das Alles das Werk eines Betrügers wäre, der zu irgend einem geheimen Zweck meinem schlaftrunkenen Bedienten meine Rolle vorgcspielt hätte? Wen» ein Dieb — aber die Uniform, das heilige Kleid, was vor solchem Verdacht schützen sollte! Nun, er hätte sie ja vom Trödler haben können. Oder wenn es ein Streich meiner Kameraden wäre, und ich wäre der Narr gewesen, der sich so anführen ließ, die Nacht unter freiem Himmel zu- zubringcn!
Das Flistern der Soldaten ans der Wache fiel ihm ein, und ihm war, als dürfte es mit dieser Idee in einiger Verbindung stehen; doch jetzt fing der Himmel an, sich in einzelnen Tropfen ans die Erbe herabznlasscn, die dichter und dichter wurden, bis endlich ein feiner, thau- artiger Regen, Alles durchdringend, nicderfiel, und meinem armen bivouakirendcn, übernächtigen Freund noch übler mitzuspiclen drohte, als ihm schon geschehen war. Schon fing sein Haar an — vcrmuthlich wollte es das Schicksal, welches ewig nach dem Gesetz der Contraste verfährt, für seine unfreiwillige Erhebung in der Nacht demüthigen — sich, niedergedrückt durch den reichlichen Thau des Morgens, mehr zu senken als zu sträuben, und sein ganzes Nervensystem empfand eine gleich niederschlagende Wirkung, vermuthlich Folge der niederschlageuden Tropfen, die ihm von oben administrirt wurden. Fast unfreiwillig näherte sich mein Freund dem Hause und klingelte. Niemand öffnete. Er staub lauge, und zog und riß an dem hallenden Drahte; endlich kam die Haus- magd in Pantoffeln und etwas leichter Toilette an, fragte verdrießlich: „Wer ist denn da schon so früh?" und öffnete auf die beliebte und gebräuchliche Antwort „Ich," die Thüre und zugleich ein Paar große Augen, da sie den „Herrn Lieutenant" erblickte. Er stieg die Treppe hinauf, sie sah ihm lange nach.
An seinem eigenen Vorzimmer läutete er wieder ziemlich lange, ehe sein Soldat gähnend die Thüre anfmachte, und respektvoll und eilig zurücktrat, als er den eigenen Herrn sah. Dennoch konnte er sich nicht enthalten auszurufen : „Herr Lieutenant, sind Sie den» schon so früh ausgewesen?" — „Einfältiger Kerl!", rief der Lieutenant, auf den höchsten Grad der Verdrießlichkeit gebracht, „ich komme ja erst nach Hanse?" — „Erst?" sagte verwundert der Soldat, schwieg aber sogleich in gewohnter Subordination, und selbst erschrocken über seine Kühnheit, sie einen Augenblick vergessen zu haben. „Nun ja, Du weißt ja, daß ich bei — soupirt habe," erwiderte mein Freund. „O von dort sind der Herr Lieutenant ja schon lange wieder zurückgekommen!" rief der Mensch ans. Ei» kalter Schauer zog meinem Freunde durch die Glieder, aber er faßte sieb und sagte mit erkünsteltem Zorn: „ich glaube der Narr hat geträumt!" — „Mein Gott, Herr Lieutenant, ich habe Sie ja selbst ausgezogen! Sic waren ja so still, daß ich mich darüber wunderte, und —" hier lächelte der Soldat. Sein Herr bemerkte es und ahuete den Verbackt des Dieners, er war ihm aber zu unwichtig, einen Augenblick weiter daran zu denken; er wußte sehr gut, daß er nicht betrunken gewesen sei, aber jetzt fürchtete er, wahnsinnig zu werden. Er griff an seine
Stirn — sic war so heiß, daß sie des durchnäßten Haare«, welches darüber hing, zu spotte» schien. Er dachte an seines Tob und wagte kaum die Thüre seines Zimmers zu öfiueu; der Soldat hatte es jedoch schon gethan. In der Stube war Alles unverändert. Der Offizier faßte sich noch einmal; er wollte der Sache auf den Grund kommen. „Wo hast Du meine Uniform hiugelegt?" fragte er den Diener, in seine Ideen eingehend. „Aus dem Stuhl dort lag sic; der Herr Lieutenant haben sie ja wieder ungezogen," crwiderie dieser, mit der seligen Schlauheit eines Pinsels lächelnd, der die Gelegenheit, Andere auszulachen, um so wonnevoller genießt, je seltener sic sich ihm bietet. Der Lieutenant biß sich in die Lippen und stampfte mit dem Fuß. Der Soldat brachte schnell sein Gefickt in ernstere Falten und zog sick hinter den Herrn zurück, wo er sich vor dem Spiegel etwas zu schaffen machte. Dieser achtete seiner nicht; nicht das Lächeln des Dieners hatte ihn erzürnt; die Unmöglichkeit, auf eine Spur zu kommen, welche die räkbsel- haften Vorgänge der Nacht ergründen hülfe, verursachte in ihm einen Ausbruch verzwciflungSvollcr Wutb. Aufs Aeußerste getrieben, wollte er Alles wissen, die Ungewißheit enden, es möge kosten, was cs wolle, und heftig ging er auf die Kammerlhüre zu, sie zu öffnen. Ans dem Griff zitterte jedoch seine Hand; er vermochte es einen Augenblick nicht, ihn niederzudrücken; endlich aber wick er seiner Begierde oder seiner Augst; die Thüre ging indessen nicht auf. „Sie ist geschlossen; den Schlüssel!" rief er dem Bedienten gebieterisch z„. „Sie muß ja offen sein," erwiderte dieser mit einem Phlegma, das den Herrn außer sie!' brachte. „Ich habe den Schlüssel nickt; er steckt inwendig." Der Mensch lehnte seine schwerfällige Masse an die Thüre, die um etwas wich, so daß man sah, sie sei nicht verschlossen; aber weiter wollte sie sich nicht öffnen, und die Spalte war nickt groß genug, hindurch zu sehen; sie schien von innen zugehalten zu werden. „Triumph, Betrug!" rief der Lieutenant, „meine Pistolen her!" Maschinenmäßig reichte sie ihm der Soldat vom Tische hin, den Blick verwundert bald auf die Thüre, bald aus den Herrn gerichtet. Dieser war mit einem freudigen Sprunge au die Thüre getreten und raunte so heftig dagegen, daß sie seinem Stoße wich und halb anssprang; versteinert blieb er vor ihr sieben, — „Potz alle Werter!" rief der Soldat, was ist da passirt!"
Die Decke des Zimmers war in der Nackt zum Theil eingefallen; bas Bett des Offiziers lag zertrümmert und hin und wieder zu kleinen Splittern zerschlagen vor seinen Füßen. „Das ist ein Glück, daß Niemand dariune schlief, und daß der Herr Lieutenant so früh ausgegangen sind!" ries der hartnäckige Soldat, den Schauplatz der Zerstörung näher besehend.
Mein Freund hörte ihn nickt mehr; er war in die Kniee gesunken, Thränen freudiger, dankbarer Rührung entfielen seinen männlichen Angen; er betete die geheim- nißvollen Wege einer ewig wachenden Vorsehung au, welche auch die Haare ans unser»! Haupte gezählt hat, und ohne deren Willen kein Sperling fällt.