St. Petersburg, 20. Jan. Gestern Abend fand die Trauung des Grafen Morny mit der jungen Fürstin Trnbetz- koi nach griechischem und katbolischem Ritus in dem Palais der Fürstin Koutchoubei statt. Die Zahl der Eingeladenen war sehr klein. Die Braut, schöner als jemals, war mit pracht­vollen von ihrem Gemahl ihr geschenkten Diamanten geschmückt. Nach der religiösen Ceremonie trennten sieb die Eingeladenen, ohne sich in das Palais der französische» Gesandtschaft zu be­geben. Heute früh wurde die Gräfin Morny der Kaiserin vor­gestellt; einige Tage vor der Hochzeit hatte letztere dieselbe zur Ehrendame ernannt. (Nord.)

Die Waise» aus Schwede».

(Fortsetzung.)

IV. .

Die Frühlingssonne lächelte durch zerrissene Wolken, die tausend Millarden Schneeflocken, diese Blüthen des Winters, welche mit ihren zahllosen kristallenen Sternchen sich im lauen Westwind in eben so viel, gleich Diamanten blinkenden Tröpf­chen aufgelöst hatten, durchströmken nun vereinigt in klaren, Hellen Bächlein die Gefilde, und wecktcwim Bunde mit dem warmen Frühlingshauch die schlummernden Keime der Wiesen und Felder.

Hinter einer Hecke, auf weichem, trockncm Rasen, einsam in der lebensfrohen Schöpfung, lag Olav, der Schwedenknabe. Sein sonst so heiteres Gemülh war traurig und niedergeschlagen. Die ihn umgebende Stille hatte sein Herz weich und zur Weh- muth gestimmt. Er gedachte der jüngsten Bcrgangenheit; noch waren es keine 4 Monden, seit seine harmlose, glückliche Kind­heit sich so plötzlich nmgewandelt hatte. Er gedachte der schö­nen Tage, wo er und seine Schwester mit der kleinen niedlichen Bertha und ihrem Bruder, dem hochfahrenden Rudolph, ge­spielt und sich seines jungen Lebens gefreut hatten. Nachbarn und Hausgenossen waren damals den schwedischen Kindern freundlich entgegenkommen, denn man hielt sie für reiche Erben; jeder Tag war ihnen ei» Fest gewesen.

Doch als ihr Oheim, ihr einziger Freund und Beschützer, den sie dermalen auf der Welt besaßen, unter der frevlicken Hand eines Mörders gefallen, als der Vorgefundene, schwach­gefüllte Seckel anscheinend ein Zeuge ihrer Armmh war, und inan selbst ihre rechtmäßige Geburt in Zweifel ziehen mußte, da wandte sich alles scheu von den fremden Waisen ab, und Niemand wollte sich ihrer annehmen. Auch Herr Berthvld nicht, den seine eigene kritische Lage unempfindlich machte gegen andre Noth. Doch ein Engel war ihnen nahe, da sie von Gott und der Welt verlassen schienen; aber dieser konnte ihnen nur durch die Vermittlung eines Teufels zu Hülfe kommen.

Hainth Meußfeuger, der ehedem den Kindern stets sich abhold bewiesen, war mit dem Schein der Großmnkh vorge­treten und hatte sich bereit erklärt, sich der armen Verlaß'nen anzunehmen. Und jedermänniglich war gerührt und belobte den Schreiber ob des guten Werkes, aber Niemand wußte, daß er nur dem Willen der schönen Gnda uachkam, deren einstigen Besitz er immer noch nickt ausgegcben hakte, obgleich ihm kurz darauf jede Hoffnung schwinden-mußte. Gnda, sobald sie die hülflose Lage der Verwaisten, und die Abneigung ihres Schwa­gers und muthmaßlichen Gatten, ihnen Hülse zu leisten, wahr­nahm, war keinen Augenblick unentschlossen, sich derselben an­zunehmen; aber sie scheute sich aus mancherlei Gründen, ihnen öffentlich ihren Schutz angedeihen zu lassen. Meußfeuger, von dessen Verworfenheit die reine Jungfrau keine Ahnung hatte, zeigte sich bereit, vereint mit ihr für die Existenz der armen Waisen zu sorgen, zudem, da er die eigentliche, heimliche Ur­sache ihres Unglücks war, und das sich regende Gewissen ihn zu einer Art von Mitleidcn bestimmte. So waren die Waisen ans Schweden an den Schreiber gekommen, der um sich nicht selbst mit ihrer Erziehung befassen zu müssen, sie seinen Verwandten, dem rohen Flickschneider und dessen Weibe, zur Pflege übergab.

Obgleich Hanemann Jäckel, und besonders die häßliche Trine, alles aufboten, den Kindern ihre gegenwärtige Lage erträglich und angenehm zu mache», so konnten diese, da ihnen ein gewisses Zartgefühl angeboren war, sich doch in dieser rohen

Umgebung nicht anders als höchst unbehaglich fühlen, und in einsamen Augenblicken lag das beängstigende Gefühl ihrer Ver­lassenheit schwer aus ihrem Gemükh.

Ein solch düstrer Augenblick war über den Knaben Olav gekommen, als er sich in der lebensfrohen Schöpfung allein sah, als er mit Wehmuth der glücklichen Stunden gedachte. Und nun mußte er ihre Nähe meide», er war verbannt von der Schwelle seiner glücklichen Kindheit, und nur ein Strom bitt­rer Thränen war ihm geblieben, sein gepreßtes Herz zu erleichtern.

Plötzlich verstummte sein banges Schluchzen, die Thränen stockte»,-denn er hörte zwei Männer nahen, die ihn hinter der dichten Hecke nicht gewahren konnten. Die Stimme des Einen war dem Knaben bekannt. Er bog vorsichtig den Kops zu ei­ner etwas lichten Stelle des Dornengestripps, und sein Blut stW »u gerinnen an vor schrecken, als er den einäugigen Ralph gewahrte, den Hanemann Jäckel in des Nachbars Schenke ausgesucht, aber nicht mehr gesunden hatte. An des Häßlichen Seite ging Hainth Meußfeuger, sein Trencnhänder. Olav bebte vor dem stechenden Blick, den der Einäugige zufällig auf die Hecke fallen ließ, zurück, wie ein Vögelein vor dem Blick der feindlichen Schlange; glücklicherweise aber bemerkte ihn der Unhold nicht.

Bei den Klauen des Teufels!" ließ Ralph sich verneh­men, mit einer Stimme, nicht unähnlich dem Gcknnrre eines wilden, reißenden Thieres.Euer Plan da gefällt mir schier. Ihr liefert mir einen Braten an's Messer ganz nach meinem Gelüst. Ich kann sie alle nicht leiden, diese aufgeblasenen, filzigen Spießbürger, die einem ehrlichen Kriegsknecht nur dann freundlich auf die Achsel klopfen, wenn ihnen der Teufel eine Wespe auf die Nase setzt, und die grob und breitmäulig wer­den, uns Wegelnngerer schelten und fortjagcn, sobald sie unse­rer entbehren könne». Bei dem Fcsttagsbraten Belzcbnbs! ich wills ihnen noch eintränken, daß sie mich mit einem Tritt vor den Hintern ans ihren Mauern stießen, wegen einer Lumperei halber, und mir mit Galgen und Rad drohten, wann ich mir das Wiederkommen gelüsten ließe.

Mäßige doch Deine Bärenstimme, Ralph, Du brüllst ja, daß man's ans dem Eschenheimer Thurm hören kann," unterbrach ihn Meußfeuger verdrießlich.Also hast Du mich verstanden. Du und Deine beiden Spießgesellen, ihr könnt keinen günstigeren Augenblick finden, euer Stücklein anSznführen, als just heute Nacht, wo der Wüllknappe Hochzeit mit Gnda Hetlcgeist halten will. Ich werde Euch das Seitenpförtlein das in die Borngasse führt, offen halten; ihr kappt euch leise durch den Hof. Gegenüber findet ihr eine Thüre, die an eine Treppe stößt; oberhalb links ist eine offene, dunkle Kammer welche dicht an das Brautgemaeb stößt. Hier bergt Ihr euch, bis Wixhänser mit seinem Li.-b sich der Brautkammer naht. Aber bei allen Teufeln! ihr sollt lebendig in Oel gesotten wer­den", fuhr der Schreiber fort, einen furchtbaren Blick seiner granen Angen auf das blutbegierige Werkzeug seiner beabsich­tigten Rache heftend,wenn ihr der Braut ein Leides antbnt, oder sie im geringsten mit cnern unfläthigen Händen anzutasten wagt. Laßt sie schreien und jammern, ihr findet Zeit genug, den Wittwer abznfertigen, und den sichern Rückzug zu nehmen. Um Deinen Heißhunger nach Beute zu befriedigen, habe ick wohl nicht nöthig, Dich zn erinnern, nach der That schnell die Brautkammer alles Werthvollen, was nur in euren schmie­rigen Säcken Platz findet, zu entledigen. Auch den Bräuti­gam vergeht nicht, seiner Kleinodien zn berauben, wir haben dadurch beiderseitigen Vortheil: ihr vermehrt euer» Raub, und ich werde einen verhaßten Nebenbuhler los, indem ich meine Rache in seinem Blute kühle, ohne daß der leiseste Verdacht auf miä> fallen könnte. Man wird ''diese nächtliche That für ein gewöhnliches Blntzapferstncklein halten. Die beiden Kinder des Verhaßten werde ich gelegentlich bei Seite zu schaffen wis­sen," grunzte Hainth.Nur im höchsten Nothsall, wenn uns Vcrrath droht, und das Stücklcin mißlingen will, dann mor­det auch die Braut. Eh' soll sie sterben, als die Seinige werden.

(Fortsetzung folgt.)

Verantwortliche Retnktion: H olzle.

uck und hcrausgegcben oon A Zaiser.