„So bist Du also kein Chouan?" — fragte der Sergeant.
„Chouans, Räuber haben mein Herz durchbohrt" — stöhnte der Bauer.
„Steht es so mit Dir, armer Schelm" — rief der Alte. — „Nun, Du bist der Erste nicht und wirst auch der Letzte nicht sein, der so endet." — Er warf eine alte Satteldecke über den todwunden ächzenden Man». „Es ist Alles, was ich für Dich thun kann" — sagte er und zog die Ecken unter dem Körper fest — „mache bald Frieden mit dem Würger und gehe in die Winterquartiere."
Er schwang sich auf, und die Schaar wollte weiter, als hinter ihnen Pferdcgetrappcl kam, Stimmen schallten, die Schwerter funkelten, aber bald erkannten die bestürzten Dragoner, daß nicht eine Schaar raubsichtiger Vendeer, sondern ihr eigener General und dessen Gefolge auf sie gestoßen sei.
„Sieh' doch nach, Dessettes, ob dem armen Teufel nicht zu helfen ist" — sagte Hostie zu dem Stabsarzte in seiner Begleitung --- „es wird eine fürchterliche Nacht, und wenn es wahr" ist, daß er dem Gesindel seine Wunde verdankt, so muß er ein Patriot sein, dem bcizustehen unsere Pflicht ist."
„Ich glaube, er lügt" — meinte ein Adjutant.
„Und warum?" — erwiderte Hoche — „was hälfe cs ihm?" Warum sollte er jetzt noch etwas läugnen? An den Pforten der Ewigkeit lügt selten Einer." —
Der Stabsarzt war zu dem Verwundeten getreten, hatte ihn angesehen und kehrte zurück. „Er ist mit Blut bedeckt" — sagte er — „überall ist es geronnen und starr, der leiseste Verband kostet viel Zeit und Mühe, überdicß aber muß man Licht haben, den» kaum kann ich mehr einen Gesichtszug erkennen. Seine Wunde ist offenbar tödtlich, und wir verlängern nur seine Qualen; lassen wir ihn liegen, so ist es in kurzer Zeit vorüber."
„Es ist ein hübscher Junge, mein General" — sagte der alte Sergeant — „und so kräftig wie er, erholt man sich schon noch ein Mal bei guter Pflege. Ich habe drei Narben auf der Brust und bin doch frisch und gesund."
„Gut, mein Alter" — versetzte Hoche lächelnd — „aber, was sollen wir machen?"
Der Graukopf zuckte die Schultern. „Ich sehe, daß er verloren ist, aber die Qual möchte ich ihm ersparen, und wenn Du es erlaubst, Bürgcrgcneral, so" — er hob das Pistol in der Hand.
„Laß doch sehöli, ob es nicht anders geht" — meinte Hoche und näherte sich dem Liegenden. Ein Dragoner hob ihm den Kopf, wahrend der General sich hinabbeugte; aber dis Veränderung schien dem Verwundeten äußerst schmerzlich, krampfhaft zuckten seine Glieder, die Füße krümmten sich, als versuche er aufzusteheu, und der rechte Arm fuhr heftig und schnell nach der linken Seite, wo er sich in die blutigen Falten des Kittels verwickelte.
Der General trat zurück. „Es sind Zuckungen des Todes" — sagte er.
„So will ich seine Rechnung abschließen" — murmelte der alte Soldat, spannte das Feuergcwehr, und
indem er die Decke znrückschlng, hielt er die Mündung dicht an die Stirn des Jünglings.
„Halt" — rief Hoche und faßte das Gewehr — „keine Unbesonnenheit, Alter; Dein Schuß könnte nn« einen ganze» Schwarm der edle» Ritter in Holzfchuhcu auf den Hals laden. Den laß ruhig liege», in einer Viertelstunde ist er kalt."
„Die ist es eben, die ich ihm sparen wollte" - brummte der Sergeant und trat zurück.
„Meine Herren" — sagte Hoche zu de» Offizieren seines Gefolges — „unser Streifzug hat uns so tief in diese verwachsenen Schlünde geführt, daß ich für mein Tbeil nicht mehr weiß, wo wir sind. Ist Jemand da, der den Weg kennt?"
„Der Teufel hole die Schurken von Führern, die uns im Stich ließen," — fluchte ein Mann mit wildem Backenbart — „wer kann in diesem bestialischen Laude wissen, wo er sei?"
„Still, Camerad! nicht geflucht!" — rief Hoche lachend. — ,,Dn hast zwar im Convent den alten Gott freudig abschaffeu helfen, den unsere Herren vom Dircc- lorium uns jetzt gnädig wiedcrgegeben haben, aber wcu» man dem Teufel an das Leben wollte, Du stemmtest Dick mit Händen und Füßen dagegen.
„Gewiß, General!" — versetzte Laumonier unter dem Gelächter der Menge, und mit Recht — „denn ein Soldat braucht den Einen weit eher, als den Andern."
„Sei überzeugt, er wird Dich finden, Freund" — meinte Hoche — „allein was hilft'S! in der That, eS wäre mir gleichgültig, welcher von Beiden uns sagte, wie und wo wir nach Chateau-Morne kommen. Dort der letzte rothe Punkt im Abend ist bald ganz erloschen, und die grundlosen Kreuz- und Hohlwege werde» uns schnell so verwirrt habe», daß kein Mensch weiß, was vorn oder hinten sei. Nun vorwärts, Cameraden, auf gut Glück."
Der Zug setzte sich in Bewegung; durch das Dunkel der Nacht warf der General noch einen mitleidige» Blick gegen den Erlepbnsch, aus dessen nassen Blättern das Stöhnen des Todwunden hervorquoll. „Der unglückliche Knabe!" — murmelte er — „vielleicht erwartet ihn die alte Mutter zu Haus, und den ihre Sorge sncht, der sorgt nicht mehr!" — In dem Augenblick erhellte der Blitz eines Feuerrohrs die Büsche, die Pferde flogen seitwärts, und ein Reiter, dicht hinter dem General, sank lautlos zu Boden.
(Fortsetzung folgt.)
R ä t h s e l.
Wer löst des Wortes Doppelsinn?
Es tönt, wenn Zwietracht Krieg begehrt. Und ist doch treuer Liebe Wunsch.
Die Mutter hört's mit bangem Schmerz, Bctrifft's den waffenfiih'gen Sohn;
Die Mutter hört's mit frcud'gcm Stolz, Gilt's dem verlobten Töchterlein.
Dort ruft der Staat zu schwerer Pflicht, Hier gibt die Kirch' ein heil'ges Recht. Wer löst des Wortes Doppelsinn.