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Mal zusammengesetzt. — Tn rin kr Nachrichten zufolge haben sich die 300 aus Pnzza cnikommeueu Gefangenen mit den Insurgenten von Cagliari vereinigt. Die neapolitanische Gendarmerie wurde in der Ebene von Salerno angegriffen. Die Insurgenten wurden^ zerstreut, mehrere derselben fcstgenommc», andere entflohen. (T. D. d. St.A.)
In Paris ist in diesen Tagen ein grosses Faß Bockbier ans. München angekommen und in den Keller der Tuilericen gebracht worden. Der König Max von Baiern hat cs dem Kaiser der Franzosen, der das baiensche Bier liebt und bekanntlich seine Gymnasialstudien in Augsburg absolvirt hat, aus dem Hofbrän zum Präsent gemacht.
Der Henker von Colmar.
(Schluß.)
Ein Geklirre von Degen ließ sich umher hören, woraus er schließen konnte, daß die Robe» der Richter nicht so friedlich waren, als sie den Anschein hatten. Er warf die Augen auf die Verurtheilte, die übrigens sich so unbeweglich verhielt, als hätte diese Debatte für sie gar kein Interesse.
„Du hast versprochen, zu gehorchen," wiederholte die Stimme Dessen, der ihn entführt hatte, „und Du hast Dich unserer Rache unterworfen, wenn Du das ^gegebene Wort zurücknehmest."
„Ich habe geglaubt, cs handle sich um eine 'geheime, aber regelmäßige Urtheilsvollstrecknng. Ich bin kein Mörder. Ihr Herren, wer Ihr auch sein mögt, ich nehme Encru Befehl nicht an: ich werde nicht ein Haar dieser Frau berühren. Uebri- gcnS, was hat sie gethan?
Der Präsident schien seine College« mit dem Blicke zu fragen; dann erhob er sich lebhaft und schrie mit donnernder stimme:
„Tn fragst, was diese Frau gethan? Ich kann cs Dir sagen, und dann werden sich Deine Haare vor Schauder auf Deinem Kopfe anfrichten; dann wirst Tn nicht mehr zögern, das Werkzeug unserer Gerechtigkeit zu werden; dann .
„Genug," unterbrach ihn die Frau, indem sie ihren Arm gegen ihn ansstreckle; „genug! Ihr könnt mich sterben lassen, aber Ihr könnt nicht, Ihr dürft nicht einem Menschen dieser Art enthüllen, was Eure Ohren gehört haben. Bin ich schuldig, straft mich! ich unterwerfe mich; cs ist mehr, als Ihr das Recht zu erwarten habt."
Schweigen folgte diesem Llreite, ein Schweigen, feierlich, eisig, nur unterbrochen von dem Pendelschlage einer großen unsichtbaren Wanduhr, die Plötzlich die eilste Stunde schlug.
„Es ist kein Augenblick zu verlieren, begann der Anführer wieder; „gehorche!"
Man reichte ihm ein sehr breites und sehr brcitgeschlif- fcnes Schwert, ziemlich ähnlich denen der Scharfrichter in der Schweiz.
„Nein!" wiederholte er, „nein! thut cs selber; da Ihr ohne Rechtsgrund verdammt, so Vollstrecker auch Eure Urthcils- sprüche!"
Das Opfer machte nicht die geringste Bewegung.
„Höre!" sagte der Zwischcnrrdncr, „hängst Du am Leben ?"
„Ja, meiner Frau, meiner kleinen Tochter wegen, die keine Stütze ans dieser Welt mehr haben würde, wenn ich ihnen fehlte."
„Ei wohl, wähle! sobald die Uhr ein Bicrtel geschlagen; wenn bann diese Frau nicht von Deiner Hand enthauptet ist, wirst Du von meiner Hand durch einen Pistolenschuß sterben."
„Ei, warum tödtctJhr sie nicht, da Ihr auf diese Weise doch einmal entschlossen seid, znm Mörder zu werden!"
Ter Richter schauderte unter seiner langen Robe.
„Es ist an Dir zu wählen!" fuhr er fort.
Der Henker hatte aus allen Kräften widerstanden; er begann Furcht zu bekommen, ein so unerschrockener Mann er war, und die Stellung seiner Verfolger erschien ihm schrecklicher als vorher. Er beschloß jedoch, so lange als möglich seine Fassung zu bewahren. Der Perpendikel ging seinen Gang; jeder Schlag klang in dem Herzen des Unglücklichen wieder, der zwischen das Verbrechen und den Tod gestellt war. Ein düsteres Schweigen herrschte in dem Saale; Alle waren unbeweglich; namentlich Die, welche den Gegenstand der Tragödie bildete. Der Hen
ker begann innerlich zu beten: er rief die Jungfrau und die Heiligen an, denn er war Katholik. Das Ergebnis; seines Gebetes war, daß er anSricf:
„Tödtet mich, wenn Ihr wollt! ich werde nicht gehorchen!"
„Du hast noch zehn Minuten für Deine Entscheidung," erwiderte kalt der Richter.
Dasselbe Schweigen herrschte wieder, nur unterbrochen von dem unerbittlichen Perpendikel, der das Leben eines Jeden, der Glücklichen wie der Elenden, mißt. Es war eine schreckliche Scene. Das Weib machte keine Bewegung. Als das Viertel schlug, dieser Glockenschlag der Ewigkeit für sie, erhob sie nicht einmal das Haupt; sie war entweder unschuldig oder sehr verhärtet. Auf ein Zeichen der Hauptperson schritten zwei Untergeordnete auf den Henker zu und reichten ihm das Schwert. Er schüttelte den Kopf und stieß cs mit der Hand zurück, ohne die Kraft znm Sprechen zu haben. Der Vorsitzende setzte seine Pistole in Bereitschaft; er sah es und ward noch bleicher.
„Mein Gott!" dachte er, „wollt Ihr, daß ich eine Wittwe und eine Waise hier unten lasse?"
Sei cs, daß dieser Gedanke ihn an das Leben knüpfte, sei cs, daß seine Widerstandskräfte Angesichts der auf ihn gerichteten Waffe erschöpft waren, er wich.
„Ich willige ein, ich willige ein!
Diese Worte, mit leiser und erstickter Stimme gesprochen, wurden doch im ganzen Saale verstanden. Er nahm das Schwert und prüfte cs mit seinem Daumen, um sich zu versichern, daß es scharf geschliffen ; er trat zwei Schritte vor. Die Verurtheilte blieb aufrecht und kniete nicht nieder.
„Gibt man ihr keinen Priester?" sagte er plötzlich und blieb stehen.
„Vollziehe Dein Geschäft," ward ihm geantwortet, „und kümmere Dich nicht um das klebrige."
„Ich kann es so nicht vollstrecken; diese Dame muß gebunden werden."
„Binden mich!" schrie sie mit einem unsäglichen Stolze.
„Bindet die Hände dieser Fran!" tönte die unempfindliche Stimme des Gerichtshalters.
Zwei Männer näherten sich; sie richtete sich in ihrer ganzen Hoheit auf:
„Wagt Ihr cs wohl?"
Diese Worte hielten die zwei Domestiken oder wenigstens Die, welche deren Dienste verrichteten, zurück.
„Gehorcht mir!" wiederholte der Präsident.
In einigen Sekunden war die Frau an einen Klotz gebunden, den man herbeigebracht; man erhob den Schleier an der Stesse deS Halses, und sie gab den Widerstand auf, als sie sich gewaltsam gehalten sah und ward unbeweglich.
„Schlag' oder . ." wiederholte der Richter, aufs Neue seine Pistole richtend.
Eine Art Schwindel bemächtigte sich des Henkers; sei cs die Liebe zum Leben, sei es die Furcht oder vielleicht jener Rausch, der, sagt man, die Männer in gewissen Umständen beherrscht— er erhob sein Schwert und führte einen Hieb, dessen Gewalt das Haupt vom Rumpfe trennte, ohne daß er noch ein Mal zu schlagen gebraucht hätte. Er ließ hierauf die Waffe fallen, und er, dieser Mensch von Eisen, an Blut gewöhnt, feit zwanzig Jahren Diener der menschlichen Gerechtigkeit, er fiel ohnmächtig neben seinem Opfer nieder. Als er wieder zu sich kam, ward er von neuem in die Carosse verschlossen, die Binde über den Angen, in einen Mantel gehüllt, der seine befleckten Kleider verbarg. Sobald er seine Sinne wieder erhalten, sagte ihm Der, welcher ihn weggebracht:
„Hier Dein Lohn; man hat ihn verdoppelt, weil Du ein wackerer Mann bist."
Tie Rückkehr ging auf die nämliche Weise von statten; am vierten Tage Abends war er zu Hause. Der einzige Unterschied war, daß man ihn am Ufer der Jll ließ, auf einer seiner Wohnung naben Wiese. Er fand seine Frau in großer Unruhe und die Behörden wüthend. Die Justiz von Eolmar stellte die thätigsten Nachforschungen an und entdeckte nichts. Man erfuhr n iemals mehr._
Druck und Verlag der G. W. Z a isc r'schen Vuchbandlldg,iNedaktion: Hölzle.