di« Augen der Gefangenen und wiederholte die dämlichen Dro­hungen , falls er selber die Binde zu entfernen versuchen wurde. Uebrigens behandelte man ihn gut; die Koffer enthielten gnre Weine und ausgezeichnete Lebensmittel, von denen er seinen Theil wie die Ändern bekam. Sobald man absteigen mußte, geschah dieß immer in irgend einem Walde und einsamen Orte, den er weder erkennen noch sich merken konnte. Es kam ihm vor, als habe man den Rhein passirt, und daß er die Berge hinaufführe. Am Abend des zweiten Tages isie waren seit längerer Zeit bergan gefahren) hielt man an einem Thore; er hörte ein Fallgittcr knarren und eine Zugbrücke herablassend man fuhr über einen Graben von großer Tiefe: der Helle Klang des Nädergeränschcs entdeckte es ihm. Obgleich es vollständig Nacht war, hatte man ihm die Binde umgethan. Die Pferde bettaten einen weiten Hof, der Schlag öffnete sich; zwei Per­sonen unterstützten den Henker bei den Armen und ließen ihn mehrere Stufen emporsteigen; er hörte um sich Partisanen oder Mnsketenkolben niederfaüen.

Laßt Euch führen!" ließ sich eine unbekannte Stimme vernehmen, denn er zögerte.

Erinnere Dich Deines Versprechens!" setzte sein Reise­begleiter hinzu;wir werden die unsrigcn alle halten."

Es schien ihm, als trete er in einen großen Vorplatz; dann durchschritt er mehrere Zimmer, weit, schwarz und gewölbt sicherlich; endlich führte man ihn in einen ungeheuren Saal, wo man ihm die Binde abnahm. Dieser Saal war ganz schwarz ausgeschlagcn; einige Fackeln erhellten ihn nothdürstig. Männer in der Kleidung von Beamten saßen umher auf einer Art von Stühlen; sie hatten keine Masken; aber das Licht war so schwaeb, daß es unmöglich wurde, in der Entfernung, in der sie sich hielten, ihre Züge zu unterscheiden.

Kaum war der Henker cingctretcn, als von der andern Seite eine verschleierte Fran herbeigeführt wurde. Sie war groß, schlank und sicherlich jung. Eine lange Robe von vio­lettem Sammt, nach Art eines Nonnengewandes, bedeckte sie ganz. Sie blieb unbeweglich in der Mitte des Kreises stehen, die Arme eiugeschlagen, das Haupt jedoch in der Höhe. Der, welcher die Versammlung zu präsidircn schien, erhob sich.

Wir haben Dich kommen lassen," begann er auf Deutsch, welches der Henker, wie alle Elsässer, verstand, trotz der Ver­schiedenheit des Dialekts;wir haben Dich kommen lassen, um ein gegen diese Frau gefälltes Urthcil zu voll strecken, damit diese Strafe Allen unbekannt bleibe, wie das Verbrechen, das sie hervorgernfen. Du wirst Dein Amt verwalten; Du wirst dieses Geschöpf enthaupten, welches die menschlichen Gesetze nicht erreichen konnten, und die doch eines unverzeihlichen Ver­brechens schuldig ist."

Der Henker, so sehr er Henker war, war ein ehrbarer Mann; er tödtete auf Rechnung der Herren vom Colmar, nach einem Urtheilc, das von ihnen gezeichnet, einregistrirt, von den Leuten des Königs rcvidirt, mit dem großen Siegel der Stadt und den mit Lilien versehenen Siegeln beglaubigt wor­den. Hier war es etwas ganz Andres; es handelte sich, so viel er sah, nm einen Meuchelmord; denn er konnte die Auto­rität dieser Fremden, deren Gesicht selbst für ihn ein Rätksel blieb, nicht anerkennen; er vereinigte also allen Muth seines Gewissens und antwortete in ziemlich festem Tone:

Ich werde dies nicht thun!" (Schluß folgt.)

Allerlei.

(Der Guß der Göthe-Schiller-Gruppe.j In der Münchener Erzgießereistraße war am Morgen des 28. Mai eine kleine Versammlung, vom Kultus für die ersten Geister deutscher Dichtung, wie für den Ausdruck der Begeisterung durch die Kunst angezogen. Es war die Stunde, da die von Mei­ster Rietschel in Dresden so charakteristisch vollendete Göthc- Schiller-Grnppe von dem Erzgießer v. Miller gegossen werden sollte. Unter den Versammelten waren der Minister v. d. Pfordtcn, Kanlbach. Dingelstedt, Berthold Auerbach und Carriere. Der Moment des Gusses ist immer ein feierlicher und unberechen­barer, so viel auch Kunstfertigkeit und Sorgfalt vorbereiten

mag. Jsi das Metall im Fluß, so gewinnt es fast eine selbst­ständige Gewalt, und die Vollendung erscheint wie ei» Segen, wie ein Geschenk. Schon seit dem Abend vorher war die Vkaffe bereitet, und mit ziemlicher Genauigkeit konnte der Gußmeister die Stunde angeben, wann es reif sei. Noch wurde» jetzt als Letztes Zink und zerhackte SouSstücke von bestimmtem Gewicht dazu gethan. Es hatte etwas EigenthümlicheS, daß zu den Standbildern der Geister, die so vielem bisher Unfaßbaren Gestalt und Gepräge gegeben hatten, jetzt Münzen von ge­messener Werthbestimmung eingeschmolzen wurden. Eine kleine Tribüne war errichtet, ans welcher Frauen und Männer Platz nahmen; mehrmals wurde der Kessel geöffnet und mit langen Stangen umgerührt, die noch beim Herausziehen lichterloh brann­te». Als endlich Älles bereit war, erschien der Meister im Schurzfell, ermahnte die Anwesende», bei anscheinender Gefahr ruhig zu sein, und nun öffnete er zuerst die Ansflnßlöcber, und nach diesen die in den Rinnen angebrachte» Einflnßlöcher. Je an eines dieser letzten wurden die srischbehandschuhten Gesellen mit glühenden Stangen gestellt und jedem eine bestimmte Num­mer gegeben, und ihm bedeutet, daß er auf den Anruf die Glühstange zurückziehe. Jetzt entblößte der Meister das Haupt

stille, andächtige Pause und nun ries er:Mit Gott fangen wir an." Der Hebebanm stieß gegen den Zapfen, zwei-, dreimal, und jetzt quoll die flüssige Gluth heraus, prasselnd, zischelnd, leichte Wellen schlagend, über die Gesellen wurden große Eisenbleche gelegt, wie Schilde gegen die strahlende Gluth, und jetzt ries der Meister:Alle heraus!" und die glühenden Stangen hoben sich, und hinab quoll es, denn drunten standen aufrecht die Modellformen der beiden Heroen, und bald zeigte es sich, daß sie gefüllt waren, denn aus den Ausflußrohren quoll cs jetzt hervor springquellartig, und der Meister rief: Vivat! der Guß ist gelungen." Die Anwesenden, die in bangem Staunen der wunderbaren Erscheinung zugcschant hat­ten, brachen unwillkürlich in ein lautes Hoch aus. Das Be­wußtsein, daß in dieser Minute Etwas vollendet war, was dauern wird, so weit Menschen denken können, und so lange Menschen denken und fühle» werden, dies Bewußtsein erfüllte jedes Herz mit weihevoller Andacht. Jetzt brachte der Meister ein Hoch de» Begründern und Förderern dieses Denkmals, dem Großhcrzog Karl Alexander von Weimar, dem König Ludwig und dem gesammten deutschen Volk aus. Alles stimmte ein, und aus den Versammelten scholl ein Hoch zurück auf den Mei­ster, in das man wiederum herzlich einstimmte. Alles beglück- wünschte denselben, der so erwartungsvoll noch vor wenigen Minuten dagestanden, und jetzt so froh vergnügt dreinschaute. Wenn dieses Werk am 3. September zum erstenmal im freien Sonnenlicht erscheint, werden gewiß Diejenigen, die da wissen und erkennen, was die Nation und die Welt an diesen Heroen hat, sich vor ihrem Angesicht versammeln, und wird der 3. September in Weinmar eines der schönsten Nationalfeste sein.

Es ist nunmehr mit Gewißheit anzunehmen, daß die Dop­pelstatue zum Septemberfest in Weimar fertig und gleichzeitig mit dem Standbild Wieland's enthüllt werden wirb. Wenn die Sonne von Karl August's hundertjährigem Geburtstag das Vierklecblatt seiner Dichter bestrahlt, die dann in Weimar ihre eherne Auferstehung alle gefeiert haben werden, so gibt das

. Memnonsklänge, welche in ganz Deutschland feierlich widerhallen.

Aus Ulm lesen wir in der U. Z.:Es dürfte von Interesse sein, zu erfahren, daß hier Pflüge construirt wer­den, die von Menschen in Bewegung und Thätigkeit gesetzt wer­den können. Ein hiesiger Gärtner besitzt einen derartigen Pflug, der von Dienstboten (Knecht und Magd) gezogen wird, während er denselben leitet." Die U. Z. hält das für einenbedeu­tenden Fortschritt in der Landwirthschaft."

Man schreibt aus Madrid vom 16. Juni, daß man in Spanien ein Mittel gegen den Kornwurm entdeckt haben will, dessen Wirksamkeit wir jedoch dahingestellt sein lassen. Man müsse unter den anfgespeicherten Waizen einige Handvoll Hanfsamen in Schoten auf (verschiedenen Punkten legen: der Geruch des Hanfsamens genüge, den Kornwurm zu vertreiben.

Druck und Perlag der G. W. Zaiser'schen Buchhandlung. Redaktion: Hölzle.