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„War es ein Tram»?" keuchte Fra»;, „oder bin ich verrückt? Hinweg, hinweg von dieser Mörderscenc! Nun weiß ich, wo ich finden werde, was ich suche.
Er kehrte zurück zu Johanna, welche ruhig bei dem sanft schlafenden Kinde wachte und in der heiligen Schrift las. Franz sagte ihr nichts von dem Borgefallenen, und sie getraute sich auch nicht zu fragen; er bewog sie, sich schlafen zu legen; er selbst aber blieb die ganze Nacht über auf, um die Papiere in der alten Bibel näher zu untersuchen. Den andern Tag trug er dieselben zmn Magistrat, und die ganze Sache wurde
dem Gerichte zur Untersuchung übergeben.
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„Habe ich nickt recht gehabt, als ich sagte, daß man, bevor ein Jahr vergeht, wieder einen Sarg ans jenem Hause tragen würde? sagte die Bäckersfrau am Straßcneck zu ihrer Tochter, als man nach einiger Zeit einen reichverzierten Sarg aus Franzens Hanse trug. Der Tranerzng, Franz an der Spitze, bestand ans sämmtlichen Schreinern und sehr ehrsamen Handwerkern der Stadt, schwarz gekleidet.
„Es ist der Sarg des alten Herrn Flock", sagte die Dackerstochter; er soll nun wirklich begraben werden, sagt inan. Ich bin begierig, ob cS wahr ist, daß seine Gebeine unter einem Baum in Herrn Storchs Garten gefunden wurden?
„Ganz wahr"; bestätigte ein Fischcrweib, indem sie ihren Korb uicdcrsctzte, um den Zug Vorbeigehen zu sehen. „Der junge Meister Franz hat alles vor Gericht bewiesen, und der schäbige alte Storch muß nun sein schlecht erworbenes Vermögen wieder hergebeu."
„Ja, und sein schlechtes Leben dazu, vielleicht", sagte der Nachbar Schcnkwirth, „wenn alles wahr ist, was die Leute sagen — so hat er den ehrcnwerthc» Herrn Flock nmgebracht."
„Ich dachte mir doch immer, daß dieser Spitzbube eines Tages noch gehängt würde, er suchte mich stets zu betrügen, wo er konnte," fügte die Bäckersfrau hinzu.
„Ja; aber vor allen Dingen müssen sie ihn haben," sagte ein anderer; in den letzten drei oder vier Tage» hat man,nichts mehr von ihm gesehn."
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Am Christabende saß eine fröhliche Familie in dem ehemaligen Flock'schen Hanse am Canal. Das Kind war wieder gesund, und Franz füllte den silbernen Becher mit Wein und trank mit Johanna auf eine glückliche Wiederkehr der Jahreszeiten.
„Hätten wir vor noch kurzer Zeit daran gedacht, daß wir nun so behaglich beisammen sitzen konnten?" rief er aus.
„Hier sitzen wir nun in unserem eigenen Hause, welches uns von unserem gütigen Onkel zngedacht war. Ich bin nun nicht länger mehr gezwungen, bis Mitternacht Särge zu Hobel», sondern kann angenehmere Arbeiten unternehmen, kann zu meiner Unterstützung Gehilfen und Lehrlinge halten. Meines guten Onkels Name ist vorwurfsfrei, und seine Gebeine ruhen nun in geweihter Erde, einer seligen und freudigen Auferstehung gewärtig."
Die Gerümpclkammcr mit ihren granscnhaften Erinnerungen wurde förmlich abgesperrt, das Hans von außen neu verblendet, und die gehcimnißvolle Inschrift, auf diese Weise ausgelöscht, kam nie wieder zum Vorschein.
Eines Tages, kurz nach dieser glücklichen Wendung der Tinge, hatte Franz Veranlassung, über die lange Brücke zu gehn; als er an dem Lcichenhanse für Ertrunkene vorübcrwan- delte, näherte er sich dessen kleinem Fenster, indem er zu sich selbst sagte: „nun kann ich doch ohne abergläubige Furcht einen Blick da hinein werfen, da ich jetzt gewiß weiß, daß mein alter Meister sich nicht ersäuft hat. Dieser Schandfleck hastet nicht mehr an seinem Andenken, und seiner Asche ist endlich eine christliche Beerdigung zu Thcil geworden."
Als er jedoch einen Blick ins Innere warf, fuhr er mit Entsetzen zurück, denn das entfärbte und aufgeschwollene Antlitz eines Ertrunkenen traf sein Blick; und in den schauderhaft entstellten Zügen erkannte er den Mörder Storch, welchen mau schon einige Zeit vermißte.
„Elendes Geschöpf"! rief er aus; „du hast deine sünd
hafte Laufbahn mit demselben Verbrechen beschlossen, mit welchem du einen Unschuldigen belastetest! Niemand auf dieser Erde wird dich vermissen, ausgenommen der Scharfrichter, dessen Dienst du selbst übernommen hast. Ich weiß, du hattest mir den Tod geschworen; allein so groß deine Feindschaft war, will ich dich doch anständig begraben lassen; möge Gott der Allmächtige deiner armen Seele gnädig sein!"
Der Segen Gottes war mit dem jungen Ehepaare; die gemachten Erfahrungen hatten ihnen gezeigt, daß das Glück auf Erden wandelbar ist.
Die alte Familienbibel — nun ihr LieblingSstndinm — wurde ihr Führer durchs Leben; und wenn die Wolken des Mißgeschickes ihren GlnckShimmel zu nmwölken drohten, so fügten sie sich ohne Murren in den Willen der Vorsehung, und erinnerten einander an den Gesang des Nachtwächters in jener verhänguißvollen Nacht, wo alle Hoffnung sie verlassen zu .wollen schien:
„Die Hoffnung stärke das Herz,
Sie lindert Kummer und Schmerz!"
Allerlei.
— In Europa gibt cs nur vier Milliarden baareS Geld und auf diese vier Milliarden gründet sich der Credit und die Circnlation von mehr als 60 Milliarden Papier. Von diesem Papier kommen 40 Milliarden auf die Staatsschulden und mehr als 20 Milliarden ans Bankbillcts, Eisenbahnaktien u. s. w.
— In einer der letzten Sitzungen des Bezirksgerichts in Löban kam ein ergötzlicher Kriminalfall vor, den der Berichterstatter der sächsischen Constitntionellen Zeitung in folgender Weise erzählt: „In dem Dorfe Berthelsdorf lebt ein alter wohlhabender Gctreidchändler, welcher seit 20 Jahren schon nach dem Vvrbilde seines Vaters am 9. Mai im Stalle ein Feuer anzündetc, und aus seinem Zauberbuche den Segen darüber sprach, damit den Sommer hindurch sein Vieh von den Fliegen nngeplagt verbleibe. Wie allemal zündete er auch am diesjährigen 9. Mai sein Feuer an und murmelte seinen Spruch, als er Plötzlich gewahrt, daß die Flamme herumlcckt, und gefährlich wird. Anstatt sie auszutreten, blättert er in seinem Zan- berbüchlcin, bis er den Spruch findet, welcher jedes Feuer dämpft, und schlendert ihn hiergegen. Während er beschwört, kann er sich der Acngstcn nicht erwehren, als er sieht, daß die Flamme weiter und weiter spielt, und ruft ihr ein „Sachte" zuletzt: „Donnerwetter sachte" zu. Aber das entfesselte Element ergreift inmittclst sogar das Dach und es muß der Zauberer die Flucht ergreifen, wobei ihm sein Buch entfällt. Dieser Schatz, 150 Scheffel Haber und 200 Scheffel Korn wurden gleich dem Gebäude ein Raub der Flammen. Der Beschwörer ist alsbald vor Gericht gegangen und hat die Ursache des Brandes bekannt. Er soll vor Allem den Verlust des Zau- berbüchleins beklagen."
— Verfängliche Antwort. Bei einer der letzten Lehrer- Confcrenzen in Lustnau mußte ein jüngerer Lehrer aus N. N- über das siebente Gebot katechisircn. — Vor einigen Tagen ging nun der Lehrer durch Lustnau, und wurde von einem Knaben freundlich gegrüßt. Der Lehrer fragte denselben: Kleiner, woher kennst du mich? Der Knabe antwortete: „Vom siebenten Gebot."
— Ein Paar berühmte Berliner Recepte lauten so: 1) für bairisch Bier: Lasse Wasser an Gerste vorüber laufen und rühre mit einer Hopfenstange drin herum!— 2) Für homöopathische Hühnersuppe: Stelle auf dem Herde einen großen Kessel mit Wasser auf; wenn das Wasser siedet, jage ein Huhn durch die Küche und die homöopathische Hühnersuppe ist fertig! _
R ei t h s e l.
Fang nur die Erste an.
Die Andern wirst Du schon bekommen;
Doch hüte Dich, daran
Klebt Blut, nie wird die Erste frommen.
Ach: welch ein Hirn, in dem die Erste ward erfunden,
'ne Krankheit ist's, die Welt wird nie davon gesunden. Gewalt ist Recht, das ist 'ne alte Klage,
Der Mächtige hal's stets ganz ohne Frage.
Doch wird's gewiß zur schlimmsten aller Qualen,
Wenn's Ganze muß der Schwächere bezahlen.
Druck und Verlag der G. W. Za, ser'sche» Buchhandlung. Redaktion - Holzle.