und einem glorienhasten Lichtmecr schlief Engelberta. Doch wo nehm' ich Worte her, einen Engel zu beschreiben? wo Bilder, ei» Meisterstück der Schöpfung würdig zu schildern? Ich batte schon manche schöne Blnmcnleiche gesehen, aber solch' überirdische Schönheit war mir noch nicht vorgckommen. Wunderbar ergriffen faltete ich unwillkürlich die Hände und eine Tbräne trat mir unbewußt in die Augen.
Sic haben Recht, sprach ich zu mir im ersten poetischen Schmerze, daß sie weit und breit Trauer anlcgen 8 Tage lang, und wie wenig ist dieß, cs können lange Jahrzehnte vergehen, che solch ein Engel wieder die Erde betritt.
Eine Todtcnstille herrschte im ganzen Gewölbe; kein Laut, kein leises Flüstern war vernehmbar in der ganzen zahlreichen Versammlung. Sie alle schienen zu beten am Sarge dieser Himmelsgebornen.
Da that sich kciSknistcrnd eine Tapctcnthnr auf. Eine ältliche Dame in tiefer Trauer trat heraus, unterstützt von einem gleichfalls bejahrten, in Trauer gekleideten Herrn. Ein silbergestickter Stern blitzte auf seiner Brust. Lange und thränen- los weilten die Blicke der erstcren ans der Gestorbenen. Das fühlbare Znrückpressen des Mutterschmerzcs in den gemessenen Zwang der Etiquette war deutlich auf dem bleichen Antlitz zu lesen. Der Begleiter trocknete sich kaum bemerkbar eine herabrollende Thräne. Er schien die Gräfin fest zu halten und seine Blicke waren besorgt auf sie gerichtet. Noch lange blickte die Mutter unverwandt nach ihrem todten Kinde; endlich zogen sich die Beiden still und leis, wie sie gekommen waren, zurück. Ein Säuseln ob dieser stummen ergreifenden Scene wehte wie Geisterhauch über die Versammlung.
Es währte auch nicht lange, als sich die am weitesten voranstehenden Adeligen ebenfalls durch einen Seitengang kaum hörbar entfernten. Eines nach dem andern folgte'und bald befand ich mich nur niit wenigen Männern, die tbeilS dem bürgerlichen Gerichtspersonale, theiis dem Leichenkondnct, an- gehörtcn, allein.
Die Zeit der Ausstellung war abgelaufen; aber noch immer könnt' ich mich von dem'engelhafte'» Wesen im Sarge nicht trennen. Wie festgebannt ruhten voll heiliger Wehmnth meine Blicke auf dem süßen Gliedcrban, ans den dunkeln Locken , die träumerisch zu Seiten des himmelvollen Antlitzes herab- floßen; da nahten sich zwei Männer mir dem schweren kostbaren Sargdeckel. Dieses Wunderbild sollte für ewig von dem holden Lichte scheiden, und in jene ernste Nacht versinken, aus der noch Niemand wieder gekommen ist. Schon schwebte der furchtbare Deckel über Engelberta, als mein Innerstes eine nie gefühlte Angst ergriff. Mein ärztliches Gewissen erwachte, die Worte eines weisen Lehrers, „nie zuzngeben, daß Jemand begraben werde, ohne von dessen Tode überzeugt zu sein," brannten in Flammenlettern vor mir, und so rieß ich einen kleinen Hohlspiegel, den ich zur Aufnahme von Landschaften
immer bei mir trug, aus der Tasche, und die Etiquette im Geringsten zu beobachten, rief ich den beiden Männern ein kräftigt Halt zu, trat ganz nahe an die Leiche, und hielt das Krpstall üver die geschlossenen Lippen. Alle Anwesenden erstarr- len über solche in diesem Schlüge nie erhörte Frechheit und wußten im ersten Schrecken nicht, was sie beginnen sollten. Ich hielt unlerdeß ununterbrochen den Spiegel über da» Antlitz der Verstorbenen.
Ein leises Murmeln verkündete jetzt den herannahcnden Sturm; da zog ich behutsam das Glas hinweg und hielt es gegen die flammenten Kerzen. O unvergeßlicher Augenblick! wie ein ferner, ferner Morgennebel hatte sich ein kaum sichtbarer Thau über das Kufftall gelegt, der bei der Wärme der Kerzen jedoch sogleich wieder versteh. Meine Hand zitterte. Thronen brachen mir hervor; „zurück!" rief ich den schwarzen Grabgestalten zu, die noch immer mit dem Sargdeckel dicht neben mir standen, „die Gräfin ist nicht todt, sie liegt nur im Ltarrkramf, man rufe den Arzt und bringe sic zu Bett."
Ich mußte diese Worte doch mit zu fester Uebcrzcugung gesprochen haben, den» mehrere der Anwesenden stürzten sogleich davon; die Uebrigen umstanden mich in wortlosem Erstaunen. Ich allein war der Selige und begriff nicht, daß nicht Alles in Jubel ausbrach; aber die unerwartete Freudenbotschaft hatte sic gelähmt, und ei» bejahrter Mann trat auf mich zu mit den Worten: Mein Herr, was soll das? Wissen Sie, welcher Verantwortung Sie sich anssetzen durch solch lhörichtcS —
Das Leben eines Menschen zu retten, werd' ich stets verantworten, doch was sag' ich eines Menschen, eines Engels!
Bei diesen Worten sahen mich die Umstehenden mit seltsamen Blicken an. Die Gcchhliosen wollten sich noch immer nicht freuen. Unbestritten hielten sie meine Worte für Irrsinn.
Unlerdeß erschollen eilende Tritte in dem Seitengange. Ein Herr von höflichem Acußern, aber schlcchtverhehltem Verdruß auf dem Gesichte, trat in die Halle, schritt zum Sarge, warf einen Blick auf Engelberta, und fragte zu mir gewendet: „Sind Sie wahnsinnig? Uebcrhaupt wer sind Sie? Wie kommen Sie hiehcr?"
Ich erkannte in dem säubern Patron sogleich den hochgebor- ncn Hausarzt, ärgerte mich über solche Impertinenzen und re- plicirtc mit möglichster Ruhe: Solche Fragen sind jetzt überflüssig; sorgen Sie, mein Herr, für die Wiederbelebung dieser Schcinleiche, welche nur vom Starrkrampf gefesselt wird.
Der Arzt würdigte diese Worte keiner Beachtung, winkte dem Gcriä'tspersonale, wahrscheinlich meine Transportation betreffend, befahl den zwei Männern den Sarg zu schließen. Jetzt ergrimmte ich im Innersten, und rief dem Elenden zu: „Sie erfüllen Ihre Pflicht als Hausarzt oder ich klgge Sie des Mordes a», den ich beweisen werde."
Der Mann erblaßte, denn so eben trat der Graf iit die Halle. Alles machte ehrfurchtsvoll Platz. Der Alte mit dem Sterne kam auf mich zu und fragte ebenfalls: Wer sind Sie?
„Gnädiger Herr," entgegncte ich, „augenblicklich steh' ich Rede, aber zuvor beschwöre ich Sie, !daß die Todtgeglanbte zu Bett gebracht werde, und man Belebungsversuche anstelle, bevor es zu spät wird. So wahr Gott im Himmel lebt, das Fräulein ist keine Leiche, denn noch ist Leben in ihr."
Der Graf schien ergriffen und winkte, daß man meinen Worten Folge leiste. Jetzt legte der Arzt und fast alle Anwesenden Hand an, den Sarg von dem Trauergcrüfte hcrabzn- heben. Ich wollte gleichfalls mit Beistand leisten; der Graf aber winkte mir: „Lassen Sie," sprach er, „Herr v. B. wird bas Nöthige besorgen. t3'orts. folgt.)
Allerlei.
Johnson konnte noch nicht lesen, als er seine Iran nahm. Am Tage trieb er das Schneidcrhandwerk und des Abends lehrte ihn seine Frau lesen. In der letzten Zeit bekleidete der frühere Schneider das Amt eines Gouverneurs von Tenessee und jetzt i st er Senator der Vereinigten Staaten.
Lr»ik »»> Perl», »er «,W, Z-iser'schen Buchha»»!»»,. R«»»kti,n: H»l»le.